Ein ungewöhnliches Delikt wurde am Montag am Landesgericht in Graz verhandelt: das Vergehen der Mehrfachehe. Ein 55-Jähriger heiratete seine neue Frau, ohne von seiner alten rechtskräftig geschieden zu sein. Das brachte ihm drei Monate Haft auf Bewährung ein.
„Ein ungewöhnliches Delikt“, sagt Richter Erik Nauta zu Beginn des Prozesses. „Ich hatte in all den Jahren dieses Delikt genau ein Mal, ich habe extra nachgesehen.“ – „Ein Mal mehr als ich, Herr Rat“, schmunzelt Verteidiger Martin Sauseng, „in 20 Jahren Berufserfahrung habe ich das noch nie verhandelt.“
Bei dem ungewöhnlichen Delikt handelt es sich um das Vergehen der mehrfachen Ehe. In §192 des Strafgesetzbuches heißt es dazu: „Wer eine neue Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“ Eine wahrlich hohe Strafdrohung.
„Hat sich keine Gedanken gemacht“
Wie kam es dazu? „Mein Mandant ist 2020 zu einem Anwalt gegangen und hat ihn gebeten, seine Scheidung zu erledigen. Dann ist er sofort in seine alte Heimat (Liberia, Anm.) geflogen und hat dort seine zweite Frau geheiratet“, führt der Verteidiger aus. „Dass es so lange dauerte, bis eine Scheidung durch ist, darüber hat er sich keine Gedanken gemacht. Er dachte, es ist mit dem Auftrag an den Anwalt erledigt.“ Quasi ein Irrtum.
Die Leute kommen zu uns und glauben, so eine Scheidung ist in zwei Minuten erledigt.
Der Anwalt des Angeklagten
Aufgeflogen ist die Mehrehe erst Jahre später durch das Magistrat Graz, als der Angeklagte die Geburt seines vierten von fünf Kindern – drei hat er mit seiner ersten Frau – eintragen ließ. Dort fiel die Doppelgleisigkeit auf. „Wir waren schon lange getrennt“, schildert der 55-Jährige, der seit 29 Jahren in Österreich lebt, Richter Erik Nauta in etwas gebrochenem Deutsch. „Englisch ist mir lieber“, meint er. Es gab immer Probleme mit seiner ersten Frau, die er 2012 geheiratet hat. „Wir konnten einfach nicht zusammen leben.“
Richter: „Da muss man geduldig sein“
„So ist das mit der Liebe“, zuckt der Richter die Schultern. „Da muss man dann halt geduldig sein.“ – „Die Leute kommen zu uns und glauben, so eine Scheidung ist in zwei Minuten erledigt“, ergänzt der Anwalt. Aber die Scheidungsklage hätte länger gedauert als gedacht.
Weil der 55-Jährige unbescholten und geständig ist, fällt das (nicht rechtskräftige) Urteil mit drei Monaten auf Bewährung milde aus. „Und wie läuft Ihre zweite Ehe?“, fragt der Richter abschließend. „Alles super, danke, wirklich super“, lacht der Angeklagte und spaziert erleichtert zur Tür hinaus.
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