Tag 1

Hitze, Staub und harte Riffs zu Nova-Rock-Auftakt

Musik
13.06.2015 10:11
125.000 Besucher werden nach Angaben der Veranstalter über drei Tage beim Nova Rock in Nickelsdorf im Burgenland erwartet. Österreichs größtes Rockfestival hat am Freitag erfolgreich begonnen. Als Volltreffer hat sich die neue Anordnung der beiden Hauptbühnen erwiesen: Die Gehwege sind kürzer. Das Gelände präsentierte sich überhaupt positiv verändert, die Musik war durchaus ansprechend. Nur Mötley Crüe enttäuschten.
(Bild: kmm)

Trotz Hitze und windbedingtem Staub hatte man nicht mehr den Eindruck, durch eine Wüste zu wandern. Übersichtlicher, kompakter und mit abwechslungsreicher Kulinarik ausgestattet zeigten sich die Pannonia Fields nach der Frischzellenkur. "Wasser wird auch ausreichend verteilt", meinten zwei junge Gäste. Wesentlich weniger Verkleidungen als noch in den Jahren zuvor waren zu sehen, die meisten Besucher bevorzugten Luftiges - wenngleich der eine oder andere im Superheldenkostüm oder flauschiger Bärenmontur auftauchte.

Mit über 30 Grad war der erste Tag des Festivals äußerst heiß: Das Rote Kreuz musste bis zum Abend 600 Patienten "vorwiegend wegen Erschöpfung, Sonnenbränden oder Sonnenstichen" behandeln, wie Sprecher Thomas Horvath sagte.

Techno gewinnt am Rock-Festival
Viele hätten es überhaupt nicht für möglich gehalten, einige andere zumindest stark daran gezweifelt, doch der wahre Headliner am ersten Tag der elften Ausgabe des Nova Rock waren weder die Beatsteaks, noch Mötley Crüe, sondern das deutsche Techno-Kommando Scooter. Als "Late Night Act"-Voting-Verlierer gegen Wolfgang Ambros gerade noch im letzten Moment ins Line-Up gerutscht und erst kurz vor 1 Uhr morgens auf die Bühne gehend, bewies Frontmann H.P. Baxxter, dass nur seinem Sound Grenzen gesetzt sind, nicht aber der Beliebtheit.

Als bislang erster von den Nova-Rock-Veranstaltern ausgewählter Techno-Act wurden im Vorfeld kritische Stimmen laut, doch mit kultigen Disco-Stampfern wie "Weekend", "How Much Is The Fish?" oder "Fuck The Millennium" hatten sie das Publikum von Anfang an im Griff und konnten das volle Gelände bis weit nach hinten Richtung Gastrobereich begeistern. Baxxter selbst zeigte sich durchaus angetan, heiße Pyro-Einlagen und luftig bekleidete Tänzerinnen sorgten für zusätzliches Vergnügen. Im Endeffekt reichten den Feierwütigen aber die einfachen, dafür umso eindringlicheren Techno-Beats, die, mit kultigen Baxxter-Ansagen garniert ("Respect to the man in the icecream van"), für die vielleicht beste Stimmung des Wochenendes sorgten.

Verpuffte Chance
Davon waren die ersten großen Headliner Mötley Crüe leider ganz weit entfernt. Dass es zwischen Band und Publikum ein Generationsproblem geben könnte, mag stimmen, doch die kultige 80er-Glam-Rock-Band, die sich derzeit auf vertraglich festgelegter Abschiedstour befindet, zeigte sich ein halbes Jahr vor dem endgültigen Exitus nicht unbedingt in Bestform. Das mit zahlreichen Metallspitzen ausgestattete Bühnendesign versprach viel, bis auf ein paar Pyro- und Explosionseffekte und den etwas hoch gehobenen Drum-Riser von Tommy Lee hielt es den Erwartungen aber nicht stand. "Die volle Palette packen wir ja erst bei den Hallenshows im Herbst aus", grinste uns Gitarrist Mick Mars davor im "Krone"-Interview ins Diktiergerät. Nur schade, dass es keinen weiteren Österreich-Termin zu geben scheint.

Zusätzlich verwässerte das schwache Organ von Frontmann Vince Neil die durchaus starke Instrumentalleistung. Der blonde Frontmann, vor knapp drei Jahrzehnten noch Posterboy in jeder guten Mädchenzeitschrift, versprüht mit gestiegenem Alter hauptsächlich Hausmeisterstrand-Charme und kratzt des Öfteren an den hohen Tönen vorbei. Mit Songs wie "Dr. Feelgood", "Girls, Girls, Girls", "Looks That Kill" oder "Too Fast For Love" besitzen die L.A.-Rocker zwar Hymnen für die Ewigkeit, von der Stärke der Originalversionen waren sie bei ihrer Österreich-Premiere aber weit entfernt. Überraschend war nur die Agilität des keineswegs fitten Mars, der sich fehlerlos durch das Set shredderte und solierte.

"Baba und foi net"
Die einzelnen Songs haben viel von ihrer einstigen Magie verloren und wirken vor allem beim jungen Nova-Rock-Publikum wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit. Dass Top-Drummer Tommy Lee zudem nicht einmal ein Schlagzeugsolo gewährt wurde, verwunderte so einige Besucher. "Kickstart My Heart" am Ende als starkes Aufbäumen kam fast schon zu spät. Kurioses Highlight: Vince Neils pompöses Kreuz über dem Gemächt. An der Legende der Band wurde mit dem mürben Auftritt leider dennoch gekratzt. "Home Sweet Home" als balladesker Abschluss war programmatisch. Oder wie der Late-Night-Act am Samstag, Wolfgang Ambros, sagen würde: "Baba und foi net".

Wesentlich mehr Zuspruch bekamen auf der Red Stage die beiden Headliner Beatsteaks und Rise Against. Durch die neue Bühnenanordnung ist man via "Highway To Hell" in wenigen Minuten auf der anderen Bühne, die Zeitersparnis ist enorm. Beide Bands erfreuen sich schon seit Längerem großer Beliebtheit und treffen mit ihren politischen und gesellschaftskritischen Texten durchaus den Nerv der Zeit - eine offensichtlich willkommene Abwechslung zum prolligen Sunset-Strip-Gepose von Mötley Crüe, das im heutigen Zeitalter viel von seiner Wirkkraft verloren zu haben scheint. Eine der wohl schönsten Überraschungen lieferten davor die Eagles Of Death Metal. Nicht nur neues Material wurde in Aussicht gestellt, auch Queens-Of-The-Stone-Age-Chef Josh Homme persönlich setzte sich wieder mal ans Drumkit, um Schnauzbartträger und Freund Jesse Hughes tatkräftig zu unterstützen.

Harte Werte
Auf der Blue Stage regierte indes die harte Schiene. Nach dem furiosen Auftritt der 90er-Heroen Life Of Agony wurde es mit den Nu-Metal-Haudegen Godsmack schon wesentlich härter im Schritt. Erste große Tagessieger auf der Blue Stage waren die Australier von Parkway Drive, bereits durch viele Hallenkonzerte Österreich-erprobt, die sich mit ihren aggressiven, von Breakdowns durchzogenen Metalcore-Hymnen Respekt verschafften und für die ersten staubfördernden Moshpits im Wavebreaker sorgten. Die Genre-Verweigerer Mastodon hatten mit ihren teils süßlich eingängigen, dann aber wieder verneinend dissonanten Songs schon wesentlich mehr Probleme, die große Masse zu begeistern. Die sympathische Ausstrahlung und memorable Hits wie "Ember City" halfen aber kräftig nach, die Stimmung mit Verlauf des Konzerts zu steigern.

Herausragend war auch die Rückkehr von Lamb Of God, die sämtliche Probleme der jüngeren Vergangenheit hinter sich haben und mit bald erscheinendem neuem Album wieder zum Angriff blasen. Die Nova-Rock-Show war ein buntes Best-Of-Potpourri aus fast zwei Jahrzehnten Bandgeschichte. "Redneck" oder das unzerstörbare "Black Label" sind auch Metal-Kracher für die Ewigkeit und Sänger Randy Blythe überraschte mit brandneuer Zottel-Dreadlocks-Frisur. Überraschung für die Underground-Fans: das Hardcore/Doom/Sludge-Geschwader Code Orange, das vor einer Handvoll Begeisterter beim Red Bull Brandwagen für einen derben Kontrast im gut konzeptionierten Programm sorgte. Am Samstag wird es mit den Toten Hosen, den Fantastischen Vier und Kraftklub etwas ruhiger. Besonderes Schmankerl: der Auftritt von Austropop-Legende Wolfgang Ambros und seiner Band Die Nr. 1 vom Wienerwald. Karten sind an der Tageskassa erhältlich - Sonnencreme bei erwarteten 30 Grad Celsius dafür selbst mitzubringen.

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