Mit neuem Album „Next“

Kendra Morris: Es geht immer um den Faktor Zeit

Musik
29.12.2025 06:00

Vor mehr als 20 Jahren zog die Soul-Stimme Kendra Morris vom sonnig-freien Florida ins kühle und rauere New York. Für die Musik und auch privat eine gute Entscheidung, wie auch ihr diffiziles neues Album „Next“ beweist. Im „Krone“-Talk gibt uns die 44-Jährige weitere Einblicke in das Leben einer Vollblutkünstlerin und liebenden Mutter.

kmm

Wuschelhaare à la Rod Stewart, übergroße Hipsterbrille und dazu eine Soul-Stimme, bei der sogar Aluminiumstäbe weich wie Butter werden - so könnte man Sängerin Kendra Morris in wenigen Worten zusammenfassen. Genre-Fans kamen bei ihrem bislang einzigen Österreich-Auftritt im März 2023 im Wiener B72 in den Genuss ihrer Liedkunst, zu der Zeit hatte die Wahl-New-Yorkerin schon eine geschlagene Karriere hinter sich. Für ihr neues Album „Next“ ging Morris aber so richtig in die Vollen. Zwei Jahre lang arbeitete sie akribisch an den zehn Songs, die sie dann mit ihrer Band live in Loveland, Ohio aufgenommen hat. Das erste Jahr arbeitete sie ausschließlich an der Musik, den Songs und ihrem Gesang, das zweite Jahr an einem familiengerechten Brettspiel, das sich mit dem Album perfekt kombinieren lässt. „Wenn du dich auf das Album einlässt, dann wirst du es richtig fühlen“, kündigte sie im Vorfeld der Veröffentlichung an. Das hört man auch der extrem reduzierten, total auf ihre Stimme fokussierten Scheibe an, bei der sie sich vor allem in Songs wie „Dear Buddy“ oder „Bill“ in voller und vielseitiger Pracht präsentiert.

New York als Karrierepush
Die Liebe zur Musik war Morris in die Wiege gelegt. Ihre Eltern waren Riesen-Musikfans und stellten die heimischen Regale voll mit Soul- und Funk-Platten aus den späten 60er- und frühen 70er-Jahren. Mit einer Karaoke-Maschine sang sich klein Kendra als Kind auf imaginäre Bühnen – einige Zeit später sollte dieser Traum zur Wirklichkeit werden. Die Schule im damals noch heimischen Tampa, Florida, schmeißt sie hin, weil sie von unterschiedlichen Musikern als Sänger engagiert wird. Elementar war der 2004 vollzogene Umzug von Florida nach New York, der für Morris alles veränderte. „Meine Familie lebt in Florida am Strand, dort ist alle gemütlich und viel billiger als in New York“, erzählte sie uns im „Krone“-Talk, „das mag alles gut und schön sein, für eine Karriere ist es aber nicht so förderlich. In New York herrscht schon von Grund auf so eine Betriebsamkeit, dass man automatisch angetrieben wird und sofort in den Arbeitsmodus kommt. Man muss sich ständig pushen und Erfolge feiern, sonst könnte man sich das Leben dort nicht leisten.“

2011 veröffentlicht Morris ihr Debütalbum „Banshee“, die Cover-Scheibe „Mockingbird“ folgt auf dem Fuß und ihre soulige Version des Pink Floyd-Covers „Shine On You Crazy Diamond“ bringt sie 2013 nicht nur in Colin Farrells Film „Dead Man Down“, sondern auch in die Notizbücher diverser Musiktalente-Scouts. Trotz Morris‘ beeindruckender Stimmleistung, ihrem mehr als soliden Gitarrenspiel und der offenkundigen Liebe für die Bühne wollte sich der Durchbruch auch in der betriebsamen Atmosphäre New Yorks nie so richtig einstellen. Neben der eigenen Musik kokettiert die 44-Jährige dafür gerne mit anderen Genres. So singt sie auf Songs der Erfolgsrapper MF Doom und Ghostface Killah (Wu-Tang Clan). „Es geht in der Musik darum, authentisch und zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein. Ich habe mich nie limitiert oder auf ein Genre festgelegt, bin etwa auch für Punkrock oder Metal offen, wenn das Projekt passt. In diesem Leben wird aus mir sicher keine ,Nein-Person‘ mehr“, schmunzelt sie.

Alles ist erlaubt
Obschon Morris ihr musikalisches Seelenheil deutlich hörbar im Soul findet, sind ihr stilistische Schlenker seit jeher nicht fremd. „Es ergeben sich im Leben immer neue Wege und Kurven, die man nehmen muss, um die nächsten Schritte zu schaffen. Bei meiner Reise geht es nicht darum, Awards oder Beliebtheitswettbewerbe zu gewinnen, sondern Erfahrungen zu sammeln und präsent zu sein. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, um zu bemerken, dass der Moment das Wichtigste ist. Vor zehn Jahren ließ ich das Leben oft an mir vorbeistreichen, habe mich zu wenig darauf konzentriert und fokussiert. Das ist heute definitiv anders.“ Neben der Musik ist Morris auch in anderen Bereichen aktiv, kümmert sich um Visuals und grafische Dinge und hat auch ihre finanzielle Welt ziemlich gut im Griff. „Ich komme aus einem sehr künstlerischen Haushalt. Das Motto war immer, alles auszuprobieren, weil alles erlaubt war. Diese Vielseitigkeit hat mich geprägt und begleitet mich weiter.“

Zum Soul-Superstar hat es Morris trotz der vielen Musik und Mühen noch nicht gebracht, auch wenn man sie von Etta James über Prince bis hin zu Charley Bradley oder Mayer Hawthorne schon in übergroße Schubladen stopfen wollte. Zuschreibungen von außen haben Morris noch nie aus dem Tritt gebracht, dafür arbeitet sie zu beharrlich und klar, für sich definiert an ihren eigenen künstlerischen Dingen und Strukturen. „Mein Sound ist stark von den Dingen definiert, die ich im Alltag erlebe. Sitze ich in der U-Bahn in New York und sehe eine Frau weinen, dann interessiert mich die Geschichte dahinter. Oder ich male mir eine aus und kann daraus einen Song basteln. Farben üben eine besonders große Faszination auf mich aus und die Musik ist für mich eine einzige große Palette voller Farben, aus denen man schöpfen kann und mit denen sich malen lässt.“

Die Prioritäten richtig gesetzt
Morris ist aber nicht nur Vollblutkünstlerin, sondern auch stolze Mutter einer heute zehnjährigen Tochter. Eine Tatsache, die so manche fest geglaubte Priorität in ihrem Leben ins Wanken gebracht bzw. neu geordnet hat. „Die größte Veränderung war von Anfang an das Zeitmanagement. Ein Kind definiert deinen Tagesplan und du folgst diesem Plan, weil die Zeit mit einem Kind sehr begrenzt ist und alles so schnell vorbeizieht. Als meine Tochter noch klein war, haben mir andere Mütter immer gesagt, man müsse die Zeit nützen, wenn das Baby schläft, um selbst zu schlafen. Das habe ich schon damals nicht verstanden. Die Zeit nützte ich, um Videos zu schneiden, Ideen aufzuschreiben oder die Kreativität anderweitig zu kanalisieren. Mein Kind hat mich aber gelehrt, dass nicht Geld und Erfolg, sondern die Zeit das Wichtigste im Leben ist. Wir alle leben heute in künstlichen Social-Media-Blasen und virtuellen Welten – der Faktor Zeit wird dadurch immer relevanter.“ Für das neue Album „Next“ hat Morris ihre Zeit jedenfalls sinnvoll genützt. Auch wenn der Schritt aus dem Underground auch damit nicht gelingen wird.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt