Gewalt eskaliert

Russland überlegt nun doch Militärhilfe für Kirgistan

Ausland
14.06.2010 15:49
Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat am Sonntag erklärt, wegen der blutigen Unruhen im Süden von Kirgistan nun doch einen militärischen Beistand zu erwägen. In der halb zerstörten kirgisischen Stadt Osh war die Lage am Montagmorgen etwas ruhiger, während es in Jalalabad zu neuen ethnischen Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken kam. Die Zahl der Toten stieg auf mindestens 117, mehr als 1.500 Menschen wurden verletzt. Zehntausende Usbeken sind auf der Flucht.

Die ethnischen Auseinandersetzungen im Fergana-Tal müssten nun so rasch wie möglich beendet werden, sagte Medwedew. Bei einer Krisensitzung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), einer Militärorganisation früherer Sowjetstaaten, sollten alle Mittel ausgelotet werden, um den "Bürgerfrieden" im Süden Kirgistans wiederherzustellen. Medwedew reagierte damit auf eine neue Bitte der kirgisischen Übergangsregierungschefin Rosa Otunbajewa, Friedenstruppen zur Verstärkung zu schicken. Russland hatte dies am Samstag zunächst abgelehnt.

Die Übergangsregierung hatte am Wochenende die Ausgangssperren im Süden erweitert und die Reservisten der Armee mobilisert. Für die gesamte südliche Region Jalalabad galt ein Ausnahmezustand, Soldaten und Polizisten wurden per Dekret ermächtigt, ohne Vorwarnung zu schießen.

Interimsregierung beschuldigt Bakijew-Clan
Russland hatte am Sonntag ein Sonderkontingent mit Fallschirmjägern in drei Militärmaschinen nach Kirgistan transportieren lassen. Die Soldaten sollten aber nur den russischen Stützpunkt im nordkirgisischen Kant beschützen, hieß es. Nur im Süden ist die Führung nicht mehr Herr der Lage. Kirgistan kommt seit dem Sturz des autoritären kirgisischen Präsidenten Kurmanbek Bakijew Anfang April nicht mehr zur Ruhe. Die Interimsregierung vermutet Bakijews Familienclan hinter den Krawallen. Provokateure sollen durch gezielte Morde unter Kirgisen und Usbeken die seit langem in Spannung lebenden Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgebracht haben.

Bereits bis zu 80.000 Menschen geflohen
Vor den gewaltsamen Unruhen in Kirgistan sind nach Angaben des Nachbarlandes Usbekistan bereits bis zu 80.000 Menschen geflohen. Die meisten Flüchtlinge waren demnach Frauen, Kinder und Angehörige der usbekischen Minderheit. Viele der Flüchtlinge berichteten in dem Grenzort Jorkischlok von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Kirgistan. "Sie bringen uns um, alle Usbeken, einen nach dem anderen", sagte ezwa die 51-jährige Rani, nachdem sie aus ihrem Haus nahe Osch geflohen war. "Ich weiß nicht, was mit meinen Kindern und Enkeln passiert ist."

Viele der Flüchtlinge warfen den kirgisischen Sicherheitskräften vor, sich auf die Seite der Kirgisen zu stellen und den ethnischen Konflikt damit zusätzlich anzuheizen. Usbekistan öffnete am Sonntag erstmals die Grenzübergänge für die Geflohenen. In Jorkischlok wurden mehrere Flüchtlingslager eingerichtet.

UNO "alarmiert" über die ausufernde Gewalt
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich in einer Erklärung "alarmiert" über die eskalierende Gewalt zwischen Kirgisen und Usbeken und die Zahl der Opfer und Flüchtlinge. Er lasse derzeit den Bedarf an humanitärer Hilfe ermitteln. Die UNO habe am Sonntag mit dem kasachischen Außenminister Kanat Saudabajew telefoniert, der derzeit den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innehat. Drei OSZE-Gesandte seien vor Ort oder auf dem Weg nach Kirgistan und die EU werde ihre Mission koordinieren.

Die Organisation Human Rights Watch rief die internationale Gemeinschaft zur Hilfe auf: "Ohne internationalen Beistand gibt es keinen Ausweg und jede Minute kostet Leben."

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