50-Jahre-Jubiläum

Mythos und Wahrheit von “The Sound Of Music”

Musik
16.03.2015 17:00
Viele Amerikaner und Asiaten bekommen ihren ersten Eindruck von Österreich durch "The Sound Of Music". Dabei ist der Klassiker mehr Hollywood-Schein statt Sein. Zum 50-Jahre-Jubiläum des Kult-Musicals haben wir uns die wahre Geschichte der singenden Familie Trapp angesehen und mit der Hollywood-Umsetzung verglichen.
(Bild: kmm)

So zahm hat man Lady Gaga auch selten gesehen. Aber wenn es um ein Kino-Heiligtum wie "The Sound Of Music" geht, dann zeigt sich auch die Queen der Exzentrik in unschuldigem Weiß. Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung schwelgte die Crème de la Crème von Hollywood in nostalgischen Kindheitserinnerungen, als Lady Gaga zum 50-Jahre-Jubiläum des klingenden Leinwandepos ein Medley der Film-Hits zum Besten gab.

Bekannt in ganz Amerika
Kaum ein Kind in Amerika, das nicht aufwächst mit der süßen Geschichte der Novizin Maria alias Julie Andrews, die das Leben hinter dicken Klostermauern hinter sich lässt, um vor der Kulisse der Salzburger Berge mit Musik die Herzen des gestrengen Kapitäns von Trapp und seiner Kinder zu erobern. Das Musical in Technicolor prägte für Generationen das Bild von Österreich. In Scharen pilgern sie nach Salzburg, um "Schnitzel with noodles" zu essen, wie es Julie Andrews besingt, und unserer vermeintlichen Bundeshymne "Edelweiß" zu lauschen, die doch aus der Feder des amerikanischen Musical-Duos  Rodgers/Hammerstein stammt.

Und die auf den Spuren einer ach so romantischen Liebesgeschichte wandeln wollen, die für den schillernden Hollywood-Schein nur von der Ferne an der Realität kratzt. Sogar die Trapp-Familie selbst war von der schmalzigen Verdrehung der Tatsachen eher schockiert als geehrt.

Legendäre Geschichte
Ihre Geschichte begann schon lange bevor Hollywood einsetzt: Georg Ludwig Ritter von Trapp kommt 1880 in Dalmatien, damals Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, zur Welt. Als Absolvent der Marineakademie zieht er als Offizier in den Ersten Weltkrieg und kommandiert ein U-Boot. Damals ist er bereits mit seiner ersten Frau Agathe verheiratet – mit ihr bekommt er sieben Kinder. Nach dem Krieg zieht die Familie nach Klosterneuburg, wo Agathe 1922 an Scharlachfieber stirbt. Der reiche Privatier siedelt mit seiner Kinderschar in die Villa Trapp in Aigen in Salzburg um – und holt sich  für die herzkranke Tochter Maria die Novizin Maria Augusta Kutschera, die als Vollwaise ins Kloster Nonnberg eintreten möchte, ins Haus.

Und genau hier setzen das Musical und der Film ein – mit sehr viel Freiheiten im Drehbuch. Hier die größten Abweichungen von der Realität.

Die große Liebe: Während Julie Andrews im Film den strengen Kapitän von Trapp mit ihrer quirligen Art um den Finger wickelt und beide schließlich erkennen, dass sie die große Liebe gefunden haben, war es in Wirklichkeit nicht ganz so romantisch. "Ich liebte ihn nicht. Dafür liebte ich die Kinder, ich habe also eigentlich die Kinder geheiratet", schrieb Maria von Trapp ziemlich nüchtern in ihrer Biografie. Die zwei gemeinsamen Kinder, die das Paar noch vor seiner Flucht nach Amerika bekam, wurden im Film einfach gestrichen (Baby Nummer zehn kam dann in Amerika auf die Welt).

Der Vater: Hart und unnahbar wirkt Georg von Trapp alias Christopher Plummer, mit strenger Hand kommandiert er seinen Nachwuchs. Er bestand zwar auf einheitlichen Matrosenanzügen als Uniform und hatte für jedes Kind einen eigenen Trillerton auf seiner Pfeife, aber ansonsten dürfte er ein liebevoller Mensch gewesen sein. "In Wahrheit war er ein warmer, herzlicher Vater, vielleicht ein bisschen überfordert", schreibt der Autor Tom Santopietro in dem zum Jubiläum erschienenen Buch "The Sound Of Music Story". "Eigentlich war es Maria, die wegen ihrer emotional unterkühlten Erziehung erst einmal auftauen musste."

Der musikalische Background: Im Film herrscht Stille im Hause Trapp, bis Maria den Kindern Musik ins Haus bringt. Georg von Trapp achtete allerdings schon mit seiner ersten Frau sehr auf die musikalische Erziehung der Kinder – sie brachten ihnen sogar einige Instrumente bei. "Meine wirkliche Mutter war sehr musikalisch, sie spielte Geige und Klavier und wir haben alle gesungen, bevor Maria zu uns kam", erinnert sich Maria Franziska 1999 in einem Interview mit "Vanity Fair".

Der Familienchor: Um der Festnahme durch die Nazis zu entkommen, geben sich die Hollywood-Trapps als Familienchor aus, der bei den Salzburger Festspielen vor Partei-Bonzen auftreten muss. Doch eigentlich hatte die Gründung des Chors einen wirtschaftlichen  Hintergrund: Während der Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren verspekulierte die Hausbank das Vermögen der Familie. Um Geld aufzutreiben, nahmen sie Untermieter auf, unter anderem Kaplan Franz Wasner, der das musikalische Ausnahmetalent der Trapps erkennt. Als musikalischer Direktor formt er sie zu einem Chor – und begleitet sie später auch auf ihren Tourneen durch die USA und Europa. Im Film kommt er hingegen gar nicht vor.

Die Flucht vor den Nazis: Hochdramatisch flüchtet der Familienchor auf der Leinwand direkt vom Auftritt in der Felsenreitschule erst ins Kloster und dann über die Berge in die Schweiz – geografisch etwas fragwürdig. "Haben die in Hollywood keine Ahnung von Geografie, Salzburg grenzt nicht an die Schweiz", beschwerte sich Maria von Trapp damals beim Regisseur Robert Wise – und bekam als Antwort: "Hollywood macht sich seine eigene Geografie."

Wie im Film erzählt, lehnte Georg von Trapp die Einberufung in die deutsche Kriegsmarine ab. Auch mit seiner Weigerung, beim Geburtstag von Adolf Hitler am 20. April 1938 mit der Familie zu singen, brachte er die Nazis gegen sich auf. Die Flucht hingegen war weniger dramatisch – sie mussten lediglich den Hinterausgang benutzen und Schienen queren. Mit dem Zug ging es dann nach Italien und von dort weiter nach Amerika, wo sie fortan als "Trapp Family Singers" Erfolge feierten. Die verlassene Villa nutzte SS-Führer Heinrich Himmler als Sommerresidenz.

Spott & Hohn
So spannend die Geschichte der Familie von Trapp auch sein mag, für  ein Musical fehlten dennoch ein paar Zutaten wie Liebe und Gänsehaut. Im deutschsprachigen Raum floppte der Streifen allerdings, und auch das Musical wurde erst 52 Jahre nach seinem Broadway-Erfolg in Salzburg erstmals aufgeführt. Sogar in Hollywood waren nicht alle glücklich mit dem zum Kitsch neigenden Musical-Idyll. "The Sound Of Mucus", "Der Klang von Schleim" taufte Hauptdarsteller Christopher Plummer den Streifen wegen der "Gefühlsduselei" abfällig.

Und auch viele Kritiker prügelten auf das "Zuckerwatte-Kinoerlebnis" ein. Die Zuseher hingegen kümmerte das wenig – mit mehr als 1,2 Milliarden Kinobesuchern weltweit ist "Sound Of Music" auf Platz fünf der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Und wie es aussieht werden auch noch in Jahren Amerikaner in Salzburg Schnitzel mit Nudeln bestellen.

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