Das freie Wort

Wenn Politik zum Dauerposten wird

Warum steigen Politiker nach ihrer Pensionierung immer wieder in politische oder politnahe Funktionen ein? Aktueller Anlass ist Johannes Hahn: Nach seiner Pension als EU-Kommissar wird er nun in die Nationalbank geholt; zugleich ist er seit Mai 2025 EU-Sondergesandter für Zypern. Auch andere Beispiele sind bekannt: Alexander Van der Bellen, Jahrgang 1944. Heinz Fischer, Jahrgang 1938, weiterhin in mehreren Spitzenfunktionen tätig. Ingrid Korosec, Jahrgang 1940, Präsidentin des Seniorenbundes. Martin Eichtinger, Jahrgang 1961, nun Leiter der Diplomatischen Akademie. Die Liste ließe sich problemlos weiterführen. Es drängt sich die Frage auf, warum es in Österreich keinerlei altersbezogene Begrenzungen für politische Neben- und Folgefunktionen gibt. Für alle anderen Berufsgruppen gilt schließlich das gesetzliche Pensionsalter. Politiker hingegen scheinen sich davon ausnehmen zu können und wechseln nach ihrer eigentlichen Karriere nahtlos in neue bezahlte Ämter – oft ohne transparente Ausschreibungen und ohne nachvollziehbare Auswahlprozesse. Gerade deshalb stellt sich für mich die Frage, warum man jungen, gut ausgebildeten Menschen nicht jene Chancen gibt, die sie dringend brauchen: Positionen in Kammern, öffentlichen Einrichtungen, Aufsichtsgremien, im Gesundheitswesen oder in unabhängigen Kontrollorganen. Generationenwechsel gelingt nicht, wenn Spitzenfunktionen dauerhaft von Personen besetzt bleiben, die längst über das reguläre Erwerbsalter hinaus sind. Ich möchte niemandem seine Leistungen absprechen. Aber ein Land, das Zukunft gestalten will, muss Raum schaffen für jüngere Generationen. Es wäre ein Gewinn, wenn ehemalige Spitzenpolitiker ihre Erfahrung im Ehrenamt einbringen würden – etwa in Schulen, Nachbarschaftshilfe, Vereinen oder als Mentoren. Dort wäre der Mehrwert für das Gemeinwohl klar sichtbar und die Nähe zum Bürger erkennbar und nicht abgehoben. Darum mein Appell: mehr Transparenz, mehr Mut zu altersunabhängigen Nachbesetzungen und endlich echte Chancen für junge Menschen.

Ing. Ottilie Koller, MBA, per E-Mail

Erschienen am Do, 4.12.2025

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