Herr Professor, Sie haben Österreichs prominentesten Häftling am Herzen operiert. Wann haben Sie sich für den Eingriff entschieden?
Herr Elsner wurde mir fünf Tage vorher vorgestellt. Es schien von hohem Staatsinteresse zu sein, ihn rasch zu operieren.
War die rasche Operation auch vom medizinischen Standpunkt aus nötig?
Herr Elsner war viel kränker als es in der öffentlichen Wahrnehmung ist. Er hatte nicht nur eine Herzkranzgefäßerkrankung, sondenr auch eine beträchtliche Schädigung des Herzmuskels. Deswegen haben wir eine zweite Operationsmethode angewendet, die hier im AKH entwickelt wurde.
Das heißt, diese Operation wäre in Frankreich nicht möglich gewesen?
Man hätte eine andere Methode angewendet. Marseille ist eine große Stadt mit einer Universität, die aufgrund der Befunde, die ich gesehen habe, auch einen sehr hohen Standard hat.
Waren Sie von den Befunden überrascht?
Ja. Ich war vorher auch der Meinung, dass das Ganze nicht so arg sei.
Hat die Überstellung von Frankreich nach Österreich ein gewisses Risiko geborgen?
Das ist heutzutage unter der entsprechenden Vorsicht bei fast jedem Fall möglich.
Warum haben die Behörden dann so lange gezögert?
Ich möchte mich nicht einmischen. So wie ich den Patienten zum ersten Mal gesehen habe, war er sicher transportfähig. Vielleicht war es eine Woche vorher anders.
Sie haben sich schnell zur Operation entschlossen. Wurde Herr Elsner gegenüber anderen Patienten bevorzugt?
Seit Jahren haben wir in Ostösterreich eini massives Problem. Pro Jahr wären 3.100 Herzoperationen notwendig, uns steht aber nur die Kapazität für 2.800 Eingriffe zur Verfügung. Daher haben wir einen unglaublichen Patientendruck. Und natürlich regen sich diese Menschen zu Recht auf, dass sie auf einen Termin warten müssen. Nur, wir können nichts dafür.
Also wurde Herr Elsner doch bevorzugt behandelt?
Prinzipiell nehme ich doch an, dass es im höchsten Interesse der Republik ist, dass ein Hauptbeteiligter der BAWAG-Causa, die einen ganzen Wahlkampf dominiert hat, verhandlungsfähig ist.
War er vor dem Eingriff nicht vernehmungsfähig?
Nein. Außer die Justiz hätte wollen, dass er bei einem Verfahren einen Herzinfarkt hat.
Wann kann er sich Ihrer Meinung nach den Befragungen stellen?
So wie jeder andere Patient soll er nach zehn Tagen Erholungsphase in einer internen Abteilung des AKH für vier Wochen in ein Reha-Zentrum. Das kann zum Beispiel in Tatzmannsdorf, Schallerbach oder Bad Ischl sein. Dann müsste er, wenn nicht irgend etwas Schreckliches passiert, einsatzfähig sein.
Demnach können die Einvernahmen in vier bis fünf Wochen beginnen?
Üblicherweise erholen sich Selbständige schneller als Unselbständige, wenn alles glatt gegangen ist.
Sie vermuten, dass es bei Herrn Elsner etwas länger dauern wird...
Also, bis diese Anklageschrift fertig ist, ist es auf jeden Fall soweit.
Bereitet er sich auf den Prozess vor?
Soweit ich weiß liest er fast nichts, auch keine Zeitungen. Er hat einen Fernseher. Aber das ist alles Sache der Justiz, es gibt genaue Bestimmungen, was ein Untersuchungshäftling darf und was nicht.
Keine Extrabehandlung?
Naja, ein bisschen bevorzugt ist er schon. Er ist abgeschottet - nicht aus medizinischen, sondern organisatorischen Gründen. Eine Pflegeperson kümmert sich ständig um ihn, und es wurde auch durchgesetzt, dass ihn seine Frau, seine Tochter und seine 87-jährige Schwester täglich besuchen dürfen.
Wie geht er damit um, eine der meistgehassten Personen Österreichs zu sein?
Ich habe so das Gefühl, dass er es verdrängt. Das iat ja ein Schutzmechanismus, den wir alle haben.
Besteht Selbstmordgefahr?
(Längere Pause) Jein. Oder Nein. Ich habe eher den Eindruck gewonnen, dass er gewillt ist, sich mit all seiner Dynamik, die ihn in seinem Beruf auf welche Art auch immer ausgezeichnet hat, zu verteidigen.
Wird er bewacht?
Zwei Justizbeamte sind Tag und Nacht da. Daher könnte er auch nichts unbeobachtet unternehmen.
Herr Elsner beklagt sich darüber, dass er einen Tag vor der in Frankreich geplanten Operation überstellt wurde. Ihre Meinung?
Er war transportfähig und er hat wie jeder andere unterschrieben, dass er mit der Operation hier am AKH einverstanden ist. Er wurde nicht dazu gezwungen.
Und er konnte einem Star-Chirurgen vertrauen.
Glauben Sie mir, ich muss mich nicht mehr profilieren. Wenn jedoch ein solcher Druck der Öffentlichkeit auf einem Fall lastet, sehe ich es als Zeichen von Verantwortung an, selber als Chef am Operationstisch zu stehen.
Was hat Sie der Fall Elsner gelehrt?
Die ungeheure Aggression ihm gegenüber hat mich erschreckt. Damit meine ich Äußerungen wie "In China hätte man ihn längst erschossen und nicht noch am Herzen operiert."
Von Nadia Weiss; Fotos: Martin A. Jöchl
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