Besucher bleiben aus

Stille Nacht in Bethlehem: “Wo sind die Christen?”

Ausland
25.12.2014 13:45
Bethlehem hat sich in Schale geschmissen, zahlreiche Lichterketten schmücken die Geburtsstadt Jesu zu ihrem wichtigsten Fest. Auf der Bühne neben dem Weihnachtsbaum auf dem zentralen Krippenplatz sind Weihnachtsklassiker zu hören. Zumindest für den äußeren Rahmen gilt: Mehr Weihnachten gab es nie. Doch das Gedränge in den engen Gassen der Altstadt bleibt in diesem Jahr aus. Denn wegen der Nahost-Krise haben sich weit weniger Besucher als in der Vergangenheit aufgemacht, um Weihnachten in Bethlehem zu feiern.

Einzig beim traditionellen Einzug des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Fouad Twal, wird es am Mittag etwas eng auf dem Krippenplatz, als Pfadfinder sich ein Handgemenge mit Sicherheitskräften liefern. Ansonsten ist mehr als genug Platz an der Krippe. Vor allem die ausländischen Touristen sind weggeblieben, zum Leidwesen der einheimischen Händler, für welche die Weihnachtstage zu den wichtigsten Einnahmequellen des Jahres gehören.

Seit dem Gaza-Krieg meiden viele Ausländer Betlehem
"Am Ende sind immer wir die Verlierer", sagt etwa Nabil Giacaman. Der Christ aus Bethlehem verkauft traditionelles Kunsthandwerk am Krippenplatz - wenn er Kunden hat. "Nicht mal zehn Prozent" der Einnahmen eines durchschnittlichen 24. Dezember hat er nach eigenen Worten bis zum Abend erzielt - nach einem ohnehin schwierigen Herbst. Seit dem Gaza-Krieg im Sommer, sagt Giacaman, seien die Besucherzahlen stark zurückgegangen. Heute Abend sind es vor allem Einheimische sowie Ausländer, die in Bethlehem im Westjordanland leben und arbeiten.

"Wo sind die Christen?", fragt Pater Elias. Die Mehrheit der Feiernden, sagt der syrisch-orthodoxe Priester aus Jerusalem, seien Muslime - und überhaupt: "So leer wie heute war Bethlehem am Weihnachtsabend in all den Jahren nicht." Die Menschen haben Angst, glaubt Pater Elias. Die politische Großwetterlage - der Gaza-Krieg, der blutige Herbst in Jerusalem und Ausschreitungen am Checkpoint Bethlehem am Vortag - hat Spuren hinterlassen.

Bei denen, die trotzdem gekommen sind, ist von Angst keine Spur. Dikran aus Bulgarien und Salome aus Georgien zum Beispiel. "Die Menschen in Bethlehem sind nett und freundlich, die Stimmung ist super", sagt Salome, die zum ersten Mal in der Geburtsstadt Jesu ist. Die Party auf dem Krippenplatz ist ganz nach ihrem Geschmack, "nur das Feuerwerk fehlt".

"Nicht gerade der Geist einer Pilgerreise", findet hingegen Franco Collodet. Zu Fuß aus Ancona ist der Italiener nach Bethlehem gepilgert, 138 Tage lang quer durch Europa und die Türkei. Erst als er an der syrischen Grenze auf die Miliz des Islamischen Staats stieß, wich er für das letzte Teilstück auf das Flugzeug aus. Da er "ohne konkrete Erwartungen" gekommen ist, stört ihn der ungewohnte Weihnachtstrubel letztlich aber wenig. "Es ist doch schön, so viele Menschen glücklich feiern zu sehen, vor allem in friedlicher Koexistenz."

Patriarch: "Im Strudel des Todes wird weiter alles zerstört"
Koexistenz wird später in der Nacht auch eines der zentralen Stichworte der Weihnachtspredigt von Patriarch Fouad Twal sein. Gott habe Juden, Muslime und Christen im Heiligen Land zusammengebracht, damit sie gleichberechtigt in Harmonie und gegenseitigem Respekt zusammenlebten, predigt Twal in der Mitternachtsmesse in der Katharinenkirche. Stattdessen aber hätten die blutigen Ereignisse dieses Jahres "den Hass und das Misstrauen" zwischen Israelis und Palästinensern vertieft. "Im Strudel des Todes", so Twal, "wird weiter alles zerstört."

Wie nah sich das Land an diesem Strudel befindet, zeigten die Meldungen des Tages vom Gazastreifen. Bei Schusswechseln an der Grenze wurden ein israelischer Soldat schwer verletzt und ein Kommandant der Hamas getötet. Nur wenige Monate nach Ende des Gaza-Kriegs heizt sich die Lage damit wieder gefährlich auf und lässt bei den Menschen in Bethlehem die Befürchtung wachsen, dass die Besucher dem Heiligen Land noch über längere Zeit fernbleiben könnten.

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