Bei Bauarbeiten

Fundamentreste im ehemaligen KZ Gusen zerstört

Oberösterreich
23.06.2010 11:24
Erdarbeiten im ehemaligen KZ Gusen im Bezirk Perg haben erneut eine Diskussion ausgelöst: Laut dem örtlichen Gedenkkomitee sollen in einem Teil des Areals ein seit 60 Jahren bestehender Gedenkstein entfernt und Fundamentreste ohne archäologischen Befund zerstört worden sein. Der für die Aktion Verantwortliche weist die Vorwürfe zurück.

Auf dem betroffenen Grundstück in der Gemeinde Langenstein befinden sich zwei ehemalige SS-Wohn- und Verwaltungsgebäude, die bis 2006 als Wohngebäude genutzt worden waren. Dann hätten die Mieter plötzlich ausziehen müssen und der Eigentümer, der Industrielle Anton Poschacher, habe die Häuser abreißen wollen, so Martha Gammer vom Gedenkkomitee Gusen. Daraufhin seien sie wegen "Gefahr im Verzug" sofort unter Denkmalschutz gestellt worden.

Vor einigen Tagen habe rund um diese Gebäude eine "Vandalenaktion" stattgefunden, berichtete Gammer. 67 Jahre alte Bäume seien gerodet und ein Gedenkstein entfernt worden. Das Erdreich sei mit Baggern abgetragen worden, ungeachtet der im Boden befindlichen Grundmauern ehemaliger Baracken. "Die plötzliche Zerstörung rund um die denkmalgeschützten Gebäude lässt für die Erinnerung an 37.000 namentlich bekannte Opfer nichts Gutes erwarten", befürchtet Gammer.

Abstellplatz statt Gedenkstätte
Poschacher versteht die Aufregung nicht: Der Gedenkstein, den er vor 20 Jahren gespendet habe, sei an einen besser zugänglichen, nur eineinhalb Gehminuten entfernten Platz direkt bei der Einfahrt zu seinem Betriebsgelände versetzt und mit einem würdigen Blumenschmuck versehen worden. Das sei in Absprache mit dem Komitee "Mauthausen aktiv", dem Denkmalschutz, dem Land und Historikern erfolgt, auch der Bürgermeister sei informiert worden.

Zu den Erdarbeiten erklärte er, ein Nachbar habe gebeten, dass dort ein Abstellplatz für die Fahrzeuge seiner Mitarbeiter errichtet werde. Deshalb sei der Humus abgetragen und geschottert worden. Dazu habe das Bundesdenkmalamt eine einstweilige Verfügung auf Stopp der Arbeiten erlassen. Ihm sei nun mitgeteilt worden, die archäologische Vermessung der Grundmauern im Boden sei abgeschlossen, somit könnten die Schotterungsarbeiten fortgesetzt werden.

Die Baracken seien vom Bund in den 1950er Jahren an seinen Großvater verkauft und bis vor zwei Jahren von Mitarbeitern des Unternehmens bewohnt worden. Dann seien sie aber abgesiedelt worden, weil die Gebäude nicht mehr zeitgemäß gewesen seien. Derzeit sei im Auftrag des Innenministeriums ein Gutachten in Arbeit, ob die Gebäude schützenswert seien. Poschacher gab zu bedenken, dass seinerzeit die von KZ-Aufsehern bewohnten Gebäude außerhalb des KZ-Geländes gestanden hätten und nicht die einzigen derartigen Häuser seien.

Hitziger Disput um Stollenauffüllung
Erst vor rund einem Jahr hatte es Aufregung um einen anderen Bereich des ehemaligen KZ Gusen gegeben: Ein großer Teil der rund acht Kilometer langen Stollenanlage wurde von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zugeschüttet, weil die Gänge einsturzgefährdet waren. Mittlerweile haben sich Innenministerium, BIG, die Gemeinde St. Georgen an der Gusen und Opferverbände auf ein Nutzungskonzept für die verbleibenden zwei Kilometer geeinigt. Heuer im Mai wurden erstmals seit 65 Jahren Überlebende und ihre Angehörigen sowie ehemalige Mitglieder der US-Army vorgelassen. Wann auch andere Besucher in die Stollen können, ist noch offen. Dafür wären noch verschiedene bauliche Maßnahmen nötig.

Die Nationalsozialisten haben im KZ Gusen, einem ehemaligen Außenlager von Mauthausen, mindestens 71.000 Menschen aus 27 Nationen eingesperrt, mehr als die Hälfte kam zu Tode. Allein das Projekt "Bergkristall" kostete mehr als 8.600 Häftlinge das Leben.

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