Für Boxtraining

Getöteter Boston-Bomber war zwei Mal in Österreich

Österreich
23.04.2013 16:11
Der getötete 26-jährige Boston-Attentäter Tamerlan Tsarnaev war zwei Mal in Österreich. 2007 und 2009 hielt er sich jeweils für rund eine Woche in Tirol bzw. Salzburg auf, um an einem Box-Trainingslager teilzunehmen. Das wurde der "Krone" vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auf Anfrage bestätigt. Demnach gibt es noch einen weiteren Österreich-Bezug: Der Mann aus Tschetschenien hat Verwandte in Graz.

Der ältere der beiden Boston-Bomber hatte eine große Leidenschaft: den Boxsport. Erstmals führte der Sport Tamerlan Tsarnaev 2007 nach Innsbruck zu einem Kampf. Mohammad Naderi vom Boxklub Innsbruck hatte in diesem Jahr mehrere Tschetschenen in seiner Trainingsgruppe zu Gast. "Die haben sich aber mit den anderen Athleten nicht gut verstanden", erinnert er sich zurück.

Salzburger Boxtrainer: "Kann mich an Namen erinnern"
2009 dann der nächste Österreich-Aufenthalt: Diesmal nahm Tamerlan an einem internationalen Trainingslager in Salzburg teil. Trainer Hermann Heim bestätigte die Teilnahme des Tschetschenen. "Ich kann mich an den Namen erinnern", so der staatlich geprüfte Boxtrainer. Nach Angaben Heims fand das Trainingslager, im Rahmen dessen der damals 22-Jährige eine Woche in Salzburg verbrachte, rund um den 14. März 2009 statt.

Im Zusammenhang mit den beiden Österreich-Aufenthalten des getöteten Boston-Attentäters wurden am Dienstag Gerhard Roitmayer von der Box-Union Salzburg sowie die anderen Vereinsverantwortlichen von der Fremdenpolizei kontaktiert. "Die wollten wissen, ob der Tschetschene bei uns trainiert hat", so Roitmayer. Die österreichischen Behörden ermitteln nun, ob der Mann auch Kontakte zu seinen Verwandten in der Steiermark bzw. zu islamistischen Gruppierungen in Österreich hatte.

Innenministerium: "Kein Anlass zur Sorge in Österreich"
Das Innenministerium sieht jedenfalls keine erhöhte Gefährdung für Österreich. Aus dem Umstand, dass sich der 26-Jährige vor sechs bzw. vier Jahren für "sehr kurze Zeit und explizit im Rahmen des Boxsports" in Österreich aufgehalten habe, "lässt sich weiterhin nichts ableiten, was Anlass zur Sorge in Österreich gibt", erklärte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck Dienstagmittag.

Unabhängig davon ließ Grundböck wissen, dass Flüchtlinge aus Tschetschenien im Gegensatz zu Deutschland infolge des Anschlags in Boston in Österreich nicht stärker unter die Lupe genommen würden. Wie die "Bild"-Zeitung am Dienstag berichtete, wird derzeit in Deutschland ein Angehöriger der Volksgruppe als "Gefährder" eingestuft. Demnach stehe der Verdächtige auf einer Liste mit rund 120 Personen, die ständig von den Sicherheitsbehörden überwacht werden.

In Österreich würden hingegen Personen nur dann beobachtet, wenn es den Verdacht einer strafbaren Handlung gebe, betonte Grundböck. Eine Person sei demnach "verdächtig, wenn sie etwas Verdächtiges tut, nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe".

Traum von den Olympischen Spielen geplatzt
Fest steht, dass Tamerlan Tsarnaev für einzelne Box-Wettbewerbe immer wieder sein Ingenieursstudium in den USA unterbrach. Sein großes Ziel war die Nominierung für das olympische Team der USA. Auch die beiden Aufenthalte in Österreich dienten offenbar der Vorbereitung auf bevorstehende Wettkämpfe. Sein Traum fand jedoch ein jähes Ende: Er wurde vom US-Boxteam abgelehnt.

Der Tschetschene war auch ein oft gesehener Besucher des Kampfkunstklubs Wai Kru MMA Center in Boston. Eines seiner Fotos auf der Webseite des Klubs war bis vor Kurzem mit dem Kommentar versehen, er wolle für ein unabhängiges Tschetschenien oder für die USA boxen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. Vertreter des Kampfsportklubs dementierten jedoch Berichte, wonach der 26-Jährige ein Mitglied gewesen sei.

Gefühl der Heimatlosigkeit in den USA
Womöglich waren Wut und Trauer über das Platzen seines Traumes mit ein Grund für den Hass von Tamerlan Tsarnaev auf die Vereinigten Staaten. Das Gefühl der Isolation war für ihn ein ständiger Begleiter. So gab er in sozialen Netzen von sich preis, dass er keinen Zugang zum "American Way of Life" und Gleichaltrigen in den USA finde. Zugleich wollte der 26-Jährige aber mit aller Kraft dazugehören. Am Ende fand er den Tod.

Sein Bruder Dzhokhar, der Ende der vergangenen Woche nach stundenlanger Jagd in einem komplett abgeriegelten Vorort von Boston schwer verletzt gefasst werden konnte, liegt nch wie vor im Spital und ist mittlerweile wegen des tödlichen Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen angeklagt worden. Eine Richterin verlas dem 19-Jährigen am Montag die Anklageschrift an dessen Krankenbett. Ihm droht die Todesstrafe (siehe Infobox).

Laut Ermittlungen "selbst-radikalisierte Jihadisten"
Ein US-Regierungsvertreter sagte dem US-Sender CNN, vorläufige Vernehmungen des schwer verletzten 19-Jährigen am Krankenbett deuteten darauf hin, dass beide Brüder dem Profil "selbst-radikalisierter Jihadisten" entsprächen. Demnach habe Dzhokhar angegeben, dass sein älterer Bruder Tamerlan "den Islam vor Angriffen schützen wollte".

Ein FBI-Agent erklärte am Montag unter Eid, dass Videoaufnahmen vom Tatort die zahlreichen Indizien gegen das Bruderpaar weiter erhärteten. Darauf seien die beiden Männer elf Minuten vor der ersten Explosion zu sehen, wie sie die Boylston Street entlang der Marathon-Strecke in Boston ablaufen. Die Bilder zeigten zudem, wie Dzhokhar die zweite Bombe platziere und nach der ersten Detonation seelenruhig den Schauplatz des Anschlags verlasse.

Gedenkfeier und symbolische Marathon-Fortsetzung
Unterdessen gedachten die Bewohner des US-Bundesstaates Massachusetts eine Woche nach dem Anschlag auf den Bostoner Marathon in einer Schweigeminute der Opfer. Am Montag um exakt 14.50 Uhr Ortszeit, dem Zeitpunkt der ersten Explosion, stand das öffentliche Leben für eine Minute still. Anschließend läuteten in ganz Massachusetts die Kirchenglocken. US-Präsident Barack Obama nahm in Washington an der Schweigeminute teil.

Eine Gruppe von Teilnehmern am Boston-Marathon lief die Strecke am Montag symbolisch zu Ende. "Es ist toll, Teil dieser Gruppe zu sein und zu zeigen, dass diese Stadt zwar verletzt wurde, aber nicht am Boden liegt", sagte eine Läuferin gegenüber CNN.

Am Montagvormittag war das erste der drei Bombenopfer beigesetzt worden. Hunderte Trauergäste verabschiedeten sich von der 29-jährigen Krystle Campbell in deren Heimatstadt Medford. "Sie hatte ein Herz aus Gold", sagte ihre weinende Mutter Patty Campbell. Ihre Tochter, eine Restaurantmanagerin, war unter den Zuschauern, als die Sprengsätze kurz vor der Ziellinie detonierten. Außer der jungen Frau starben ein achtjähriger Bub und eine chinesische Studentin der Boston University.

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