Neues Album "Insel"

Deutsch-Popper Juli sind nun endgültig erwachsen

Musik
22.10.2014 15:32
Auf der "perfekten Welle" reiten die Deutsch-Popper Juli schon lange nicht mehr - doch auch mit ihrem vierten Album "Insel" zählt das fünfköpfige Kollektiv mit der Wahlheimat Berlin zu den Genre-Führern des Landes. Sängerin Eva Briegel und Gitarrist Jonas Pfetzing sprachen im "Krone"-Interview zudem über vergangene Probleme mit der Teenie-Presse, die Krux mit der Generation Selfie und warum sich die Bandmitglieder doch ganz gut riechen können.
(Bild: kmm)

Fast genau zehn Jahre ist es mittlerweile her, als aus heiterem Himmel die "Perfekte Welle" über den deutschsprachigen Raum schwappte und dabei in Deutschland und Österreich auf Platz zwei der Single-Charts vorstieß und jeweils mit Gold bedacht wurde. Deutscher Pop-Rock, zu dieser Zeit eher stiefmütterlich in den Bestenlisten zu finden, war dank Juli schlagartig wieder in aller Munde und Sängerin Eva Briegel wurde quasi über Nacht zu einer Art Ikone der "Bravo"-Lesergruppe erkoren. Die sogenannte "Puberträts-Presse" fraß einen Narren an der fünfköpfigen Band aus Gießen. Was damals ein Graus war, sieht Gitarrist Jonas Pfetzing heute im "Krone"-Interview mit einem Schmunzeln.

Die wütende E-Mail
"Anfangs hat uns das wirklich wahnsinnig gestört, aber mittlerweile sind wir aus dem Alter raus. Wir wären für diese Art von Publikum ja gar nicht mehr sexy. Heute würden wir uns vielleicht über Berichterstattung in der Teenie-Presse freuen." Frontfrau Briegel hat noch heute eine ganz bestimmte E-Mail in Erinnerung. "Eine Mutter schrieb sich ihren Frust von der Seele, nachdem ihre Tochter eines unserer Konzerte besucht hat. Das Kind war erst neun Jahre alt. Das Konzert sei unverständlicherweise erst um 20 Uhr losgegangen, es gab keinen Parkplatz vor der Location, keinen abgetrennten Bereich für Kinder, ein T-Shirt hätte 20 Euro gekostet und außerdem wurde auf der Bühne während der zweiten Zugabe eine Zigarette geraucht."

Heute kann die Sängerin darüber lachen. "Wir sind doch kein Kinderprogramm. Ich mache doch keine Musik, nur damit ich dann auf der Bühne aufpassen muss, ob ich 'Scheiße' sage oder nicht." Auch die Fragen der Teenie-Presse gingen ihr zu nah. "'Wie war dein erstes Mal? Wie warst du in der Schule? Wann war dein erster Kuss?' – Wen geht das was an?" Diese Probleme haben Juli heute nicht mehr. Mit "Insel" veröffentlichten die Wahl-Berliner dieser Tage ihr viertes Album, einmal mehr nach einer immensen Wartezeit von vier langen Jahren. "So lange ist das eigentlich gar nicht. Du bringst ein Album raus, tourst und hast dann auch mal frei. Die Zeit vergeht schnell", erklärt Briegel.

Vom Alltag und Scheiß-Geschwurbel
"Außerdem muss ich mich zum Texten wirklich hinsetzen und konzentriert arbeiten. Ich bin zwar kein Frühmensch, aber am kreativsten bin ich am Morgen, wenn ich noch meine Traumhaftigkeit ausnutzen und zu Papier bringen kann. Im Idealfall schon in Zeilen- und Reimform", fügt sie lachend hinzu. Nur über den Alltag singt sie nicht so gerne. "Das kann ich nicht. Ich habe auch schon versucht, einen Text über soziale Ungerechtigkeit zu schreiben. Am Ende denke ich mir aber selbst, was das für ein Scheiß-Geschwurbel ist, dass ich da wieder verfasst habe."

Inhaltsleer sind die zwölf Kompositionen natürlich trotzdem nicht. In "Eines Tages" prophezeit die Band bewusst naiv das Ende von Kriegen, Päpsten, Führern und Welthunger, "2004" ist eine herzerfrischende Ode an die verlassene Heimat Gießen und in "Jetzt" huldigen Juli der Gegenwart. "Viele Leute können den Moment nicht genießen", erklärt Pfetzing, "ein gutes Beispiel ist der Fernsehturm in Berlin. Jeder Tourist ist dort und macht mit ihm ein Selfie. Interessanterweise heben viele Menschen aber nicht ein einziges Mal ihren Kopf, um sich den Turm genauer anzusehen. Man ist doch nur halb da. Das Zeigen des Fotos wird wichtiger als das bewusste Dasein."

Verkrampft und genervt
Volle Konzentration legen Juli jedenfalls in den Arbeitsprozess, der nicht ausschließlich friedlich verläuft. "Wir hatten im Studio wieder einmal so einen Moment, wo sich alles verkrampfte, und dann kam Eva mit der wunderbaren Idee, für zehn Tage auf einem Hausboot zu sein", erzählt Pfetzing, "es war eine schöne Flucht aus unseren Problemen. Dass dabei auch noch das Foto für das CD-Cover entstand, war eine glückliche Fügung." Briegel ergänzt lachend: "Früher haben wir uns im Proberaum oft gegenseitig genervt und hatten schon den Verdacht, dass wir uns vielleicht gar nicht mögen. Das stimmt aber nicht, wir müssen dann nur aus der Routine ausbrechen."

Das gelingt den Chartstürmern mit "Insel" auch musikalisch, schließlich sind Juli noch nie zuvor so gereift und überlegt an die Sache herangegangen. Selbst wenn es wohl nichts mit der Nummer eins in den Charts wird, haben Eva Briegel und Konsorten zumindest die Teenie-Presse hinter sich gelassen. Auch eine Art von "perfekter Welle".

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