Von Protesten begleitet hat am Dienstagabend das Dinghofer-Symposium der FPÖ im Parlament stattgefunden. Zeithistoriker und die anderen Parteien sahen die Veranstaltung, zu der Nationalratspräsident Walter Rosenkranz geladen hat, als posthume Ehrung eines deklarierten Antisemiten. Rosenkranz will die Veranstaltung auch im kommenden Jahr am gleichen Ort abhalten.
Aus Gedenkkultur sei in letzter Zeit eine „Erregungs-, Skandalisierungs- und Verleumdungsunkultur“ geworden, kritisierte der FPÖ-Politiker in seinen Eröffnungsworten bei der Veranstaltung zum Thema „Zensur und Ideologisierung – die Freiheit in Gefahr“ vor gut hundert Besuchern. Die Kritik von Zeithistorikern um Oliver Rathkolb und Helmut Konrad, die per offenem Brief gegen das „ehrende Erinnern an einen deklarierten Antisemiten und Nationalsozialisten“ mobil gemacht und die aktuellen Proteste ausgelöst hatten, konnte Rosenkranz nicht nachvollziehen. Immerhin stehe dessen Name auf einer Gedenktafel am vorderen Portikus und das sei nach der Renovierung des Hauses für Ordnung befunden worden. Enthüllt habe diese übrigens der damalige SPÖ-Nationalratspräsident Heinz Fischer.
Der FPÖ-Abgeordnete und Präsident des Dinghofer-Instituts, Martin Graf, rückte ebenfalls zur Verteidigung Dinghofers aus. Dieser werde aus politischem Interesse ohne Faktengrundlage zum NSDAP-Mitglied abgestempelt, diese Behauptung sei „niederträchtig“. Es gebe eine Karteikarte zum Parteianwärter, eine Mitgliedschaftskarte sei aber nie ausgestellt worden und es seien auch keine antisemitischen Aussagen Dinghofers bekannt. Vielmehr sei er nach dem „Anschluss“ als OGH-Präsident vorzeitig abgesetzt und sein Familienbesitz durch Nationalsozialisten enteignet worden.
Der großdeutsche Politiker Franz Dinghofer (1873-1956) war von 1907 bis 1918 Linzer Bürgermeister, später war er Vizekanzler, Dritter Nationalratspräsident und bis 1938 Präsident des Obersten Gerichtshofs. Laut Auskunft des Bundesarchivs in Berlin war Dinghofer NSDAP-Mitglied. Er habe sich 1940 um die Aufnahme in die NSDAP bemüht, diese sei ihm bereits nach zweieinhalb Monaten gewährt worden. In der Nachkriegszeit wurde er einfaches Mitglied des VdU, der Vorgängerorganisation der FPÖ. Das nach Dinghofer benannte Symposium wird von der FPÖ seit 2010 im Parlament und im vom Parlament genutzten Palais Epstein veranstaltet, um der Gründung der Ersten Republik zu gedenken.
Gegenveranstaltung mit prominenten Teilnehmern
Vor dem Hohen Haus fand parallel zur FPÖ-Veranstaltung ein „Protest-Symposium“ der Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen (JöH) unter dem Titel „Gegen Geschichtsvergessenheit und Nazi-Ehrung im Parlament“ statt. Vor der Rampe waren weiße Sessel aufgebaut, der Vizepräsident des World Jewish Congress (WJC), Ariel Muzicant, die Schriftsteller Doron Rabinovici und Susanne Scholl sowie die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger, hielten Reden.
IKG-Präsident: FPÖ huldigt rabiaten Antisemiten“
IKG-Präsident Oskar Deutsch hatte per X zur Teilnahme aufgerufen. „Die FPÖ huldigt einem rabiaten Antisemiten und Nationalsozialisten; und zwar nicht in den üblichen Kellern, sondern im Hohen Haus“, kritisierte er einmal mehr. Schon am Dienstagvormittag hatten rund 30 Vertreter von Sozialistischer Jugend Österreich (SJÖ) und Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) Rosenkranz per Transparent und Redebeiträgen zum Rücktritt aufgefordert.
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