„Die verkaufte Braut“ kehrt am Sonntag nach über 36 Jahren in die Wiener Staatsoper zurück. Der Deutsche Dirk Schmeding inszeniert Smetanas populäres Meisterwerk in neuer Übersetzung. Wir haben mit ihm gesprochen.
„Krone“: Viermal hat Friedrich Smetana seine Oper überarbeitet und wollte sogar noch daran weiterarbeiten. Welche Fassung inszenieren Sie?
Dirk Schmeding: Wir machen die letzte Fassung mit den Rezitativen, obwohl mich die Singspielfassung tatsächlich auch sehr interessiert. Ich mag gerne solche Stücke, die irgendwo zwischen den Stilen und Stühlen sitzen, die nicht so richtig fertig geworden sind. Man hat als Regisseur dann noch ein wenig Luft zum Atmen, kann ein bisschen etwas erfinden. Es ist ein sehr offenes Material. Man muss viele Entscheidungen selbst treffen.
Smetana ist bekanntlich deutschsprachig aufgewachsen, hat erst später Tschechisch gelernt. Wie sieht es also mit der Sprache der „Verkauften Braut“ aus?
Der erste Entwurf des Stücks war tatsächlich auf Deutsch, bevor er für die Uraufführung ins Tschechische übertragen wurde. Unser Dirigent Tomáš Hanus ist unser Kronzeuge dafür, dass im Tschechischen immer wieder Sand im Getriebe des Wort-Ton-Verhältnisses ist und wie wenig idiomatisch das Tschechische mitunter vertont ist.
Und deshalb eine deutsche Fassung? In der Übersetzung von Max Kalbeck ging die „Braut“ 1896 von Wien aus um die Welt.
Natürlich war der erste Impuls, es in Originalsprache zu machen. Aber es ist schön, dass man das überprüfen durfte. Dann hat es auch damit zu tun, dass ich finde, dass Komödie direkt verständlich sein muss. Nur die Kalbeck-Übersetzung ist beinahe stückverfälschend. Ähnlich wie die Max-Brod-Übersetzungen der Janáček-Opern, da kommen beinahe ganz andere Stücke dabei raus. Und uns war es wichtig, diesen sehr direkten und sehr klaren Ton des Original-Librettos zu treffen. Dann sind wir auf die Übersetzung von Carl Riha und Winfried Höntsch für Walter Felsenstein gestoßen, die sehr nah am Original ist. Sie hat aber schon ein wenig Patina angesetzt, daher sind wir noch einmal drüber gegangen.
Kleinbauer Krušina hat sich beim Großgrundbesitzer Mícha verschuldet. Daher „verkauft“ er seine Tochter Mařenka mit Hilfe des geschwätzigen Vermittlers Kezal. Sie soll Míchas Sohn aus zweiter Ehe, Muttersöhnchen Vašek, heiraten.
Doch Mařenka liebt den fremden Burschen Jeník – und er sie. Das sorgt für Turbulenzen: Mařenka versucht mit Gewalt-Androhungen Vašek die Ehe zu vermiesen. Aber der verliebt sich ohnehin in eine Tänzerin und will zum Zirkus.
Kezal bietet dann sogar Jénik Geld, wenn er auf Mařenka verzichtet. Der willigt sofort ein, allerdings unter der Bedingung, dass nur Míchas Sohn Mařenka heiraten darf … natürlich wissend, dass er selbst dessen verstoßener Spross aus erster Ehe ist.
Die Hauptrollen, Mařenka, Jeník und Kecal, sind mit Slávka Zámečníková, Pavol Breslik, Peter Kellner allesamt mit Slowaken besetzt.
Unsere slowakische Nationalmannschaft!
Und die singt jetzt diese tschechische Vorzeige-Nationaloper auf Deutsch?
Sie sprechen das alle ganz toll. Nur der arme Pavol Breslik, der musste mittlerweile die vierte deutsche Fassung lernen.
Und was ist das jetzt für ein Stück in der neuen Übersetzung? Ist es komisch? Hat es einen ernsten Kern?
Die interessante Frage ist immer die nach der Komik. Was ist eigentlich komisch? Ganz viel von dem, was uns in der Oper immer als Komödie verkauft wird, ist, wie man heute sagt, so „Opera funny“. Das interessiert mich nicht besonders. Smetana hat sich von den komischen Opern Mozarts inspirieren lassen. Doch was ist das Dramma giocoso im „Don Giovanni“? Ist „Cosí fan tutte“ eine komische Oper? Ich würde sagen, ja. Aber eine, in der sich die Menschen übelst wehtun.
In der verkauften Braut geht es aber auch brutal zu?
Absolut. Das ist der Punkt. Sie besitzt sicherlich auch keine Operettenkomik. Es fehlt die ironische Distanz. Operette verlacht doch oft die Verhältnisse. Doch Smetana hat einen ganz wertfreien Blick auf diese Figuren, in all ihren Nöten. Und die Komik entsteht aus diesen Nöten, entsteht aus den Situationen heraus. So, dass einem sprichwörtlich das Lachen im Hals stecken bleibt. Aber auch so, dass das Lachen eine extrem heilsame Wirkung hat.
Aber wie lustig muss es überhaupt sein?
Genau, das ist der Balanceakt. Das ist das Interessante an diesem Stück. Man muss permanent die Entscheidung treffen. Es ist ein Drahtseilakt. Es hat natürlich bitterböse und ganz traurige und ganz verzweifelte Momente. Weil wir es mit lauter Einzelkämpfern zu tun haben. Die alle um ihr Zipfelchen Glück kämpfen. Um Anerkennung. Um die Emanzipation von der Familie. Um ihre Liebesutopien. Und weil die alle ihre gefühlte Wahrheit, mit Zähnen und Klauen verteidigen. Das ist natürlich das, wo die Funken springen.
Wie national ist die Oper?
Da ist das Stück sehr vereinnahmt worden. Und wenn man sich Smetanas Korrespondenz anguckt, hatte er zu diesen Vorgängen ein ambivalentes Verhältnis – übrigens auch dazu, dass ausgerechnet die „Verkaufte Braut“ sein erfolgreichstes Stück wurde.
Wie sehr spielt Ihre Inszenierung auf dem Dorf?
Als ich das Stück kennengelernt habe, habe ich das in einer total musealen Inszenierung gesehen. Das spielte wirklich drei Akte lang in einem großen Heuschober. Das bringt dem Stück nur insofern etwas, als natürlich die Figuren eine gewisse Erdung brauchen. Die haben allesamt einen relativ engen Horizont. Und das ist wichtig. Das ist kein großstädtisches Milieu.
Andererseits geht es in dem Stück die ganze Zeit darum, dass sich die Figuren noch nicht kennen. Warum erkennt eigentlich niemand den Jeník? Es widerspricht erst mal unserer Annahme von Dorf, in dem jeder jeden kennt und weiß, wer mit wem ins Bett steigen will. Aber schon die Ouvertüre beschreibt ein Dorf im Ausnahmezustand. Es ist Kirmes, es fließt Alkohol, da sind Leute im Rausch und im Taumel, so dass sich Figuren plötzlich verlieren, dass sie sich im Getümmel suchen müssen.
Es darf auch ein bisschen Märchen sein?
Das finde ich den entscheidenden Punkt. Wir haben versucht, dem Stück auch ein paar surreale, traumhafte Momente zu geben. Um das ein bisschen zu befreien aus diesem Nase bohrenden Bauern-Realismus. Das ist vielleicht auch der einzige Grund, warum ich ein bisschen was gegen Folklore hätte.
Also keine Folklore?
Nein. Ich mag den Begriff nicht einfach vom Tisch wischen. Aber es gibt keine Trachten. Gleichzeitig ruft die Oper nach einem gewissen Schauwert. Das möchte man natürlich auch bedienen.
Wo verorten Sie ihre Inszenierung zeitlich?
Es hat ein bisschen etwas Zeitloses. Es gibt ein paar Anleihen in den Kostümen an die 50ern oder 70ern. Und gleichzeitig, wenn man hier an den Würstelstand geht oder in eine der Kneipen beim Naschmarkt, da sitzen Leute, die könnten noch aus den 70er-Jahren kommen. Dieses Feeling hat man ein wenig auch auf dem Dorf.
Ihr Finale spielt im Zirkus?
Bei Smetana ist es eigentlich ein Wanderzirkus. Wir haben uns entschieden, das Wandern da rauszulassen und den Zirkus mehr als Gesamtmetapher für den dritten Akt zu begreifen. Denn alle Figuren agieren im Grunde wie in der Manege, im Getriebe, in der Performance. Es stellt sich auch die Frage, warum weiht Jeník seine Mařenka denn nicht in seine Pläne ein? Ich konnte mir das nicht erklären. Es wurde aber sinnfällig, wenn wir die intime Situation auflösen und in eine vor Publikum verwandeln. Beide werden in die Manege geworfen.
Wenn sich die Zuschauer ihre „Verkaufte Braut“ anschauen, was möchten Sie ihnen mitgeben? Ich finde es das Wichtigste, die Dinge in einer Inszenierung nicht nur auf eine Aussage, wie eine Gesamtbotschaft festzuzurren. Das interessiert mich nicht. Wenn ich ins Theater gehe, möchte ich etwas erleben dürfen. Es muss was zu sehen geben, es muss was zu staunen geben, es muss die großen Überraschungen geben. Aber all das muss sich auch an die Figuren binden, und nicht nur Schauwert bleiben.
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