Nach fünf Jahren

Mordermittlungen zu Balkonsturz auf Mallorca

Österreich
07.10.2017 20:26

2012 starb ein 17-jähriger Oberösterreicher auf Mallorca. Unter mysteriösen Umständen. Dennoch diagnostizierten die spanischen Behörden den Tod des Buben lange Zeit hindurch als Unfall. Aufgrund alarmierender Gerichtsgutachten wird der Fall nun aufgerollt.

Laute Schlagermusik. Gegröle. Bier und Sangria in Kübeln. Party in Dauerschleife. Das ist Urlaubsalltag am Ballermann. Diesem 13 Quadratkilometer großen Areal am Meer, im Südwesten Mallorcas, mit Hunderten Hotels und Lokalen. Diebstähle, Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Schutzgelddelikte. Nirgendwo auf der Baleareninsel ist die Kriminalitätsrate so hoch wie hier.

Aber davon wusste Heinrich Kletzl nichts, als er im Sommer 2012 für seine Söhne Philipp und Andreas (damals 25 und 17) und ihren Freund und Kollegen Daniel (16) einen Urlaub buchte. "Weil die drei über Monate so viele Überstunden gemacht hatten", in seiner Firma, einem Metallbauunternehmen in Mattighofen. "Ich wollte, dass sie ein paar Tage in der Sonne entspannen - und Spaß haben …"

Die letzten Stunden vor dem Drama
Am 16. August ging es vom Flughafen Salzburg los. Um 20 Uhr kamen die jungen Oberösterreicher in Palma an, um 21.30 Uhr checkten sie im Riu Playa Park ein, bezogen Einzelzimmer, aßen vom Buffet, packten ihre Koffer aus.

Philipp legte sich danach gleich zu Bett. Andreas und Daniel wollten noch ein wenig die Gegend erkunden. Kurz vor Mitternacht kehrten sie in eine Disco ein. Wo sie mit einem Deutschen in Kontakt kamen - mit ihm besuchten sie in der Folge gegen 2.30 Uhr ein Bierlokal. "Es war extrem voll da. Außerdem wurden Andi und ich langsam müde", erinnert sich Daniel, "also beschlossen wir, zurück ins Hotel zu gehen." Doch auf dem Weg dorthin verloren die Freunde einander in der Menschenmasse: "Ich dachte mir nichts Schlimmes dabei. Am nächsten Morgen, beim Frühstück, würden wir uns ja wieder sehen." Aber alles kam ganz anders.

Um 6.30 Uhr lag Andreas tot im Hinterhof des Ferienresorts Obelisco. Fast nackt. Später wurden in verschiedenen Stockwerken des Gebäudes Kleidungsstücke des Burschen gefunden. Das rasche Urteil der örtlichen Polizei: Der 17-Jährige sei im Vollrausch von einer Notfall-Außenstiege in die Tiefe gefallen.

Andreas' Eltern konnten nie an diese Version glauben. Sie engagierten Oliver Bartolome, einen bekannten mallorquinischen Advokaten. Sie ließen ihr Kind obduzieren, gaben Sturzgutachten in Auftrag; sie baten Josef Wilfling, Deutschlands berühmtesten Mordfahnder, um eine Überprüfung des Falles. Mit Vorliegen jedes neuen Analyseergebnisses verfestigte sich in ihnen der Verdacht, "dass Andi einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte".

Als belegt gilt: Der Lehrling ist zum Zeitpunkt seines Todes kaum alkoholisiert gewesen; sein Körper war übersät mit Wunden - Schürf- und Schnittverletzungen -, die nicht zu einem Unfallgeschehen passen. Und: Als Absturzstelle wird nicht die Balustrade, sondern ein Balkon angenommen.

Viele Indizien sprechen für ein Verbrechen
Die vergangenen fünf Jahre, für Heinrich und Hannelore Kletzl geprägt "von einem Kampf gegen Windmühlen. Immer wieder ersuchten wir die Behörden, Erhebungen anzustellen. Um herauszufinden, warum Andreas wirklich sterben musste." Aber sämtliche Anträge wurden abgelehnt.

Bis zum August 2017. Da wurde die "Akte Andreas" geöffnet, nun ermittelt die Mordkommission Palma in der mysteriösen Causa. Die schnell gelöst werden könnte, wenn bestimmte Dinge beleuchtet würden …

Fakt ist: Aufnahmen aus Überwachungskameras zeigen, dass Andreas am 17. August 2012, exakt um 4.51 Uhr, die Eingangshalle des Obelisco betrat und dann raschen Schrittes die Treppe hinaufging. Wen hat er in dem Hotel besucht? Fand dort eine private Feier statt - bei Urlaubern, die er kurz davor kennengelernt hatte?

Die "Krone" hat in dem Hotel recherchiert. "Wir haben", so der Chef-Rezeptionist, "der Polizei Videobänder übergeben, auf welchen jene Personen zu sehen sind, die in den Stunden vor und nach der Tragödie in unser Resort kamen oder es verließen. Und die Beamten sind auch in Besitz der Gästeliste von damals."

Nur die Balkone von wenigen Randzimmern - von der vierten bis zur siebenten Etage - kommen als Tatort in Betracht. Wer wohnte darin? Vielleicht sogar Österreicher?
"Fragen, die endlich einer Antwort bedürfen", sagt Stefan Rieder, der österreichische Anwalt der Kletzls. Er lässt jetzt - mit Fotos vom Leichen-Fundort - eine weitere Sachverständigenexpertise erstellen. Im Bereich Biomechanik, zum Fallwinkel des Opfers.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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