Die Spitzenpositionen am Verwaltungsgerichtshof werden neu besetzt – Kanzler und Vizekanzler haben das Vorschlagsrecht. Das sorgt für Kritik vom Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und -richter. Nach wie vor würden keine richterlichen Gremien einbezogen werden, heißt es.
ÖVP, SPÖ und NEOS haben in ihrem Regierungsprogramm festgehalten, dass Kanzler Christian Stocker (ÖVP) den neuen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) vorschlagen darf. Dafür liegt das Vorschlagsrecht für den Vize-Präsidenten bei SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler. Das heißt: Letztlich besetzt die Politik die Top-Posten des unabhängigen Gerichts.
Kritik vom Richter-Dachverband
„Im Sinne eines gewaltenteilenden Rechtsstaates wäre es wünschenswert, wenn die Gerichtsbarkeit von Einflüssen aus der Politik aus der politischen Exekutive ferngehalten wird und auch ausgelöst wird“, kritisiert Markus Thoma vom Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und -richter in der Sendung Ö1.
Am 23. Mai läuft die Bewerbungsfrist für die Spitzenpositionen am VwGH aus. VwGH-Präsident Rudolf Thienel geht Ende August in Pension und Vizepräsidentin Anna Sporrer wechselte für die SPÖ ins Justizministerium.
„Nach wie vor keine Einbeziehung“
Immerhin: Die neue Regierung legt in ihrem Programm offen, wer welchen Posten besetzen darf und regelt das nicht im Verborgenen. „Der Fortschritt liegt jetzt darin, dass man das System der Aufteilung offenlegt, ohne allerdings jetzt an den wesentlichen Kritikpunkten etwas zu ändern“, gibt Thoma zu bedenken. „Es gibt also nach wie vor keine Einbeziehung von richterlichen Gremien im Zuge des Vorschlagswesens und der Auswahl und es gibt nach wie vor keine richterliche Überprüfung des Ernennungsaktes“, kritisiert er.
Thoma: Unabhängiges System etablieren
ÖVP, SPÖ und NEOS schreiben im Regierungsprogramm, dass der Bundesregierung als „demokratisch legitimierte Einrichtung“ bei den Postenbesetzungen eine „gewichtige Rolle“ zukommt. Thoma hat dazu eine klare Meinung: „Demokratische Legitimation kann ja auch bedeuten, dass man ein unabhängiges System – unabhängig von einzelnen Politikern – etabliert.“
Die Richterinnen und Richter fordern, dass ein gewähltes Gremium mit Expertinnen und Experten aus der Justiz ein ordentliches Auswahlverfahren durchführt. „Das heißt, sie sind sozusagen fern jeglichen parteipolitischen Ansatzes, aber an sich ist das Auswahlsystem per se demokratisch legitimiert“, erklärt Thoma. „Zur demokratischen Legitimation braucht man keinen Politiker, der einem die Hand auflegt.“
Noch mehr Top-Posten betroffen
Die Spitzen-Positionen am Verwaltungsgerichtshof sind übrigens nicht die einzigen, bei denen die Politik mitbestimmt. So liegt das Vorschlagsrecht für das erste ausgeschiedene Mitglied des Verfassungsgerichtshofs beim Vizekanzler. Den Präsidenten des Nationalbank-Generalrates darf der Kanzler bestimmen, den Vizepräsidenten der Vizekanzler. Die NEOS dürfen dafür den Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde vorschlagen.
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