Der Kabarettist, Autor und Menschenkenner Stefan Vögel beantwortet Fragen, die sich andere erst gar nicht zu stellen wagen. Dieses Mal lässt er sich über diverse Unsitten aus, die neuerdings in der Gastronomie um sich greifen.
Eine neue Unsitte hat unser Land erfasst, und niemand weiß, woher die gastronomische Seuche stammt oder wer sie auf unser bis anhin so gemütliches Staatsgebiet eingeschleppt hat: Ich spreche von jenen Kellnern, die mit einer Sprühflasche chemische Mittel auf meinen Nachbartisch sprühen, während ich einen halben Meter daneben noch am Essen bin.
Nun bin ich in der Tat ein Verfechter sauberer Gasthaustische, jedoch vergeht mir aus nachvollziehbaren Gründen mein Appetit, wenn ich in der Nase Ammoniak habe statt des Geruches von frisch gebratenem Rindfleisch. Und dass der chemische Sprühschwall an meiner Tischkante Halt macht, wird mir auch kein Ober dieser Welt glaubhaft machen können. Vielmehr befürchte ich, dass mein Steak ebenfalls desinfiziert wird, noch ehe es meinen Gaumen erreicht.
Wieso kann es in der Gastronomie nicht wieder gemütlich zugehen?
Stefan Vögel
Bitte, liebe Wirte und Kellner, hört wieder auf mit diesem Unfug! Jahrhundertelang hat ein nasser Lappen gereicht, um die Tische dieser Welt zu reinigen (meinetwegen auch mit einem geruchsneutralen Putzmittel versehen), aber Chemiewolken im Restaurant schätzt kein zahlender Gast. Ungefähr zur selben Zeit hat eine zweite Marotte Einzug gehalten, welche ebenfalls der Hygiene dienen mag, und doch ebenso eine Distanz zwischen Gast und Gasthaus schafft: jene der stets getragenen Plastikhandschuhe bei Köchen, Kellnern und Barkeepern. Ich nehme an, dass die Intention dahinter mehr dem Schutz des Essens galt als jenem der kochenden Hände, mich zumindest aber beschleicht beim Anblick von behandschuhten Chefs, welche an Filets herumschneiden, stets das ungute Gefühl, ich befände mich in einem Operationssaal.
„Ich verlasse Lokal als Zechpreller“
Dass Köche sich vor und während der Arbeit die Hände reinigen, erwarte ich ohnehin, mehr Sauberkeit aber verlangt nicht einmal der Gast mit Waschzwang. Vom Umweltgedanken einmal ganz zu schweigen! Die gastronomischen Wegwerfhandschuhe dieser Welt müssen längst hunderte Mülldeponien füllen. Und da ich gerade in Fahrt bin: Wenn ich das nächste Mal in ein Gasthaus komme, das mir nach dem Essen auf der Rechnung mehrere Varianten von Trinkgeld vorschlägt und vorrechnet, dann stehe ich wortlos auf und verlasse das Lokal als Zechpreller.
Denn was sich als Rechenerleichterung ausgibt, ist in Wahrheit nichts anderes als eine schlecht verkleidete emotionale Erpressung zum Zwecke der Umsatzmaximierung. In solchen Restaurants sollte kein Gast jemals Trinkgeld geben, selbst dann nicht, wenn es der Kellner verdient hätte. Nur so können wir diese Seuche wieder gemeinschaftlich ausrotten.
Bliebe zu schlechter Letzt die neueste Unart von amerikanischer Herkunft, selbst in einem normalen Kaffeehaus keinen Tisch mehr allein aussuchen zu können, sondern stattdessen brav vor einer Tafel am Eingang auf den Zuweisungskellner warten zu müssen. Liebe Gastronomen, dabei wäre doch alles so einfach: Schließt eure Augen und versetzt euch in Gedanken 20 Jahre zurück. So wollen wir es wieder haben.
Sollten Sie eine Frage an Stefan Vögel haben: keinefrage@kronenzeitung.at
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.