Der Kabarettist, Autor und Menschenkenner Stefan Vögel beantwortet Fragen, die sich andere erst gar nicht zu stellen wagen. Diesmal ist ihm die Lust am Lesen vergangen – aber warum?
Ganze Generationen von Journalisten haben dank wissenschaftlicher Studien überlebt, mit welchen sie ihre Leser darüber informieren, was gesund ist und was ungesund; was man unbedingt essen soll und was auf keinen Fall (beides ist je nach Saison miteinander austauschbar); wie viele Tassen Kaffee am Tag gerade noch förderlich sind für unseren Metabolismus und ab der wievielten er lebensbedrohlich wirkt (und vor allem auch welcher Kaffee: die Bohnensorten, nur frisch gemahlen oder schon in der Rösterei, mit Milch oder ohne); wie lange man sich unbedingt in der Sonne aufhalten soll, weil sie für das Frohgemüt förderlich sei und die Depressionen hintanhält, und ab der wievielten Stunde die Hautkrebsgefahr ins Unermessliche steigt; ob rotes Fleisch erbaulich sei für einen Homo sapiens oder doch eher schädlich.
Keine abschließenden Antworten
Und mal ehrlich, wie denken Sie inzwischen darüber: Ist ein Glas Rotwein am Tag nun gesund fürs Herz, oder kratzt man damit am Alkoholikerdasein, sobald der Genuss regelmäßig wird und am Ende sogar Freude bereitet? Sehen Sie! Trotz Hunderter Studien konnte die Wissenschaft selbst die simple Rotweinfrage noch nicht abschließend beantworten. Oder erinnern Sie sich ans angebrannte Toastbrot aus den 80er-Jahren, das das Krebsrisiko in die Höhe treibt? Seit vierzig Jahren fürchtet sich die Menschheit vor dunkelbraunem Toast! Leider kann ich mich selbst nicht mehr daran erinnern, um wie viel besser der Toast davor schmeckte (selbst der angekohlte), da ich diese verdammte Studie ein halbes Menschenleben später noch immer nicht aus meinem Kopf bekomme.
Hast du schon gelesen – zu viel Apfelsaft ist schädlich!
Stefan Vögel
Und nehmen wir doch einmal an, ein zeitungslesender Mensch nähme alle gut gemeinten Studien ernst, mit denen er im Laufe seiner Jahrzehnte bombardiert wurde, gewollt oder ungewollt. Wie geht so einer durchs Leben? Kann er überhaupt noch Freude empfinden an einem Genuss oder Anblick – oder sieht er jedes Mal den Sensenmann hinter sich stehen, wenn sein Toast ein schwarzes Fleckchen aufweist? Schlimmer noch: Gilt diese eine Studie da überhaupt noch – oder wurde ihr Gegenteil erst gerade gestern bewiesen?
Dabei wäre längst nicht jede Studie unsinnig. Manche von ihnen sind so augenscheinlich, dass es gar keine Zeitung bräuchte, um sie uns näherzubringen: etwa, dass Sicherheitsgurte die Pension der Menschen im Schnitt verlängern; dass eine Flasche Schnaps am Tag auf Dauer unzufrieden macht; dass Fast Food und Energydrinks den Menschen weniger Energie zuführen als sie uns kosten; dass Kettenraucher selten Weltrekorde im Apnoe-Tauchen aufstellen, dafür das Pensionssystem aber weniger belasten als Nichtraucher, wenn auch das Gesundheitssystem umso mehr.
Hören wir einfach etwas seltener auf Studien und etwas öfter in uns selbst hinein – schließlich müssen wir ja auch noch geistig gesund bleiben. Und so manche „neueste Studie“ kann einem schon am frühen Morgen bei der Zeitungslektüre den Tag verderben.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.