Berg wurde entzaubert

Everest: Vom Alpinstil zum All-Inklusiv-Gipfel!

Bergkrone
08.05.2025 07:38

Der Mount Everest fasziniert. Einst das Symbol für Grenzerfahrung, ist er heute das Ziel kommerzieller Expeditionen. Wieso stehen heute an einem einzigen Tag mehr Menschen auf dem höchsten Punkt der Erde als früher in einem ganzen Jahrzehnt? Und was hat ein Luxus-Basecamp mit Bürojob zu tun? Wer den Mount Everest besteigen will, braucht heute nicht mehr zwingend alpines Können – sondern vor allem eines: sehr viel Geld.

Die Tage zwischen dem 6. und 20. Mai gelten als optimales Zeitfenster, um den Mount Everest zu besteigen. In dieser Zeit beruhigt sich in der Regel der Jetstream, Stürme lassen nach, und eine kurze Phase stabilen Wetters ermöglicht den Aufstieg in die „Todeszone“.

Dieses Zeitfenster ist das Einzige, was sich – seit Reinhold Messner und Peter Habeler am 8. Mai 1978 ohne Flaschensauerstoff den höchsten Gipfel der Erde erreichten und Alpingeschichte schrieben – nicht verändert hat.

„Die Bergsteiger heute haben keine Ahnung mehr, sie sind abhängig von den Sherpas, die sie an der Hand nehmen und ihnen jede Entscheidung abnehmen“, wettert Bergsteiger-Legende Wolfgang Nairz.

Zitat Icon

Ich war mit meinen Bergkameraden einhalb Stunden auf dem Everest-Gipfel und konnte die unvorstellbare Aussicht genießen. Heute hat man nur wenige Minuten Zeit dafür und muss schon den Platz für die Nachfolgenden räumen.

(Bild: Wolfgang Nairz)

Wolfgang Nairz, Bergsteiger-Legende und einer der ersten Österreicher, der den Mount Everest-Gipfel erreichte.

Der heute 80-jährige Tiroler leitete 1978 die erste österreichische Everest-Expedition und erreichte zusammen mit Robert Schauer und Horst Bergmann als erste Österreicher das Dach der Welt. „25 Jahre nach der Erstbesteigung war ich damit der sechzigste Mensch am Everest, zehn Jahre später waren es bereits 300 und heute stehen 200 Personen an einem Tag auf dem Gipfel“, sagt Nairz im Gespräch mit der „Bergkrone“.

Diese Aufnahme vom Mai 1978 zeigt Robert Schauer und Ang Phu Sherpa alleine im Hillary Step. Die beiden waren im Alpinstil unterwegs, ohne Fixseile. Das Bild schoss Wolfgang Nairz, der mit Horst Bergmann in Zweierseilschaft unterwegs war. Schauer, Bergmann und Nairz waren damit die ersten Österreicher auf dem Dach der Welt.   (Bild: Wolfgang Nairz)
Diese Aufnahme vom Mai 1978 zeigt Robert Schauer und Ang Phu Sherpa alleine im Hillary Step. Die beiden waren im Alpinstil unterwegs, ohne Fixseile. Das Bild schoss Wolfgang Nairz, der mit Horst Bergmann in Zweierseilschaft unterwegs war. Schauer, Bergmann und Nairz waren damit die ersten Österreicher auf dem Dach der Welt.  
Die österreichische Expedition schrieb 1978 Alpingeschichte, denn Reinhold Messner und Peter Habeler erreichten als erste Menschen ohne Flaschensauerstoff das Dach der Welt. Hier am Bild sieht man den Grazer Hanns Schell beim Prüfen einer Aluleiter im Khumbu Eisfall, die über Gletscherspalten gelegt wurden.  (Bild: Wolfgang Nairz)
Die österreichische Expedition schrieb 1978 Alpingeschichte, denn Reinhold Messner und Peter Habeler erreichten als erste Menschen ohne Flaschensauerstoff das Dach der Welt. Hier am Bild sieht man den Grazer Hanns Schell beim Prüfen einer Aluleiter im Khumbu Eisfall, die über Gletscherspalten gelegt wurden. 

Heuer ist die Everest-Saison längst angelaufen, und die Sherpa haben bald die Fixseile bis auf den 8.848 Meter hohen Gipfel verlegt. „Fixseile gab es bei uns nicht, auch keine Hochträger oder vorbereitete Lager. Wir waren ab dem Südsattel in Zweierseilschaften unterwegs“, so Nairz: „Der Everest war damals halt noch ein Ort des Extremen und wirklich nur den besten Bergsteigern vorbehalten.“

Der höchste Berg als Reiseziel
Viereinhalb Jahrzehnte später ist der Mount Everest zugänglicher denn je und Symbol persönlicher Selbstverwirklichung oder prestigeträchtiges Abenteuer.

„Große, beheizte Zelte und Betten im Basislager, TV-Geräte und Internet. Wenn das Wetter einmal nicht passt, dann fliegt man mit dem Hubschrauber nach Kathmandu, um Büroarbeiten zu erledigen“, weiß Nairz. Die heutige permanente Verbindung zur Außenwelt steht im völligen Kontrast zur Isolation früherer Expeditionen.

Das Everest Basecamp im Mai 2025 gleicht einer Kleinstadt.  (Bild: Lukas Furtenbach)
Das Everest Basecamp im Mai 2025 gleicht einer Kleinstadt. 
Gegen reichlich Bares gibt es im Basecamp jeden erdenklichen Luxus.  (Bild: Lukas Furtenbach)
Gegen reichlich Bares gibt es im Basecamp jeden erdenklichen Luxus. 

„Der Everest ist für mich ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft“, findet der Wiener Everest-Besteiger Gerhard Osterbauer, der sich aktuell in Nepal befindet: „Es geht einfach immer nur um den Superlativ, also um spektakuläre Abenteuer zu erleben, bei möglichst wenig Risiko.“

Einer der weltweit erfolgreichsten und exklusivsten Anbieter im Everest-Geschäft ist heute der Tiroler Lukas Furtenbach. Seine Kunden sind bereit, bis zu 200.000 Euro für das komplett servicierte Everest-Erlebnis zu bezahlen. Vier Briten wollen mit Furtenbach Adventure und dem Einsatz des Edelgases Xenon heuer sogar einen Rekord aufstellen und binnen sieben Tagen von London auf dem Gipfel und wieder zurück im Vereinigten Königreich sein.

Der Tiroler Lukas Furtenbach – hier am Everest-Gipfel – gilt längst als einer der erfolgreichsten Anbieter von Mount Everest-Expeditionen . Seine bisherige Gipfelerfolgsquote mit der er Kunden auf das Dach der Welt brachte: 100 Prozent!  (Bild: Furtenbach Adventures)
Der Tiroler Lukas Furtenbach – hier am Everest-Gipfel – gilt längst als einer der erfolgreichsten Anbieter von Mount Everest-Expeditionen . Seine bisherige Gipfelerfolgsquote mit der er Kunden auf das Dach der Welt brachte: 100 Prozent! 
Heute noch werden die Gletscherspalten im Khumbu Eisfall mit Aluleitern überwunden. Spezielle „Eisdoktoren“ suchen alljährlich den sichersten Weg durch das Gletscherlabyrinth, das sich täglich einen halben Meter bewegt.  (Bild: Lukas Furtenbach)
Heute noch werden die Gletscherspalten im Khumbu Eisfall mit Aluleitern überwunden. Spezielle „Eisdoktoren“ suchen alljährlich den sichersten Weg durch das Gletscherlabyrinth, das sich täglich einen halben Meter bewegt. 
Galt früher 14 Uhr als Umkehrzeit, sind heute Bergsteiger Dank der Fixseile, denen sie folgen müssen, auch mitten in der Nacht in Richtung Gipfel unterwegs. (Bild: Lukas Furtenbach)
Galt früher 14 Uhr als Umkehrzeit, sind heute Bergsteiger Dank der Fixseile, denen sie folgen müssen, auch mitten in der Nacht in Richtung Gipfel unterwegs.
Heute kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit den Everest-Gipfel erreichen.  (Bild: Lukas Furtenbach)
Heute kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit den Everest-Gipfel erreichen. 

„Viel besser und sicherer als Lukas kann man Expeditionen nicht anbieten“, findet Osterbauer, der das Buch „Mount Everest – Mythos und Wirklichkeit“ veröffentlicht hat: „Lukas Furtenbachs Kunden sind Leute, die bergsteigerisch vielleicht weniger Erfahrung haben, aber in ihrem Berufsleben eine hohe Professionalität an den Tag legen. Die wollen das Beste vom Besten – und können es sich leisten.“

Der Wiener Gerhard Osterbauer erreichte im Mai 2022 den Mount Everest-Gipfel. (Bild: Gerhard Osterbauer)
Der Wiener Gerhard Osterbauer erreichte im Mai 2022 den Mount Everest-Gipfel.

Osterbauer war selbst 2022 mit einer kleinen nepalesischen Agentur am Everest: „Die waren sehr bemüht, aber ich musste mich selbst mental und körperlich mehr in die Expedition einbringen – dafür war es aber auch sehr viel günstiger.“

Gipfelstau sorgt für schlechtes Image

Was Bergsteiger Gerhard Osterbauer wirklich stört, ist, dass der Mount Everest aufgrund von Fotos von Bergsteiger-Staus im Hillary Step unterhalb des Gipfels ein schlechtes Image bekommen hat: „Heute muss man sich fast schon rechtfertigen, wenn man am Everest war. Dabei ist der Everest nach wie vor ein wunderschöner Berg und die Bilder der Warteschlange unterhalb des Gipfels nicht repräsentativ, denn es sind nur ein bis zwei Tage im Jahr, wo am Berg zu viel los ist.“

Zitat Icon

Grundsätzlich ist das Mount Everest Bergsteigen heute reiner Kommerz und der Tiroler Lukas Furtenbach die Idealbesetzung dafür. Denn Lukas bietet seinen Kunden nicht nur ein ärztliches Monitoring sondern auch die besten Bergführer und Sherpas.

(Bild: Gerhard Osterbauer)

Gerhard Osterbauer, Profibergsteiger aus Wien und Buchautor „Mount Everest – Mythos und Wirklichkeit“

Osterbauer, der österreichweit Vorträge in Gesundheitseinrichtungen über seine Bergabenteuer zwischen Arktis und Antarktis hält, zieht einen Vergleich mit der Wiener Südosttangente: „Montagfrüh wird man dort sicherlich im Stau stehen, während man am Dienstagnachmittag ohne Probleme fahren kann.“

Dennoch hat der Everest seine Magie verloren und spiegelt heute nicht nur die Entwicklung des Alpinismus, sondern auch die Werte einer Zeit, die Schnelligkeit über Erfahrung stellt und Perfektion über das Erleben. Aber die Faszination des höchsten Berges der Welt bleibt – nur ihr Weg hat sich verändert.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt