Ob im Bund oder in Wien, die SPÖ hatte am 1. Mai 2016 wenig zu feiern. Ein niederschmetterndes Ergebnis bei der Präsidentenwahl, interne Querelen um die inhaltliche Ausrichtung der Partei, selbst Rufe nach dem Rücktritt des Kanzlers und nach einer offenen Annäherung an die FPÖ waren laut geworden - was Wiens Bürgermeister Michael Häupl am Sonntag schließlich strikt ablehnte. Der Parteichef machte allerdings zugleich deutlich, dass er nicht vom aktuellen Asylkurs abweichen wolle. Am "Tag der Arbeit" wurde gefeiert - und auch protestiert. krone.at war für Sie vor Ort - hier finden Sie alle Infos, Bilder und Videos.
Die Kundgebung der Sozialdemokraten in der Bundeshauptstadt hat inzwischen jahrzehntelange Tradition, immer noch - und trotz massiver Parteikrise - bringt die SPÖ am 1. Mai Tausende Genossen auf die Straße. Nach einem Sternmarsch der Teilorganisationen aus den verschiedenen Ecken Wiens fand am Rathausplatz die Schlusskundgebung statt. Im Vorfeld befürchtete Ausschreitungen im Zuge von Gegendemonstrationen blieben aus.
Störaktion bei Faymann-Rede
Parteichef Werner Faymann schallte bei seiner Rede allerdings Protest entgegen. Sein kurzes Statement wurde von Pfiffen und Buhrufen begleitet. Die Faymann-Kritiker der Partei hatten sich ganz vorne bei der Bühne platziert und hielten zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "Rücktritt" oder "Parteitag jetzt" in die Höhe. Dazwischen waren auch Pro-Faymann-Taferln mit "Werner, der Kurs stimmt" zu sehen.
"Der Kurs ist richtig"
Der Trillerpfeifen-Protest des linken Parteiflügels änderte jedenfalls nichts am Kurs der SPÖ in der Flüchtlingsfrage. Der Kanzler bekräftigte, dass man weiter für eine faire und gerechte Gesellschaft kämpfen werde, dass aber auch Ordnung im Land sein müsse. Österreich allein könne nicht alle Flüchtlingsprobleme dieser Welt lösen. Deshalb brauche es Gesetze, die eine solche Ordnung ermöglichten. "Kritik muss man aushalten und ernst nehmen, aber der Kurs ist richtig", erklärte Faymann nach seiner Rede. Und: Meinungsverschiedenheiten gehörten ausdiskutiert. "Wir haben nichts davon, wenn wir das unter den Teppich kehren und das stattdessen in eine Personaldiskussion umwandeln. Abputzen, egal auf wen, ist keine Lösung."
Arbeiter-Anliegen, Profilschärfung, Steuerreform
Mit Pfiffen sah anfangs sich auch ÖGB-Präsident Erich Foglar konfrontiert. Er hatte angeregt, über das strikte Nein im Umgang mit den Blauen nachzudenken. Foglar zeigte sich dann kämpferisch hinsichtlich der Anliegen der Arbeiter, erteilte Kürzungs- und Deckelungsplänen der ÖVP in Sachen Mindestsicherung eine Absage und freute sich über die Anfang 2016 in Kraft getretene Steuerreform. Finanzstadträtin und Wiener SPÖ-Frauen-Vorsitzende Renate Brauner sprach sich ebenfalls für Profilschärfung und Strategiearbeit aus.
Was Gewalt gegen Frauen anbelangt, sagte Brauner: "Wir verurteilen alle Täter - egal, wer sie sind und woher sie kommen."
Häupl: "Unzählige Gründe, nicht mit FPÖ zu regieren"
Wiens Bürgermeister Michael Häupl stellte in einer sehr emotionalen Rede klar, dass eine Annäherung der SPÖ an die FPÖ nicht infrage komme. "Es gibt unzählige Gründe, keine Regierungszusammenarbeit mit dieser Freiheitlichen Partei zu machen." Häupl, der eine klare Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen abgab, betonte auch hinsichtlich des Präsidentenvotums: "Jemand, der ein gestörtes Verhältnis zur Heimat Österreich hat, der die Europäische Union ablehnt und dessen Amtsverständnis in Richtung einer autoritären Präsidialdiktatur geht, ein solcher Mann kann nicht gewählt werden, denn das ist mit den Werten der Sozialdemokratie vollkommen unvereinbar."
Während Häupls Rede verstummten die Protestäußerungen. Einen Zwischenrufer fertigte der Bürgermeister mit "Hör' mir zu und plärr' ned umadum" ab.
Bilder aus Wien:
Videos aus Wien:
Fackelzug mit 2000 Jugendlichen
Bereits am Samstagabend hatte die Sozialistische Jugend einen Fackelzug durch Wien veranstaltet. 2000 Jugendliche fanden sich am Abend vor der Oper ein. Der Fackelzug stand unter dem Motto "Krieg.Macht.Geld. - Menschen statt Profite!"
Fotos vom Fackelzug der Sozialisitischen Jugend:
Auch in Graz wurde am Sonntag aufmarschiert - Bilder:
"Spaltungsphantasien" im Vorfeld
Dass die innerparteilichen Probleme der SPÖ immer gravierender werden, war bereits am Samstag erneut deutlich spürbar geworden. Kaum hatte sich Werner Faymann mit der Vorverlegung des Bundesparteivorstands von 17. auf 9. Mai etwas Luft verschafft, musste er sich noch in den Abendstunden mit einem öffentlichen Nachdenken über die rote Haltung zur FPÖ auseinandersetzen. In der Wiener Stadtpartei sah sich Michael Häupl gar genötigt, per Aussendung "Spaltungsfantasien" abzuwehren.
Den Aufreger des Tages lieferte ÖGB-Präsident Erich Foglar, der eine Kursänderung gegenüber der FPÖ aufs Tapet brachte. Auch der frühere SPÖ-Grande Hannes Androsch, stets gern gehört mit seinen Meinungen zur Partei, stieß ins selbe Horn. Entsprechend groß fiel das mediale Echo auf beide aus.
"Strategiegruppe" soll Abhilfe schaffen
Faymann sah sich schließlich dazu gezwungen, die Einrichtung einer "Strategiegruppe" zu verkünden. Da solle es aber auch um die Themen Arbeitswelt, Wohnen, Bildung und Flüchtlings- und Integrationspolitik gehen, betonte der Bundeskanzler.
Wie die anderen Parteien "feierten"
Die ÖVP beging den 1. Mai übrigens wieder niederschwellig, mit einem Besuch in einem niederösterreichischen Polizeikommissariat. Die FPÖ traf sich am Urfahraner Jahrmarkt, die Grünen finden sich erst am 2. Mai zu einer Enquete ("Work in progress - Arbeitsmarkt neu gestalten") ein, und die NEOS begingen den 1. Mai als "Fest der Talente", das sich vor allem Kindern widmete.
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