Anhaltende Emotionen und Widerstand von Richtern gegen die Besetzung von Toppositionen bei Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof. Appell an die Politik: Finger weg von unabhängigen Gerichten. Ein namhafter Experte fordert die Änderung der Regelung. Dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit.
Österreich und Postenschacher: Was für eine Geschichte. In allen Bereichen – so heißt es landläufig – werden mehr oder weniger wichtige Positionen vergeben. Durch die Parteipolitik. Von der Volksschule bis zum Höchstgericht. Tatsächlich führt zweitgenannter Bereich nun zu enormer Aufregung. Die Richterschaft ist nach wie vor nachhaltig empört, sie schafft es, die Öffentlichkeit aufzurütteln. Die „Krone“ berichtete schon vor einer Woche: Jeweils zwei Toppositionen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) und beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) harren ihrer Besetzung. Durch Regierungsspitzen.
Politik lobt sich für transparenten Politeinfluss
Die neue, von der SPÖ nominierte Justizministerin Anna Sporrer meinte auf Ö1, die Verfassung sehe diese Besetzungen eben vor. Sporrer war davor am VwGH Vizepräsidentin, ihr Posten ist nachzubesetzen, sie ist also mittendrin im Polittrubel. Sie betonte jedoch auch, dass die Besetzungen durch Regierungen – ohne sich „selbst loben zu wollen“ – hervorragende Personen treffe. Es sei wichtig, dass ÖVP/SPÖ/Neos im Regierungsprogramm transparent gemacht haben, dass das Vorschlagsrecht für Posten aufgeteilt worden sei (so sagte es neulich auch Neos-General Douglas Hoyos): ÖVP-Kanzler Stocker und SPÖ-Vize Babler beim VwGH, Babler und Neos-Chefin Meinl-Reisinger beim VfGH.
Bösartig könnte man formulieren, die Details zum Postenschacher bei unabhängigen Gerichten werden nun wenigstens offengelegt. Nicht mehr in geheimen Sidelettern versteckt. Dass die Verfassung diese Praxis gestattet, ist ebenso evident wie umstritten. Und entgegen den Vorgaben bzw. Empfehlungen der EU, höchstrichterliche Positionen via Gremien und weitgehend unabhängig zu besetzen.
„Die Regelung gehört geändert“
Bernd Christian Funk, anerkannter Professor und Experte für Verfassungsrecht, sagt klipp und klar: „Diese Regelung gehört geändert.“ Dazu braucht es allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Im Artikel 147 aus der gültigen Version von 1930, Absatz zwei der Bundesverfassung, heißt es: „Den Präsidenten, den Vizepräsidenten, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung; diese Mitglieder sind aus dem Kreis der Richter, Verwaltungsbeamten und Professoren an den rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten zu entnehmen.“
Auf dem Weg Richtung Polen und Ungarn?
Die Ansagen von Ministerin Sporrer sorgen nur bedingt für Kalmierung, wie der „Krone“ aus dem VwGH zugetragen wurde: „Es geht um transparente Auswahl nach einem Hearing, bevor die Regierung dem Bundespräsidenten einen begründeten Dreiervorschlag zur Ernennung unterbreitet. Das ist offenbar nicht so geplant.“ Man bewege man sich so Richtung Ungarn und Polen.
Die derzeitige Situation sei auf ein „altes Problem der Verfassung“ zurückzuführen, sagt Verfassungsjurist Funk. Der Grundgedanke stamme aus dem 19. Jahrhundert, aus der Monarchie. Der Kaiser bestimmte damals die Höchstrichter. Funk erzählt eine vielsagende wie zutiefst österreichische Anekdote: „Ein Adeliger wollte bei einem Gerichtspräsidenten intervenieren. Der lehnte ab. Der Adelige beschwerte sich bei Franz Joseph. Der sagte angeblich später zu dem Richter bei einer Veranstaltung: ,Sie haben richtig gehandelt‘.“
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.