"Krone"-Interview

Randy Newman: “Bin viel zu radikal für Disney”

Musik
22.09.2015 12:02
Randy Newman als Star zu bezeichnen käme wohl noch zu kurz. Zwei gewonnene Oscars bei 22 Nominierungen, 3 Emmys, die Aufnahme in die Songwriter's Hall Of Fame und die Rock-'n'-Roll Hall Of Fame sprechen eine eindeutige Sprache. Der 71-Jährige zählt nicht nur durch seine Tätigkeit für Disney-Filme zu den bedeutensten und bekanntesten Filmkomponisten, sondern hat mit Songs wie "Short People" oder "The Blues" auch als Songschreiber im Pop-Bereich für Furore gesorgt. Am 5. November kommt Newman live ins Wiener Museumsquartier und hat sich mit uns im Vorfeld über die vielen Erfolge, das sperrige Arbeiten mit Regisseuren und seine größten Fehler unterhalten.
(Bild: kmm)

"Krone": Randy, am 5. November kommen Sie wieder einmal nach Österreich, um im Wiener Museumsquartier ein Konzert zu geben. Was können wir denn von Ihnen erwarten?
Randy Newman: Es kommt bald ein neues Album mit neuen Songs und ich werde wahrscheinlich vier oder fünf davon spielen. Ich habe die bislang noch kaum wo gespielt, wir werden also sehen, wie sie ankommen. Wenn ich neue Nummern spielen muss, bin ich immer etwas nervös, aber das macht auch Spaß. Aber ich glaube, das geht jedem so. Jedenfalls freue ich mich schon auf die Aufmerksamkeit des Publikums.

"Krone": Vor fast genau einem Jahr waren Sie das letzte Mal in Wien und haben den "Max Steiner Film Music Award" erhalten und sind erstmals überhaupt gemeinsam mit Ihrem Cousin David Newman auf der Bühne gestanden. Haben Sie noch gute Erinnerungen an diesen Abend?
Newman: Natürlich, das war einfach ein großartiger Abend. Die Party war spitze und es war auch für mich sehr aufregend, mit David zu spielen. Ich weiß nicht genau wie viel, aber jedenfalls bin ich etwas älter als David, kenne ihn schon, seit er ein kleiner Junge ist und verspüre nichts als Respekt vor seinem Schaffen. Er ist für mich der beste Dirigent unserer Familie. Wir haben dort beide einen guten Job gemacht und es hat uns musikalisch als auch emotional sehr viel Spaß gemacht. Viele große Komponisten, inklusive Beethoven, sagten ja gerne, Musik sollte nicht so viel Spaß machen. Das ist aber natürlich Blödsinn. (lacht)

"Krone": Ich finde es interessant, dass Ihre Onkel Alfred, Emil und Lionel Newman als auch Ihr Cousin erfolgreiche Filmkomponisten sind. Normalerweise rebellieren Kinder ja gegen ihre Eltern und ältere Verwandte, Sie aber haben denselben Weg eingeschlagen und sind damit unheimlich erfolgreich.
Newman: Mein Vater war ein Arzt und ich glaube, er wollte mich nie in diese Richtung drehen, weil er immer glaubte, ein Musiker zu sein würde ein grandioses Leben mit sich bringen. Das stimmt natürlich auch in gewisser Weise, aber rückblickend wundere ich mich manchmal, warum er nicht auch aus mir einen Arzt formen wollte. Das würde zumindest ich machen. Ich war damals erst fünf Jahre alt, als ein Piano in mein Zimmer gestellt und darauf Mozart gespielt wurde. Meine Eltern haben schon früh darauf geschaut, dass ich musikalisch werde und mich auch gerne allein gelassen, damit ich in Ruhe üben und experimentieren kann. Auf der anderen Seite habe ich auch meine Onkel gesehen, wie sie an die 100 Leute dirigiert haben in den damals größten und besten Orchestern der Welt. Alfred war für mich der beste Dirigent, den Hollywood je hatte – auch wenn David nicht viel dazu fehlt. Für einen Sechsjährigen wie mich sah so eine Karriere damals unerreichbar aus, aber ich sah jemanden mit Leidenschaft seinen Job ausführen und wusste, das könnte ich doch auch probieren. So ging es dann in die Musik.

"Krone": Und wir alle kennen das Ergebnis – eine Weltkarriere.
Newman: Ich werde niemals den Gedanken von mir wegschieben, welche Ehre und welches Privileg es ist, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

"Krone": Interessant ist auch, dass "Short People" Ihr einzig wirklich großer Welthit war, Sie als Filmkomponist allerdings eine wirklich große Karriere hingelegt haben. Wurden Sie da als Songschreiber missverstanden? Haben Sie sich oft überlegt, warum die eine Seite besser klappt als die andere?
Newman: Es ist natürlich nett, einen Hit zu haben, aber die Art des Hits ist das schlimmste, das dir passieren kann. Durch den Text bekam ich trotz der Hittauglichkeit auch viele Probleme, so mancher hat mich schlichtweg missverstanden. Die meisten Leute haben den Sinn dahinter schon verstanden, aber mein Weg, Songs zu schreiben, ist nicht der, dass ich die üblichen Lovesongs für die Massen mache. Ich schreibe Songs über Charaktere und Bösewichte. Das interessiert mich und das mache ich seit mittlerweile mehr als 50 Jahren. Ich bin schon wirklich lange im Geschäft und hatte zufälligerweise noch mehr Hits, die aber nicht die Strahlkraft von "Short People" hatten. "You Can Leave Your Hat On" entwickelte sich erst später zu einem Hit, weil er öfters in Filmen gespielt wurde. Der Disney/Pixar-Song "You've Got A Friend In Me" könnte auch ein Hit sein, war aber kein richtiger. "Short People" und "Mama Told Me Not To Come" waren meine größten Erfolge – und alle passierten total zufällig. Auch so können Karrieren gehen.

"Krone": Zwei gewonnene Oscars und insgesamt 22 Nominierungen können jedenfalls nicht irren, aber verärgert es Sie manchmal, dass es bei Filmkomponisten wie Ihnen nie zu so einem Starkult kam wie zu herkömmlichen Pop- oder Rockmusikern?
Newman: Das wird auch nie passieren, so realistisch muss man sein. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass heute mehr Starkult um Komponisten herrscht als noch vor einigen Jahren. Don Davis etwa, der die Musik für "Matrix" komponiert hat, performt seine Songs rund um die Welt. Auch Howard Shore oder Ennio Morricone spielen in großen Arenen – so schlecht sieht es heute also gar nicht aus. Filmmusik ist aber eben nur ein Teil eines Films und wird niemals so aufgenommen, wie ein Songschreiber oder eben Performer. Die Songs sind heute vielleicht etwas wichtiger geworden, weil die Öffentlichkeit heute stärker drauf achtet. Oft ist Filmmusik auch schlecht, weil Regisseure klare Vorstellungen haben und die ursprünglichen Ideen der Komponisten untergraben. Vor 30 Jahren hatte ich in dem Bereich mehr Freiheiten als heute.

"Krone": Es gab von Ihnen unlängst die Aussage, dass Sie Regisseure nicht wirklich leiden können, weil sie im Prinzip das Songgerüst, das Sie sich ausgedacht haben, viel zu oft durch ihre eigenen Visionen zerstören.
Newman: Mittlerweile wünschte ich mir, ich hätte das niemals gesagt. Ich wollte das nicht generalisieren, aber natürlich wurde es wieder so aufgenommen. Es gibt Regisseure, die ich wirklich mag und schätze wie zum Beispiel John Lancaster, Barry Levinson oder Ron Howard. Regisseure müssen aber bei einem Dreh so viele Details und Feinheiten im Kopf haben, dass es sie oft überfordert. Dabei haben sie – nicht nur in der Musik zum Film – doch ohnehin überall Experten, die in ihrem Bereich sehr gut Bescheid wissen. Aber das Problem ist, dass sie nicht gerne auf Experten zurückgreifen. Das ist oft eine budgetäre Sache und ich bin in dieser Angelegenheit reifer geworden. Ich hatte nie direkt Probleme mit Regisseuren, aber ich komme ursprünglich aus der Musikwelt und war es nie gewohnt, gesagt zu kriegen, was ich zu tun hätte. Ich habe immer gearbeitet und wenn mir was nicht passte, habe ich das eben selbst herausgefunden. Aber wie gesagt – auch in diese Sache wuchs ich mit der Zeit rein.

"Krone": Andererseits sind Sie vor allem beim jüngeren Publikum beliebt und populär, weil Sie Songs für "Toy Story 3" oder "Monsters Inc." geschrieben haben. Macht Sie das stolz, dass Sie eben auch die Jugend auf Ihre Seite ziehen können?
Newman: Das tut es in der Tat. Als ich mitten in meiner Karriere war hätte ich auch niemals damit gerechnet, dass man meinen Namen einmal mit dem Disneyland assoziieren würde. Die verwenden meine Musik, mehr als alle anderen. Das verwundert mich immer noch etwas, denn als Songwriter bin ich von der Person her viel zu radikal für dieses Unternehmen. Es war aber eine Auftragsarbeit und wenn ich auf etwas stolz bin, dann darauf, dass ich dazu fähig bin, alle Arten von Aufträgen auszuführen. Wenn du mir sagst, ich sollte einen Song über einen Affen im Baum schreiben, dann werde ich das machen. Man muss mir nur Freiheiten geben, meine Gefühle leiten lassen. Mozart hat doch auch ähnlich komponiert und was für ihn gut genug war, wird wohl auch für mich gelten – behaupte ich jedenfalls mal. (lacht)

"Krone": Ist es nach zwei Oscars, drei Emmys und der Aufnahme in d die Leidenschaft und Passion an der Arbeit am Leben zu erhalten?
Newman: Diese Dinge waren niemals mein Antrieb. Mir ging es darum, Spaß zu haben und selber stolz auf meine eigene Arbeit zu sein. Ich wollte einfach einer der besten in meinem Job sein, das war immer mein Ziel. Natürlich kann man so etwas niemals richtig beurteilen, aber ich habe stets daran geglaubt, dass ich in der ersten Liga spielen würde. Ich war mir nie wirklich sicher, ob Filmmusik mein Metier sein würde. Ich bin mir noch immer unsicher und weiß mit Stand jetzt auch nicht unbedingt, ob ich noch einmal einen "Toy Story"-Score machen könnte. Aber die Songs sind gut aufgenommen worden und nicht so schlecht gelungen. Ich finde zum Beispiel mein 1999er-Album "Bad Love" hatte die besten Songs seit "Sail Away" aus dem Jahr 1972. Mir fällt es schwer, meine eigene Arbeit zu beurteilen.

"Krone": Hollywood ist bekanntlich eine Welt voller Schein und Illusionen, hier ist oft nichts so, wie es im ersten Moment zu sein scheint. Haben Sie dort oft Lernprozesse durchmachen müssen? Vielleicht auch auf dem harten Weg?
Newman: Du siehst es in der Realität immer wieder, wie Ehen, Beziehungen oder hohe Erwartungen verpuffen oder wie ein Luftballon zerplatzen. Dessen muss sich jeder gewahr sein. Ich habe mich nie um den Glamour von Hollywood gekümmert, aber Disney ist in gewisser Weise doch mein Leben. Meine Onkel haben sich niemals von diesem Sog ranziehen lassen, den Hollywood versprüht, sie hatten immer eine gewisse gesunde Verachtung für die Glitzerseiten des Geschäfts. Meinen Onkel Alfred hat man bei den vielen Partys so gut wie nie gesehen, das hat ihn nicht interessiert. Ich habe ihn einfach jeden Tag arbeiten gesehen, dann ging er ins Bett und am nächsten Tag ging alles von vorne los. Den Glamour habe ich schon als Kind nur aus der Ferne gesehen, weil meine Verwandten immer lieber gearbeitet haben. Aber natürlich sind mir auch Fehler passiert. Einer der schlimmsten war, als ich nach "Short People" "Born Again" veröffentlichte und mit einem KISS-Make-Up vom Cover lachte. Ich habe mich dort einfach beinhart dem Rock-Trend angebiedert. Ich konnte es damals nicht erwarten, das Album zu veröffentlichen. Ich dachte und glaubte fest daran, das wäre der heißeste Scheiß und die Leute würden nur darauf warten. Am Ende war es von den Verkaufszahlen und von der Kritik her wohl das schlimmste Album meiner Karriere und ich realisierte damals, dass viele Leute einfach nicht wissen, wer ich bin. Die Botschaft nach außen war also – irgendein Arschloch biedert sich hier an, ein KISS-Make-Up zu tragen. (lacht) Dieser Illusion bin ich damals verfallen und daraus habe ich viel gelernt. Seitdem habe ich auch nie mehr etwas erwartet.

"Krone": Sie leben in den Pacific Palisades in L.A. und haben gesagt, dass Sie die Gegend eigentlich gar nicht so mögen. Stimmt das wirklich und wenn ja, was machen Sie dann noch dort?
Newman: Ich lebe schon hier, seit ich ein kleiner Bub bin. Ich kenne ja nichts wirklich anderes und glaube auch nicht an Reinkarnation – man lebt schließlich nur einmal. Natürlich ist es hier in den Palisades wirklich nett, aber ich denke oft daran, woanders zu leben. Ich frage Menschen auch immer genau, wie es bei ihnen so ist, aber am Ende des Tages komme ich drauf, dass ich wohl doch nirgendwo anders leben könnte. Ich habe hier ja auch meine Familie, meine ganzen Enkel und schlussendlich auch noch meine Frau mit ihren ganzen Freunden. (lacht) Wo soll ich denn jetzt noch hin? Ein Schloss an einem Fluss wäre schön. Mit einem Elektroboot, in dem ich durch die Gegend fahre. Ich liebe Wasser, das wäre wohl der perfekte Plan.

"Krone": Sie schreiben mal warmherzige, dann wieder beängstigende, dann wieder fröhliche und auch traurige Songs. Fällt es Ihnen wirklich so leicht, beim Songschreiben zwischen den vielen verschiedenen Stimmungslagen hin- und herzuswitchen?
Newman: Gar nicht. Wenn ich mal im Arbeitsprozess bin, dann versuche ich beständig und gleichmäßig zu arbeiten. Mir gut zu überlegen, wofür ich etwas mache und wer dabei personifiziert wird. Ich schlüpfe da meist selbst in Rollen, ich bin zu 90 Prozent nicht ich, wenn ich arbeite. Irgendwie habe ich die Arbeit eines Schauspielers. Ich versuche dann die Grammatik und die Satzstellungen richtig zu machen und den passenden Ton zu treffen – alles sehr penibel. Ich schlüpfe dann quasi in die Richtung meines Songs rein. Das Schwierigste dabei ist, in den Song zu kommen. Bist du erst einmal drin, dann ist das alles kein Problem mehr. Ich habe passend zum neuen Album viele Songs geschrieben, die ich nicht fertiggemacht und aufgenommen habe. Vielleicht sind die also einfach das nächste Mal drauf, schauen wir einmal.

Am 5. November spielt die Legende Randy Newman live im Wiener Museumsquartier. Tickets für das Konzertereignis erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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