Budgetstreit

Sondersitzung: Viel Geschrei, aber weiter keine Inhalte

Österreich
25.08.2010 22:36
Der Nationalrat ist am Mittwoch mit einer Sondersitzung verfrüht aus der Sommerpause zurückgekehrt. Grund dafür war der Beschluss der Regierung, das Budget erst im Dezember statt Mitte Oktober vorzulegen. Die Opposition empört das dermaßen, dass sie ein "Budgettribunal" mit Antragsflut und hitzigen Debatten veranstaltete. Die Regierung, allen voran Finanzminister Josef Pröll, zeigte sich von der heftigen Kampfrhetorik trotzdem unbeeindruckt und "glänzte" mit Auskunftsverweigerung. In Summe gab es viel Geschrei, aber weiterhin keine Inhalte - nicht einmal einen U-Ausschuss zu den aktuellen Polit-Affären.

Am Beginn der Sitzung um 10.15 Uhr stand eine "Dringliche Anfrage" an Pröll, die von den Freiheitlichen eingebracht und von deren Parteichef Heinz-Christian Strache lautstark erläutert wurde. In der schriftlichen Begründung der "Dringlichen" verwies die FPÖ darauf, dass das Budget gemäß Verfassung spätestens zehn Wochen vor Beginn des Finanzjahres vorzulegen sei. Ungeachtet dessen verschiebe die Regierung den Zeitpunkt dafür auf Dezember, was Verfassungsexperten als klar verfassungswidrig einschätzten. Als Grund dafür ortet man die bevorstehenden Landtagswahlen.

Angehängt an die "Dringliche", die gemäß Parlamentsordnung ab 13.15 Uhr debattiert wurde, war ein Katalog von sage und schreibe 190 Fragen an Pröll. Für die Vorbereitung zur Beantwortung der Fragen hatte der Finanzminister dann 180 Minuten Zeit.

"Wurden Sie auf die Verfassung angelobt?"
Die FPÖ fragte, welche Gründe Pröll für die Verschiebung vorbringen könne und ob er als Bundesminister überhaupt auf die Verfassung angelobt wurde. Der Rest der Fragen bezog sich auf die Konsolidierungsmaßnahmen der Regierung, wie: "In welchem Ausmaß wird sich durch das Geheimhalten geplanter Maßnahmen der Konsum der privaten Haushalte und damit die Inlandsnachfrage reduzieren?"

Dazu wollte die FPÖ wissen, ob die Budgetverschiebung Schaden bei Ratingagenturen oder Strafen seitens der EU nach sich ziehen könnten. Auch sollte der Finanzminister erklären, ob er ausschließen kann, dass es zu Kürzungen beim Arbeitslosengeld, den Pensionen, den Agrarförderungen, beim Kindergeld oder der Familienbeihilfe kommt. Konkreter nachgefragt wird, ob die Kindergeld-Varianten zusammengestrichen werden und ob die 13. Familienbeihilfe fällt.

Zu guter Letzt fragte der Katalog den ganzen Steuerbereich ab, also ob Vermögenszuwächse stärker besteuert werden sollen, eine Erhöhung der Tabaksteuer kommt, ob die Mehrwertsteuer steigt, die Grundsteuer erhöht wird, die Einheitswerte angehoben werden, die Ökosteuer aufkommensneutral gestaltet wird und vieles mehr. Der Dauerbrenner Schule fand sich ebenfalls im Fragen-Konvolut: "Wird eine zentrale Lehrerpersonalhoheit des Bundes oder eine dezentralisierte für die Länder Teil des Budgetentwurfes bzw. des Begleitgesetzes sein?"

Pröll beantwortet keine einzige Frage
Nach dem lautstarken Strache-Intro, bei dem der FPÖ-Chef die Regierung einmal mehr als Lügner und "eiskalte Verfassungsbrecher", die das "Steuerpaket mit Grauslichkeiten" zu Gunsten der Landtagswahlergebnisse vor der Bevölkerung zurückhalten, bezeichnete, folgte der Vizekanzler mit einer Nichtbeantwortung des kompletten Fragenkatalogs. "Ich halte nichts davon, Einzelvorschläge zu diskutieren", begann Pröll seine 18-minütige Replik auf die "Dringliche". Die Beantwortung der detaillierten Fragen sei daher nicht möglich. Es könne außerdem niemand ernsthaft von ihm verlangen, nach nur drei Stunden Vorbereitungsmöglichkeit 190 Fragen in 20 Minuten beantworten zu können.

Pröll bestritt einmal mehr, dass es sich bei der Verschiebung um eine Verfassungswidrigkeit handle. Inhaltlich begründete er das verspätete Budget erneut damit, dass es sich um eine außergewöhnliche Situation für die Republik nach dem Krisenjahr 2009 handle und man die aktuellsten Prognosen als Basis für den Haushaltsplan heranziehen müsse. Zudem gebe es "schwere Bedenken" für den Fall, dass ganz Europa auf einmal in die Umsetzung der Konsolidierung gehe. Ohnehin gebe es de facto keine Verspätung, werde doch das Budget und seine Begleitgesetze rechtzeitig mit 1. Jänner 2011 wirksam sein, "verbürgte" sich Pröll. Dieser Termin sei "realistisch machbar".

Der Opposition unterstellte er, dass diese mit ihren vielen Steuerwarnungen offenbar Eigenentwicklungen präsentiere. Damit solle offenbar nur die Bevölkerung verunsichert werden. Klar sei, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit bei der Konsolidierung dabei sein werde, "wenn es um die Balance und die Zukunft für Österreich geht". Der Schwerpunkt werde auf der Sparseite und nicht auf neuen Steuern liegen, so der Finanzminister.

Wütende Rücktrittsaufforderungen
Die Vorgangsweise des VP-Chefs sorgte wenig überraschend für Empörung. FP-Vizeklubchef Norbert Hofer meinte gar, so etwas noch nie erlebt zu haben, in Wirklichkeit solle Pröll von selbst zurücktreten, "veräpple" er doch das Hohe Haus. BZÖ-Klubobmann Josef Bucher sah ebenfalls eine "Verhöhnung des Parlaments" und einen der größten Skandale der Zweiten Republik. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig doppelte nach, dass Pröll nicht nur das Hohe Haus sondern sogar die Bevölkerung verhöhne.

Der grüne Vize-Klobobmann Werner Kogler prangerte die nicht fristgerechte Vorlage des Budgets als "Lüge und Wählertäuschung vor den Landtagswahlen" an. Die Verschiebung sei daher "Verfassungsbruch, da gibt es keinen Spielraum", so Kogler. Als Grund für diesen "Budgetschwindel" vermutet er die von der ÖVP vorbereitete "Steuerflucht für die Superreichen" und die Tatsache, dass die Volkspartei verschweigen wolle, "wie sie das Budget sanieren will, ohne die oberen 10.000 zu besteuern".

Pröll und Faymann als "eineiige Belastungszwillinge"
BZÖ-Chef Bucher ortete eine "ignorante Kaltschnäuzigkeit" gegenüber dem Parlament. Dass Pröll die "Dringlichen" Fragen der Opposition nicht beantwortet habe, sei eine "blanke Bankrotterklärung des Parlamentarismus". Das Hohe Haus sei "zur teuersten Kostenstelle der Republik verkommen", empörte sich Bucher. "Vertuschen, verzögern und verzetteln ist das Motto der Regierung", so der orange Klubchef.

Herbert Kickl von der FPÖ erinnert die Bundesregierung an ihren Eid auf die Verfassung bei der Angelobung. "Sie biegen und brechen dieses Ding (die Verfassung, Anm.) nach Belieben." Er bezeichnete Pröll und Kanzler Werner Faymann als "eineiige Belastungszwillinge". Die von der Regierung angestrebte Haushaltssanierung zu 60 Prozent durch Einsparungen und 40 Prozent durch neue Steuern fasste er so zusammen: "60 Prozent sind erstunken und 40 Prozent erlogen."

Cap: "Tun Sie einen Almdudler trinken"
Ins Lächerliche gezogen wurde die Dringliche der FPÖ und Strache wiederum in bewährter Manier von SP-Klubobmann Josef Cap. Nachdem sich Strache in seiner Rede hauptsächlich auf Behauptungen von "Spatzen auf den Dächern" gestützt habe, frage er, Cap, sich: "Ist er nur mehr auf den Dächern oder sind die Spatzen seine Ansprechpartner?" Der SP-Klubchef riet dem Blauen frei nach einer Werbung "weniger plappern, mehr blubbern": "Tun Sie einen Almdudler trinken und tun Sie hier nicht blubbern."

VP-Klubchef Karlheinz Kopf sprang Pröll bei und meinte, die Opposition nehme sich mit solch einem Ansinnen wohl nicht ernst und biete lediglich eine "peinliche Aufführung".

Misstrauensanträge abgelehnt
Die Debatte mit den Einzelbeiträgen der Mandatare dauerte bis zum späten Nachmittag, ehe die Anträge der Opposition behandelt wurden. Die Freiheitlichen haben im Laufe der Sitzung einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung eingebracht, Grüne und BZÖ wollten "nur" ÖVP-Finanzminister Pröll das Misstrauen aussprechen, da er aus ihrer Sicht hauptverantwortlich ist.

Der "Lügenfinanzminister Josef Pröll" (O-Ton Grüne) wurde außerdem mit einem Antrag zur Wiederherstellung der Verfassungskonformität bedacht. Alle Anträge wurden mit den Stimmen der Großen Koalition erwartungsgemäß abgelehnt.

Rhetorische Tiefpunkte bei U-Ausschuss-Debatte
Neben Misstrauensanträgen hagelte es auch noch Anträge auf U-Ausschüsse, die als letzte debattiert wurden. Alle drei Oppositions-Fraktionen wollen die aktuellen Politaffären untersuchen lassen, jede hatte aber ihren eigenen Antrag eingebracht. In der Debatte wurden lautstark und bisweilen auch mit untergriffiger Rhetorik Vorwürfe hin und her geschoben, zugestimmt wurde letztlich keinem der Anträge.

Die FPÖ hat in ihrem Antrag die angebliche Untätigkeit der Justiz als Untersuchungsgegenstand in mehreren Fällen auserkoren. Abgeordneter Walter Rosenkranz na

Der Grüne Peter Pilz nahm Affären aus der Regierungszeit von schwarz-blau-orange ins Visier, beschuldigte aber fast ausschließlich das freiheitliche Lager - von den angeblichen Haider-Konten und Geldflüssen aus dem Irak und Libyen, bis zur Buwog-Privatisierung und den "Staatsbürgerschaftskäufen". Wenn Freiheitliche in die Regierung kommen, "werden aus deutschen Eichen binnen Minuten österreichische Elstern. Sie können gar nicht so schnell schauen, wie aus aufrechten Germanen pfeilschnelle Kleptomanen werden".

Diese Vorwürfe tat wiederum für das BZÖ Ewald Stadler als "Schwachsinn" ab, er griff Pilz zunächst frontal an, schoss sich dann aber auf die ÖVP ein: "Mein Problem sitzt auf der Regierungsbank", prangerte Stadler Machtmissbrauch in VP-geführten Ministerien an. Aber anstatt gegen Schwarze vorzugehen, werde "gegen einen Toten kampagnisiert", nahm er den verstorbenen Jörg Haider in Schutz. Stadler wollte auch Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der über die FPÖ in die erste Schüssel-Regierung gekommen war, alleine der ÖVP zuordnen: "Grasser war ein schwarzer Minister. Er war der Liebling des Kollegen Schüssel."

Koalition: U-Ausschuss während Verfahren sinnlos
ÖVP und SPÖ lehnten die Anträge der Opposition unter anderem mit dem Argument ab, dass es keinen Sinn mache, während laufender Justizverfahren eine parlamentarische Untersuchung zu starten. Damit können sich alle Zeugen im Parlament der Aussagen entschlagen, sagte SP-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Man werde sich also mit der "politischen Abrechnung mit den FPÖ-BZÖ-Skandalen" noch gedulden müssen.

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