Sie wurden wegen eines akuten Lehrkräftemangels geholt, nun erfreuen sie sich immer größerer Beliebtheit: Pädagogen ohne klassische Lehrausbildung. Laut einer aktuellen OECD-Studie hat ihr Anteil am Lehrkörper in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Während 2014/15 in Volksschulen noch 1,2 Prozent und in der Sekundarstufe (v.a. Mittelschule, AHS, BMHS) 3,1 Prozent Lehramtsstudierende oder Quereinsteiger unterrichtet haben, waren es 2022/23 – dem Jahr mit dem größten Lehrermangel im Erhebungszeitraum – 5,3 bzw. sechs Prozent. Für OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher ist diese Tendenz kein Problem, solange die Qualitätssicherung passt. Man müsse allerdings darauf achten, geeignete Personen auszuwählen und sie durch Fort- und Weiterbildung und Unterstützung gut beim Einstieg in den Unterrichtsalltag begleiten.
OECD-Experte: „Vorteile von Quereinsteigern überwiegen“
„Ich glaube, die Erstausbildung wird oft überschätzt“, sagte er am Rande einer Präsentation der Ergebnisse der Studie „Bildung auf einen Blick“ am Montagabend in Wien. „Die Vorteile von Quereinsteigern überwiegen.“ In England etwa würden sich die Schulen mittlerweile bei der Auswahl der Lehrer am liebsten für Quereinsteiger entscheiden.
Im Volksschulbereich sei der Quereinstieg zwar schwieriger, weil es mehr pädagogisches und weniger Expertenwissen brauche, so Schleicher. „Trotzdem gibt es viele Menschen, die hier als Quereinsteiger sehr erfolgreich sind.“ In Österreich ist der Quereinstieg derzeit nur in der Sekundarstufe möglich. Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) plant allerdings eine Ausweitung auf die Volksschulen, seit diesem Schuljahr läuft dazu ein Pilotprojekt in Wien.
Lehrer werden immer jünger
Die Altersstruktur der Lehrer verändert sich ebenfalls. Denn die Pensionierungswelle und mehr Lehrernachwuchs führen zu einer Verjüngung. Zwischen 2013 und 2023 ist sowohl in den Volksschulen als auch in der Sekundarstufe (v.a. Mittelschule, AHS, BMHS) der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer unter 30 angewachsen (von zwölf auf 19 bzw. von sieben auf 13 Prozent). Gleichzeitig gibt es mittlerweile weniger Lehrpersonal über 49 Jahre (Volksschule: Rückgang von 37 auf 33 Prozent, Sekundarstufe: von 46 auf 40 Prozent).
Einmal mehr zeigt die OECD-Studie eine mangelhafte Bildungsmobilität in Österreich auf. Denn junge Erwachsene mit zumindest einem Akademiker-Elternteil haben derzeit eine fast viermal höhere Chance auf einen Hochschulabschluss als jemand, dessen Eltern nur die Pflichtschule abgeschlossen haben. Der Wert ist seit 2012 zwar etwas gesunken, aber immer noch deutlich höher als im Schnitt der OECD-Länder mit 2,7. Gleichzeitig ist der Anteil der 18- bis 24-Jährigen in Österreich, die weder in Ausbildung noch Beschäftigung sind, im Vergleich zum Vorjahr leicht auf 12,6 Prozent gestiegen.
Wiederkehr: Chancenbonus für 400 Schulen
Diesen Befund versteht Bildungsminister Wiederkehr als „politischen Auftrag“. Die Chancengleichheit sei „aktuell nicht sichergestellt“. Durch einen Chancenbonus für Volks- und Mittelschulen sollen künftig auch an rund 400 Standorten mit besonders vielen Kindern mit großem Unterstützungsbedarf und Belastungen Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen besser vermittelt werden. Es sei wichtig, früh anzusetzen, betonte der Minister. Immerhin zögen sich die Probleme bis hinauf zu den Hochschulen.
Die Chancengleichheit ist aktuell nicht gegeben. Es ist wichtig, früh anzusetzen.
Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS)
Bild: Jöchl Martin
Auch OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher sah im Chancenbonus einen möglichen Hebel für bessere Bildungsergebnisse für alle Schüler, betonte aber, dass mehr Geld allein keinen positiven Effekt habe. Wichtig sei etwa eine Vernetzung mit anderen „leistungsfähigeren“ Schulen. Ein anderer Erfolgsfaktor wäre, die besten Lehrerinnen und Lehrer an die schwierigsten Schulen zu bringen – etwa durch attraktive Karrieremodelle und ein gutes Unterstützungsnetz.
Für den Chancenbonus sind von der Regierung ab kommendem Herbst 65 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen. Dieselbe Summe soll es – trotz des klammen Budgets – auch für die Folgejahre geben, wie Wiederkehr betonte. Im Regierungsprogramm stehen darüber hinaus zusätzliche 20 Millionen Euro ab 2027, allerdings unter Budgetvorbehalt.
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