Wien will prüfen, ob die Untere Lobau mit Donauwasser gerettet werden könnte. Für Experten braucht es aber mehr als das.
Schon jetzt fließen bis zu 400 Liter Donauwasser pro Sekunde in die Obere Lobau. Der Unteren Lobau hilft das wenig. Sie vertrocknet.
Das Rathaus will deshalb um 270.000 Euro ein Grundwasserströmungsmodell der Gegend erstellen lassen. Es soll klären, ob man die Untere Lobau durch Zuleitung von Donauwasser retten kann. Erstellt werden soll es von jenen Wissenschaftlern, die 2015 davon abrieten, weil sie darin ein Risiko für die Trinkwassergewinnung sahen. Seither hat sich die Natur aber schneller verändert als damals möglich schien.
Natur veränderte sich schneller als angenommen
Dass Donau und Lobau sich verändert haben, bestätigt auch Uni-Wien-Professor Christian Griebler. Gleich geblieben ist für den Grundwasser-Experten aber das eigentliche Problem: Wie und wo definiert man Risiko für das Trinkwasser? Das Argument der Stadt bisher: Donauwasser würde das Grundwasser der Lobau und damit letztlich auch das Trinkwasser negativ beeinflussen. Zudem sei man auch durch EU-Regeln zum Gewässerschutz verpflichtet.
Die Zuleitung von Wasser in die Untere Lobau ist nur wie der Tropf für einen schwerkranken Patienten: eine lebenserhaltende Maßnahme, nicht mehr.
Christian Griebler, Grundwasser-Ökologe
Bild: Christian Griebler
Wann ist Wasser Trinkwasser?
Die Lösung für das Dilemma liegt aus Grieblers Sicht in einem differenzierten Blick – und der Bewertung von Wasser als Trinkwasser erst dann, wenn es nach seinem Weg durch die Lobau, entsprechend filtriert, bei Brunnen ankommt. Das und die Wasser-Einspeisung sind für den Experten aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie auch viele Naturschutzverbände fordert er die schon vor Jahren in Aussicht gestellte Wasseraufbereitungsanlage für die Trinkwassergewinnung in der Lobau. Sinkende Wasserspiegel, die fortschreitende Eintiefung der Donau und die Verlandung der Au machen die Investition für Griebler alternativlos – und dann seien eine lebendige Au und sauberes Trinkwasser auch kein Widerspruch mehr.
Die Versorgung der Bevölkerung mit genug gutem Trinkwasser bereitet dem Rathaus mehr Kopfzerbrechen als die Lobau. Denn im Koalitionspapier von Rot-Pink II sucht man die Lobau vergeblich in Kapiteln über Gewässer oder Naturschutz. Sie findet sich vielmehr im Abschnitt über kommunale Infrastruktur, in dem es um Energie, Gesundheit, Abfall, Öffis und Trinkwasser geht.
Oberste Priorität – Trinkwasser
Als Prioritäten werden dort „die Versorgung der Bevölkerung mit erstklassigem Trinkwasser, die Entsorgung der Abwässer und der Schutz vor Hochwasser“ genannt. Dabei geht es, angesichts immer heißerer Temperaturen und wachsender Bevölkerung, vor allem um die Menge benötigten Wassers: Das Wasserwerk auf der Donauinsel soll „zügig erweitert“ werden und ein neues Speicherbecken bekommen, außerdem sollen neue Transportleitungen, so genannte Düker, die Versorgung sicherstellen. Ein neues Wasserqualitätslabor soll dabei „höchste Standards bei Hygiene und Sicherheit“ gewährleisten.
Laufende Investitionen
Zur Steigerung der Abwasserqualität ist eine vierte Reinigungsstufe in der Kläranlage Simmering geplant, die auch Spuren von Kosmetika, Arzneimitteln und Mikropartikeln von der Umwelt fernhalten soll. Zum Schutz der Wasserqualität bei Extrembelastungen der Wassersysteme nach Überflutungen soll zusätzlich zu den laufenden Arbeiten am Wiental-Kanal auch der Krottenbachkanal saniert werden.
Nach einem Vierteljahrhundert mit Andreas Januskovecz als Chef sind Wiens Wälder und Landwirtschaftsbetriebe seit Ende Mai in der Hand seiner bisherigen Stellvertreterin Petra Wagner. Sie verhehlt nicht, dass die „Erhaltung der Lobau“ auf dem Spiel steht – das sei ihr mit der Stadt „ein wichtiges Anliegen“, meint sie unter Verweis auf die schon getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Oberen Lobau.
Für die kommende Prüfung von Schutzmaßnahmen für die Untere Lobau verspricht sie Transparenz: Alle erhobenen Daten und Schlussfolgerungen würden „exakt dokumentiert“.
Neben Schutz geht es auch um Erträge
Unter Naturschutz fallen für Wagner allerdings auch die umstrittenen Beschränkungen für Badegäste und Radfahrer in der Lobau. Wandern, Entspannen und das Beobachten von Wildtieren sei „ein guter Ausgleich zum Trubel in der Stadt“ – viel mehr aber auch schon nicht mehr: „Unsere Aufgabe ist es, das Naturschutzgebiet nach den Vorgaben der Gesetze streng zu schützen.“
Klimakrise als Herausforderung
Neben Naturschutz muss Wagner vor allem aber auch an Betriebliches denken. Mit über 41.000 Hektar Wald und 2500 Hektar Landwirtschaft ist sie für den – nach der Republik Österreich – größten landwirtschaftlichen Betriebskomplex verantwortlich. Nachhaltiges Wirtschaften sei dabei weiterhin der Schwerpunkt, so Wagner. Sie will das künftig, mit Marken wie „Wiener Gusto“ und dem Cobenzl-Wein, auch stärker ins Licht der Öffentlichkeit rücken.
Sowohl für Naturschutz als auch für Betriebsziele steht für Wagner indes fest: „Die Klimakrise stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar, und wir müssen proaktiv handeln, um unsere Wälder und Naherholungsgebiete für zukünftige Generationen zu schützen.“
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