Neues Interviewbuch

Papst: Priester, die eine Frau lieben, “müssten” heiraten

Ausland
26.11.2010 09:35
Bislang wurde nur die "Kondom-Frage" ausführlich debattiert. Doch "Licht der Welt", das neue Interviewbuch mit Papst Benedikt XVI., aus dem die am Wochenende publik gewordenen Sager zum Verhütungs- und Aids-Thema stammen, bietet noch weit mehr Zündstoff. Unter anderem äußert sich der Pontifex zum Thema Holocaust, Missbrauch und auch dem Zölibat. In Bezug auf Letzeres spricht er ein "Heiratsgebot" für Priester in wilder Ehe aus.

"Papst lockert Kondomverbot!" - so schallte es am vergangenen Wochenende durch die Gazetten, als die halboffizielle Vatikan-Zeitung "L'Osservatore Romano" ein kurzes Vorabzitat zu dem Thema aus dem Buch veröffentlichte. Der Vatikan betonte zwar umgehend, Benedikt XVI. habe "nichts Neues" gesagt - siehe krone.at-Berichte in der Infobox -, doch großteils blieb es bei der "Sensation".

Es ist keine "Sex-Revolution"
Nun ist "Licht der Welt" in den Buchhandlungen erhältlich, und die Lektüre der inkriminierten Passage im Gesamtzusammenhang bestätigt vollends die Einschätzung des Vatikans - bezieht sich Benedikt XVI. doch direkt auf seine Aussagen zu Kondomen und Aids bei seinem Flug nach Kamerun im Frühjahr 2009, für die er damals heftig geprügelt wurde. Er hatte dort zu einer "Humanisierung der Sexualität" gemahnt und betont, die Verteilung von Präservativen "vergrößert das Problem" nur, wenn die Afrikaner nicht "mithelfen, indem sie eigene Verantwortung übernehmen".

Der Papst warnt nun erneut vor einer "Banalisierung der Sexualität" durch die "bloße Fixierung auf das Kondom", meint dazu aber ergänzend, dass etwa bei Prostituierten "die Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein (kann) auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität" - von einer Lockerung des Kondomverbots keine Spur.

"Heiratsgebot" für Priester, die mit Frauen leben
Doch das Interviewbuch des deutschen Publizisten Peter Seewald gibt ohnehin einige andere, mindestens ähnlich interessante Aussagen des Papstes her. So stellt er sich etwa deutlicher denn je hinter Papst Pius XII. (1939-1958), dessen Seligsprechungsprozess weithin für Proteste gesorgt hat, da ihm "Schweigen" angesichts der Judenvernichtung vorgeworfen wird. Benedikt XVI. erinnert dagegen an die Aktionen, die der Papst im Zweiten Weltkrieg zur Rettung von Juden gesetzt hat, und erklärt dann unumwunden: "Da muss man, glaube ich, wirklich erkennen, dass er einer der großen Gerechten war, der so viele Juden gerettet hat wie kein anderer."

Noch ausführlicher kommt Benedikt zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche zu Wort. Diese sehr persönlichen Passagen, in denen das ehrliche Entsetzen des Papstes über die Vorfälle nicht zu überhören ist, gehören sicher zu den lesenswertesten Teilen von "Licht der Welt". Überhaupt präsentiert sich Benedikt an zahlreichen Stellen überraschend klar, etwa wenn er beispiels unumwunden meint, Priester, die mit Frauen zusammenlebten, "müssten" heiraten, falls "ein wirklicher Ehewille vorhanden" sei - und damit auch das Priesteramt aufgeben; "Lüge und Verheimlichung" dürfe es auf jeden Fall nicht geben, meint der Papst.

Eine Woche lang täglich interviewt
Die Fragen von Peter Seewald, für den "Licht der Welt" nach "Salz der Erde" (1996) und "Gott und die Welt" (2000) bereits den dritten Interviewband mit Joseph Ratzinger darstellt, würde man beim Lesen manchmal gerne noch ein wenig zuspitzen. Während er in den früheren Büchern kurze, griffige Fragen formulierte und seine persönlichen Ansichten weitgehend im Hintergrund hielt, sind diesmal seine Wortmeldungen oft ausführlicher als die Antworten des Papstes. Dann heißt es nach einer langen Frage auch: "Sie haben eigentlich die Antwort schon gegeben." Seewald verbrachte heuer eine Woche in der Sommerresidenz des Papstes, wobei er jeweils eine Stunde täglich mit Benedikt XVI. sprechen konnte.

Abseits der Gespräche umfasst der Band einen ausführlichen Lebenslauf des Papstes und die bisherige Chronologie seines Pontifikates sowie die Textauszüge aus dem "Brief an die Katholiken in Irland" (2010) zu den Missbrauchsfällen, aus der "Regensburger Rede" (2006) zum Islam und aus dem Interview beim Flug nach Kamerun zu Aids und Kondomen. Alles in allem ist "Licht der Welt" eher nicht die Sensation, als die es verkauft wurde, bietet aber einen persönlichen Blick in das Denken des deutschen Papstes.

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