Vor EU-Gipfel:

Breite Front gegen Merkels Asyl-Pakt mit Türkei

Ausland
16.03.2016 21:31

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird die Skepsis unter den EU-Staaten an einem von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel forcierten Deal mit der Türkei zur Reduzierung des Flüchtlingsstroms immer größer. In Spanien protestierten am Mittwoch Tausende Bürger gegen den geplanten Pakt und sprachen von einer "Schande". Ungarn warnte sogar davor, dass eine Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge aus der Türkei sogar noch mehr Migranten anziehen würde.

Alle im spanischen Parlament vertretenen Parteien einigten sich am Mittwoch auf eine Ablehnung des EU-Türkei-Pakts. Dabei gehörte Spanien bisher zu den Befürwortern der Flüchtlingspolitik von Merkel. Vor allem die geplanten Abschiebungen von Flüchtlingen von Griechenland in die Türkei stoßen in Madrid nun jedoch auf Widerspruch.

Wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Mittwoch warnte, könnte der Deal mit der Türkei sogar einen Anreiz für illegal in Griechenland ansässige Migranten darstellen, in andere EU-Staaten zu fliehen. "Wenn wir die Völkerwanderung stoppen wollen, müssen wir vor allem Brüssel bremsen", sagte Orban nach Angaben der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI.

Zeman und Valls orten "Erpressung"
Bereits am Dienstag hatte Tschechiens Präsident Milos Zeman den geplanten Deal mit der Türkei als "Erpressung" bezeichnet, weil Ankara mit sechs Milliarden Euro jetzt doppelt so viel zur Flüchtlingsversorgung wie im November verlange. Ursprünglich hatte die EU "nur" drei Milliarden Euro an Unterstützung zugesagt. In dieselbe Kerbe schlug zuvor bereits Frankreichs Premierminister Manuel Valls: Sein Land strebe zwar eine "effiziente Zusammenarbeit mit der Türkei" an, wolle aber keine "Erpressung".

Auch Österreich kündigt Widerstand an
Auch Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte Widerstand gegen den Türkei-Deal an. In einem deutlich formulierten Brief an die EU-Kommission - wir berichteten - stellte sie klar: "Fällt die Visapflicht für die Türken ohne Zusatzmaßnahmen, könnte es zu einer noch massiveren Einwanderung nach Mitteleuropa kommen."

Das geplante Abkommen mit der Türkei sieht vor, dass die EU künftig alle unerlaubt eingereisten Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück in die Türkei schickt. Für jeden zurückgeschickten Syrer soll die EU einen syrischen Flüchtling legal aus der Türkei einreisen lassen. Ankara fordert zudem eine Beschleunigung der geplanten Visaerleichterungen sowie der Beitrittsgespräche - und insgesamt sechs Milliarden Euro an Hilfszahlungen.

Zypern verweigert Zustimmung zu Pakt
Auch der zyprische Präsident Nikos Anastasiades drohte mit einem Veto gegen einen Deal mit Ankara. "Dies ist der schlimmste Moment für Zypern, sich auf eine EU-Türkei-Vereinbarung einzulassen", sagte er am Mittwoch. Zypern ist seit der türkischen Invasion 1974 geteilt. Der Nordteil ist seit damals eine türkische Republik, die nur von Ankara anerkannt wird. Die Republik Zypern, die völkerrechtlich nach wie vor die gesamte Insel umfasst, ist seit 2004 EU-Mitglied. Jüngst ist Bewegung in die jahrelang festgefahrenen Gespräche um eine Wiedervereinigung gekommen, ein Referendum könnte noch in diesem Halbjahr stattfinden.

Deutsche Linksfraktion: "Schmutziger Deal"
Auch aus Deutschland kommen scharfe Töne Richtung Merkel. Die linksgerichtete Opposition etwa sprach vor einem "schmutzigen Deal" mit Ankara. "Menschenrechte dürfen nirgends und niemals auf dem Verhandlungstisch liegen", sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Er kritisiere in erster Linie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen rabiaten Umgang mit Journalisten, Oppositionellen und der kurdischen Minderheit. "Sie meinen Lösungen gefunden zu haben, indem Sie mit dem Despoten Erdogan einen Schulterschluss suchen", warf Bartsch Merkel vor. CSU-Chef Horst Seehofer wiederum lehnt die geplante Visaliberalisierung strikt ab.

EU-Ratspräsident Tusk: "Noch viel zu tun"
Selbst EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich zum möglichen Deal mit der Türkei skeptisch: "Die Arbeit kommt voran, aber es gibt noch viel zu tun", hieß es im Einladungsschreiben Tusks zum EU-Gipfel, das am Mittwochabend veröffentlicht wurde. "Der Katalog der Fragen, die bis zu einer Einigung noch gelöst werden müssen, ist lang." Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wird in der Nacht auf Freitag in Brüssel erwartet.

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