Plädoyer für eine kindzentrierte Entscheidung für oder gegen den Schulbesuch (zu dem Artikel „Kinder dürfen nicht in die Schule“, „Krone“ vom 9. Juli 2021): Wieder einmal scheinen die Kinder als Stellvertreter für den Konflikt Elternhaus versus Bildungsinstitution herhalten zu müssen. Im oben genannten Artikel wird darauf verwiesen, dass derzeit 442 Kinder vom Unterricht für das kommende Schuljahr abgemeldet wurden und dass es noch mehr werden könnten. Als Begründung werden die „schädlichen“ Virus-Checks genannt. Als Kinderrechtler frage ich mich, wie würde eine Entscheidung auf Grundlage der Kinderrechtskonvention, die ja in Österreich volle Gültigkeit hat, aussehen? Zum einen müssten Eltern zwischen den zwei Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention „Schutz vor “ und „Entwicklung fördern für “ entscheiden. Hier gilt es abzuwägen, ob Testungen, Maskenpflicht und andere Maßnahmen ein triftiger Grund sind, um Bildungschancen, soziale Einbindung, Peergroup-Treffen, hintanzustellen. Auch die (Schul-)Behörden müssten bei ihren Entscheidungen überlegen, ob die Maßnahmen wie dreimalige verpflichtende Testung, Maskenpflicht auf den Gängen, im Vergleich zu anderen, meist erwachsenen, Bevölkerungsgruppen ein notwendiges, unabdingbares Mittel sind oder bloß ein Diktat von oben herab und eine Schlechterstellung (Diskriminierung) der Kinder gegenüber Erwachsenen darstellen. Viele Kinder fragen bei uns nach, warum die meisten Erwachsenen ohne Test arbeiten gehen dürfen, sie aber, ohne je gefragt worden zu sein, dreimal wöchentlich testen müssen, um ihrer „Arbeit“, dem Recht auf Bildung und persönliche Entwicklung, nachkommen zu dürfen. Und da sind wir schon beim dritten und wohl wichtigsten Grundprinzip der Kinderrechtskonvention aus Sicht der Kinder: dem Recht, altersadäquat informiert zu werden; dem Recht, sich seine eigene Meinung bilden zu dürfen, diese auch kundzutun; und dem Recht, an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, entsprechend beteiligt zu werden! Niemand hat im Zuge der Pandemie gefragt, wie sehen Kinder die Situation aus ihrer Sicht, was würden sie brauchen, welche Maßnahmen finden sie für sich selbst richtig und wichtig. Die Kinderrechtskonvention räumt ihnen diese Rechte ein, warum verweigern Eltern wie Bildungsbehörden ihnen dieses? Und nun zurück zur Entscheidung über die Teilnahme am Unterricht in der Schule: Die Kinder sind jene, auf die es ankommt. Eltern, die ihre (vielleicht berechtigten) Ängste auf ihre Kinder übertragen, tun ihnen nichts Gutes. Soziale Kontakte, gemeinsames Lachen – trotz Corona – und das Gefühl, in einer Gruppe integriert zu sein, sind wichtige, gesundheitsrelevante Parameter für die Entwicklung der Kinder, die wahrscheinlich für die kindliche Entwicklung bedeutender sind als „schädliche“ Virus-Checks und Maskenpflicht auf den Gängen. Wenn die Kinder bereit sind, diese Maßnahmen auf sich zu nehmen, um Freunde zu sehen, sich auszutauschen und ja, vielleicht auch etwas zu lernen, sollten es ihnen die Eltern nicht verweigern. Wenn Kinder in der Schule über die Pandemie, die Maßnahmen und ihre persönliche Wahrnehmung sprechen wollen, sich dazu im Diskurs eine eigene Meinung bilden, Informationen auch kritisch hinterfragen, dann sollten die Bildungsbehörden jubeln, denn das ist echte Bildung! Kinder haben Rechte!
MMag. Thomas Plautz, Geschäftsführung Das Kinderbüro – die Lobby für Menschen bis 14, Graz
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