Trotz Kriegsrhetorik

Warum China (noch) nicht gegen den IS kämpfen will

Ausland
26.11.2015 16:38
"Terrorismus ist der gemeinsame Feind aller Völker", erklärte Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping in der Vorwoche nach der Hinrichtung der ersten chinesischen Geisel durch Henker der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Peking hat auch geschworen, die Mörder Fan Jinghuis zur Rechenschaft zu ziehen. Aber den martialischen Tönen werden wohl keine unmittelbaren militärischen Taten folgen. Zu groß ist die Angst in China, dass Millionen chinesischer Arbeiter und Touristen im Ausland nun gezielter ins Visier von Terroristen geraten könnten.

Immer mehr chinesische Staatsbürger werden Opfer der IS-Mörderbanden: Einen Tag nach der Ermordung Jinghuis kamen drei Manager der chinesischen Staatsbahn beim Angriff auf ein Luxushotel in der malischen Hauptstadt Bamako durch eine der Terrororganisation Al-Kaida nahestende Miliz ums Leben. Während in sozialen Netzwerken die Stimmen immer lauter werden, sich an die Seite Russlands zu schlagen und gemeinsam gegen die Dschihadisten in Syrien vorzugehen, übt sich die Regierung in Peking weiterhin in Zurückhaltung.

Experte: "US-Interventionen haben nicht funktioniert"
Li Guofu, Experte am staatlichen Chinesischen Institut für Internationale Studien, begründet die Zurückhaltung mit den schlechten Resultaten westlicher Interventionspolitik vor allem im Nahen Osten. "Es ist für Peking klar, dass die Herangehensweise der USA in Syrien und dem Nahen Osten nicht funktioniert", so Li gegenüber der Agentur Bloomberg. Ganz im Gegenteil: Die US-Politik in Syrien habe sogar zu einer weiteren Eskalation geführt.

Bisher war China mit seiner jahrzehntelangen Politik der Nicht-Einmischung aus Sicht der kommunistischen Führung ziemlich gut unterwegs. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf bilateralen Verträgen zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen der expandierenden asiatischen Großmacht. Doch mit der zunehmenden Ansiedlung chinesischer Firmen in Konfliktgebieten Afrikas und des Nahen Ostens wird das Thema Terrorismus akuter.

Staatliche Medien wollen Terrorismus "verheimlichen"
Und der Druck auf die chinesische Führung wird sowohl im In- als auch im Ausland größer: Die Versuche der staatlichen Medien, Terrorangriffe auf chinesische Staatsbürger nicht an die große Glocke zu hängen, werden durch kritische Staatsbürger in den sozialen Netzwerken unterlaufen. Die Forderung vieler chinesischer Internetuser, der Staat müsse seine eigenen Bürger schützen, klingt nicht nur plausibel, sondern ist auch eine der zentralen Aufgaben eines Staates.

UN-Sicherheitsrat: "IS beispiellose Gefahr für Frieden"
Der Druck von außen ist vor allem im Rahmen des UN-Sicherheitsrates groß. Von den fünf Vetomächten klammert sich einzig und allein China an eine politische Lösung des Syrien-Kriegs. Nach den Pariser Anschlägen wurde allerdings einstimmig - und damit auch von China gebilligt - eine Sicherheitsratsresolution beschlossen, die alle Staaten auffordert, "alle nötigen Maßnahmen" im Kampf gegen den Islamischen Staat zu ergreifen. Der Sicherheitsrat bezeichnete die IS-Miliz als "globale und beispiellose Gefahr für den Frieden und die internationale Sicherheit".

Die Resolution erteilt zwar nicht die rechtliche Erlaubnis, militärisch gegen den IS vorzugehen, gibt aber politische Rückendeckung für den Kampf gegen die Dschihadistengruppe, die sich zu den Anschlägen in Paris mit 130 Toten bekannt hatte.

Hier können Sie den gesamten Wortlaut der Resolution lesen (auf Englisch).

Trotz der politischen Rückendeckung durch die Vereinten Nationen wird die Entscheidung Chinas, in den Krieg gegen den IS zu ziehen, von diesen drei Aspekten abhängen:

  • Chinesische Arbeitskräfte im Ausland: Zigtausende Staatsbürger könnten gefährdet werden - vor allem jene, die in Algerien, Libyen oder im Irak beschäftigt sind.
  • Chinesische Touristen: Im Vorjahr waren laut der chinesischen Tourismusbehörde 117 Millionen Chinesen im Ausland als Touristen unterwegs.
  • Gefahr islamistischer Anschläge in China selbst: Die Probleme mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Unruheprovinz Xinjiang könnten sich massiv verschärfen. Zudem sieht der Islamische Staat Chinas Westen als Teil seines "Kalifats". Nach Angaben der Regierung haben sich bisher rund 300 Uiguren der Terrormiliz angeschlossen, um in Syrien oder im Irak zu kämpfen.

Video aus dem Archiv: Geiseldrama in Bamako

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