Von wegen Tradwife: Deutschrapperin Ikkimel ist binnen eines Jahres zu einer Sensation geworden. Sie singt übers „Bumsen“, Männermorde und Drogen. In Graz huldigte ihr am Sonntag erstmals ein restlos ausverkauftes ppc. Was macht die Faszination aus?
Wie künstlerisch wertvoll etwas ist, kann man freilich nicht (nur) an ökonomischen Faktoren messen. Aber wenn jemand zu einer Sensation wird, zeigt sich das: Eine Stunde nachdem die Berliner Rapperin Ikkimel den Link zu den Tickets in ihrer Instagram-Story gepostet hatte, war das Grazer ppc ausverkauft. Wer am Sonntag vor dem Konzert noch spontan ein Ticket erstehen wollte, musste dafür im Wiederverkauf bis zu 180 Euro hinlegen – das viereinhalbfache des Originalpreises.
Sodann betrat „Mutter Ikki“ die Bühne mit ultrakurzem Rock, Pelzkapuze, Kreolen und Glitzer-Mikro. Minutenlang dauerte der Jubel, bevor das Konzert überhaupt angefangen hatte. Graz liebt „Europas größte F*tze“ – so heißt Ikkimels aktuelle Tour. „Ich will einfach viel bumsen. Ich mag‘s einfach“, sagt sie fast wie als Rechtfertigung – Melina Gaby Strauß (so heißt sie bürgerlich) weiß genau, dass sie polarisiert.
Nur so, wie sie es will
Wer denkt, dass Ikkimel sich zum hypersexuellen Objekt männlicher Begierde macht, der irrt gewaltig. In einer Welt, in der junge Frauen mit einer immanenten Angst vor männlicher Gewalt leben müssen, in der man sie als „Schlampen“ verächtlich macht, wenn sie zu ihrer eigenen Sexualität stehen, bietet Ikkimel Befreiung. Von wegen Tradwife-Ideal: Teenager stehen bei ihrem Konzert leicht bekleidet in der ersten Reihe und lassen sich von „Mutter Ikki“ in den Mund spucken. Lust geht in diesem Kosmos nur von einer Seite aus – der Weiblichen. Fehlt der Konsens, ist der Spaß vorbei: „Nach sieben Wodka-Soda weiß ich nicht mehr, wie ich heiße / Aber du schon, du Hurensohn“, rappt sie im Hit „Who‘s that“. Und beim Konzert ermutigt sie ihre Fans, sich gegen Übergriffe zu wehren.
Viel eher sind es die Männer, die sie in ihren Texten degradiert und sexualisiert. „Schnauze halten, Leine an, Schatz, jetzt sind die Weiber dran“ heißt es etwa in „Böser Junge“. Oder noch expliziter in ihrem neuen Track „Giftmord“: „Ermorde den Hurensohn, wenn er grade nicht hinschaut.“ Das ist ebenso kalkulierte Provokation wie das Liebeslied über ihren Kokaindealer, im jahrzehntelang von Männern dominierten Deutschrap aber dennoch nichts Neues.
Ikkimels Fans ist das egal. Sie hängt sich einen schwarzen Umhang um und führt ein Ritual auf – „für mehr Koitus“. Eineinhalb Stunden lang hält sie im ppc die Menge am Kreischen. Eine religiöse Erfahrung für die neue Hohepriesterin des Deutschraps, die beim nächsten Mal in Graz wohl auch die Stadthalle füllen könnte.
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