"Politik im Blut"

EU-Wahl: BZÖ trumpft mit Haiders Tochter auf

Österreich
25.02.2014 16:27
Jörg Haiders Tochter geht in die Politik - als Spitzenkandidatin des BZÖ bei der Europawahl im Mai. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht Ulrike Haider-Quercia (37) über politische und persönliche Motive, über Vorwürfe, ihr Vater hätte das Hypo-Desaster zu verantworten, und seinen Unfalltod vor fünfeinhalb Jahren.

Schloss Wilhelminenberg, ein Tag vor ihrer Kandidatur. "Jetzt kann ich gleich ein bisschen üben", scherzt Ulrike Haider und setzt sich erwartungsvoll an den Tisch der sonnendurchfluteten Bibliothek. Zum hellgrauen Kostüm trägt sie ein buntes Wolltuch und antike Ohrstecker. Die Juristin ist ungeschminkt, ihre langen, brünetten Haare hat sie locker im Nacken zusammengebunden. Die Ähnlichkeit mit Jörg Haider ist verblüffend, vor allem, wenn sie lacht.

Nicht weit von hier, im Wilhelminenspital, ist sie 1976 zur Welt gekommen - damals studierte ihre Mutter in Wien, und ihr Vater war Assistent an der Universität. 1977 übersiedelte die Familie nach Kärnten. Fünfeinhalb Jahre nach Jörg Haiders Tod tritt die erstgeborene Tochter nun sein politisches Erbe an. Für das BZÖ will sie bei den EU-Wahlen im Mai "mindestens ein Mandat" erobern.

Abstimmung in der Infobox: Kostet Haiders Tochter Strache Stimmen?

"Krone": Frau DDr. Haider-Quercia, legen Sie Wert auf die Doppeldoktorin und den Doppelnamen?
Ulrike Haider: Es ist mein Titel und mein Name, aber auf dem Stimmzettel wird aus Platzgründen nur Dr. Ulrike Haider stehen.

"Krone": Die Nachricht, dass Sie in die Politik gehen, kommt überraschend. Warum tut sich das eine erfolgreiche Juristin an?
Haider: Es gibt natürlich mehrere Gründe. In erster Linie aber habe ich eine ganz besondere Beziehung zu Europa. Ich gehöre der Erasmus-Generation an, habe in Paris studiert, von der EU profitiert. Damals haben sich für uns alle Türen geöffnet. Aber mittlerweile sind auch viele Türen wieder zugegangen. Wir haben hohe Staatsverschuldungen: Österreich hat grad' ein neues Steuerpaket beschlossen. Wir haben hohe Arbeitslosenquoten, trotz guter Ausbildung können viele am Arbeitsmarkt nicht reüssieren. Wir stehen vor einer schwerwiegenden Krise im Währungssystem. Da braucht es viel Engagement von der Europa-Generation, zu der ich mich zähle. Das heißt, man muss auch mitgestalten, denn Europa ist unsere Zukunft.

"Krone": Sie haben für Ihr Engagement eine Partei gewählt, die bei den letzten Wahlen aus dem Parlament geflogen ist und bei den letzten EU-Wahlen nur 4,6 Prozent geschafft hat. Warum?
Haider: Weil mein Vater diese Partei gegründet hat. Wenn das BZÖ bei der Europawahl nicht antreten würde, ich wüsste nicht, wen ich wählen sollte. Deshalb habe ich diese Lebensentscheidung getroffen.

"Krone": Sie hatten schon 2009 dieses Angebot, warum haben Sie erst jetzt Ja gesagt?
Haider: Es war auch diesmal ein langer Prozess. Erste Gespräche mit dem BZÖ hat es im Dezember in Rom gegeben. Dann haben wir uns zum Jahreswechsel im Bärental getroffen. Vielleicht habe ich deshalb so entschieden, weil mir die Politik doch auch ein bisschen im Blut liegt...

"Krone": Mit wem haben Sie sich beraten?
Haider: Mit meinem Mann natürlich. Die Vereinbarkeit von Job und Familie war schon jetzt nicht ganz einfach (lacht). Aber auch meine Mutter war dafür und sogar die Oma - Dorli ist schon 95 Jahre alt - hat gemeint: "Europa ist genau deins! Mach's!"

"Krone": Tun Sie es für Ihren verstorbenen Vater?
Haider: Nein, es ist wirklich mein ganz persönliches Engagement. Aber ich habe mich auch an ein Gespräch mit ihm erinnert. Als Ulli Sima, die Tochter des Landeshauptmanns Sima, in Wien Gemeinderätin wurde, hab' ich mit ihm diskutiert. Damals sagte er: "Du, ich hätte eine Freud', wenn du das auch einmal machen würdest."

"Krone": Ein schlechteres Timing könnte man sich dafür gar nicht aussuchen: Österreich ist schwer geschockt von der Hypo-Katastrophe, Ihr verstorbener Vater war nicht ganz unbeteiligt daran... Haben Sie keine Angst davor, sich ständig verteidigen zu müssen?
Haider: Nein, denn ich sehe es als Chance, einiges richtigzustellen. Für mich ist das ein Auftrag, keine Last. Ich lehne es ab, dass man den Namen Jörg Haider benutzt, um von allem abzulenken, was in dieser Republik im Moment falsch läuft. Es ist sicher nicht richtig, ihm die alleinige Verantwortung umzuhängen, dadurch wird sein Name beschmutzt und auch meiner, der Name meines Mannes und meines Sohnes und der restlichen Familie.

"Krone": Sie sprechen von alleiniger Verantwortung. Aber Jörg Haider war jedenfalls mitverantwortlich...
Haider: Mein Vater hat 40 Jahre für Österreich gearbeitet, er hat die Demokratie verbessert, hat die Menschen für Politik begeistert. Man versucht jetzt, das alles zu zerstören. Er hatte aber in Kärnten nie eine absolute Mehrheit, das war ihm leider Zeit seines Lebens nicht gegönnt. Das heißt, ÖVP oder SPÖ haben seine Entscheidungen mitgetragen. Wenn es also Verfehlungen gegeben hat, hätten die politischen Partner schon damals darauf aufmerksam machen müssen. Was die Hypo betrifft: Mein Vater hat diese Bank 2007 verkauft. Ich habe nie die Notwendigkeit gesehen, die Hypo zurückzukaufen. Das hat Josef Pröll zu verantworten.

"Krone": Wie erklären Sie sich die Notverstaatlichung?
Haider: Es muss geklärt werden, ob der Rückkauf durch die Republik Österreich deshalb so schnell über die Bühne gehen musste, weil der damalige Finanzminister möglicherweise unter Druck von Raiffeisen gestanden ist.

"Krone": Sehen Sie sich als Anwältin Ihres Vaters?
Haider: Mein Vater braucht keinen Anwalt. Ich bin aber stolz, einen Vater gehabt zu haben, der Österreich so nachhaltig verändert hat...

"Krone": Um den Tod von Jörg Haider ranken sich bis heute abenteuerliche Gerüchte bis hin zu Verschwörungstheorien. Wie denken Sie über den Unfall am 10. Oktober 2008?
Haider: Sein Tod war ein Schock für uns. Danach hat man versucht, sein Andenken zu zerstören. Mein Vater war ja wochenlang auf den Titelseiten. Es war schwer, zur Ruhe zu kommen. Ich hoffe, dass einmal Licht ins Dunkel kommen wird...

"Krone": Was meinen Sie damit? Ihr Vater war mit zu hoher Geschwindigkeit und stark alkoholisiert unterwegs...
Haider: Ich glaube nicht an die Alkoholisierung. Da ist vieles nicht stimmig. Die Familie hat immer wieder gefordert, dass der Unfallhergang neu untersucht wird. Der Tod ist bis heute nicht aufgeklärt.

"Krone": Sie glauben, dass es kein Unfall war?
Haider: Ich glaube, dass sich im Leben nichts verheimlichen lässt. Die Zeit wird für uns arbeiten. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

"Krone": Was nehmen Sie von Ihrem Vater in Ihre politische Karriere mit?
Haider: Seine Freude an der Politik. Durchaus auch den Europagedanken - mein Vater wollte immer eine Europapartei gründen.

"Krone": Ist Ihnen bewusst, wie oft Quereinsteiger schon gescheitert sind?
Haider: Ich sehe mich nicht als Quereinsteigerin! Wenn man sich die Spitzenkandidaten der anderen Parteien ansieht, dann sind das eher Leute, die schon am Ende ihrer Karriere stehen. Die werden in Brüssel eher versorgt.

"Krone": Sie stehen am Anfang?
Haider: Ich stehe mittendrin.

"Krone": Was ist Ihre intensivste Erinnerung an Ihren Vater?
Haider: Das war bei meiner Hochzeit. Wir haben die ganze Hochzeitsgesellschaft warten lassen und sind noch zu zweit auf ein Glas Sekt gegangen. Daran denke ich sehr oft. Auch, wie er mich dann zum Traualtar geführt hat. Mein Vater war immer so präsent. Als ich meine Doktorarbeit an der Uni in Catania vortragen musste, hat er eine Regierungssitzung platzen lassen... Er fehlt mir jeden Tag. (Bilder vom Begräbnis Haiders: siehe kleine Bilder 4-6. Bild 7 zeigt Ulrike Haider mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, ihrer Mutter Claudia und Sohn Giorgio-Jörg am Todestag Haiders.)

elia ist drei Jahre jünger). Jus-Studium in Wien und Paris. In Catania studiert sie Politikwissenschaften und graduiert an der Universität Neapel zum Master in Parlamentsrecht. Die doppelpromovierte Neo-Politikerin unterrichtet an der Universität Rom Verfassungsrecht. Sie ist auch Autorin zweier Bücher zum Thema politische Grundrechte und Minderheitenschutz. Verheiratet mit dem italienischen Politikberater Paolo Quercia (Eindrücke von der Hochzeit: siehe kleine Bilder 1-3), ihr gemeinsamer Sohn Giorgio-Jörg ist zweieinhalb Jahre alt.

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