6.300 € Geldstrafe

Frau stirbt nach Fuß-OP: Turnusarzt in Wien verurteilt

Österreich
16.07.2013 15:54
Mit einem Freispruch für den Operateur und das Spital sowie einem Schuldspruch für einen Turnusarzt ist am Dienstag der Prozess um eine 23-jährige Frau zu Ende gegangen, die 2008 im Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien-Hernals nach einer Fuß-Operation an den Folgen einer medikamentösen Atemdepression gestorben war. Der 39-jährige Turnusmediziner erhielt wegen fahrlässiger Tötung eine unbedingte Geldstrafe von 6.300 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Eltern der am 29. November 2008 ums Leben gekommenen jungen Frau, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatten, bekamen insgesamt 45.000 Euro zugesprochen. Das in dem Musterprozess am Wiener Straflandesgericht erstmals mitangeklagte Spital wurde freigesprochen und muss daher auch keine Verbandsgeldbuße zahlen.

Keine Überwachung mit Pulsoximeter
Kirstin Rehberger war eine kerngesunde Frau. Das Studium hatte sie abgeschlossen, die Welt stand ihr offen. Da waren nur noch ihre schmerzenden Plattfüße, die operiert werden sollten. Der erste Eingriff im Krankenhaus Göttlicher Heiland am 21. November 2008 musste abgebrochen werden, obwohl die Patientin bereits narkotisiert war. Es fehlte an sterilen Schrauben.

Eine Woche später war es so weit. Ein Orthopäde operierte beide Füße gleichzeitig, was Gutachter als Fehler bezeichnen. Der Facharzt verordnete routinemäßig das Opiat Dipidolor als Schmerzmittel. Das kann eine gefürchtete Nebenwirkung haben: eine Verflachung der Atmung. Doch an eine Überwachung mit Pulsoximeter wurde nicht gedacht - und das, obwohl der Operateur zugeben muss: "In dem Spital, wo ich vorher gearbeitet habe, war das Standard." Um 17 Uhr besuchte er die Patientin im Krankenzimmer, im Schlepptau den Turnusarzt: "Weil das besser aussieht."

Patientin war "heiter und entspannt"
Der Turnusarzt hatte eine wichtige Funktion: Er sollte die weitere Schmerztherapie übernehmen. Auf eigene Faust änderte er die vom Operateur vorgegebene Medikation ab und fügte ein weiteres Präparat hinzu. Was, laut Gutachter, verheerende Folgen hatte: Die Nebenwirkungen multiplizierten sich. Um 23 Uhr sah der Arzt zuletzt nach der Patientin. Er fand sie "heiter, entspannt und lächelnd" vor. "Ich dachte, sie ist über den Berg", so der Angeklagte. Stunden später war Kirstin Rehberger tot.

"Hab' nicht genau mitgezählt"
Der Turnusarzt bestritt jede Schuld. Die Höchstdosis an Opiaten will er nicht überschritten haben. Doch über jene Präparate, die die Frau kurz nach der OP im Aufwachraum bekommen hat, dürfte er nur mangelhaft Bescheid gewusst haben. Zu den Vermerken im Krankenakt sagt er: "Ich hab' nicht genau zusammengezählt." Das sei allerdings "nicht immer üblich", fügte er hinzu.

Keine Schuld am Tod der Frau sah Verteidiger Herbert Eichenseder auch beim angeklagten Spital: "Alle Einrichtungen waren vorhanden. Was kann das Spital dafür, wenn vielleicht ein Arzt einen Fehler macht?"

"Nicht viel geredet, weil sie solche Schmerzen hatte"
Die Eltern der 23-Jährigen zeichnen vor Gericht ein ganz anderes Bild vom Gesundheitszustand ihrer Tochter nach der Operation. Nach Aussage der Mutter hatte Kristin auf der Station starke Schmerzen: "Sie hat gezittert am ganzen Körper." Sie habe "nicht viel geredet, weil sie solche Schmerzen hatte", so die 62-Jährige weiter. "Wenn man ein Kind so leiden sieht, ist es auch für den Vater entsetzlich", sagte der 65-Jährige. Er habe mit seiner Anwesenheit gehofft, "ihr etwas abnehmen zu können". Auch zum Essen habe die Tochter überredet werden müssen.

Die 62-Jährige gab darüber hinaus unter Wahrheitspflicht zu Protokoll, dass nach der Operation um 16 Uhr ein Arzt hätte kommen sollen. Gegen 17 Uhr kam auch der Operateur, offenbar aber nur auf einen Anstandsbesuch. Beide Elternteile konnten sich nicht an eine Visite des Turnusarztes erinnern, obwohl sie bis 19 Uhr am Bett ihrer Tochter zugegen waren.

Gutachten sorgten für Schuldspruch
Den Schuldspruch für den Turnusarzt begründete die Richterin mit den Sachverständigen-Gutachten. Diese hätten übereinstimmend ergeben, dass es einer besseren Überwachung der jungen Frau bedurft hätte. Die 23-Jährige sei eine Risikopatientin gewesen, der Turnusarzt habe es "unterlassen, persönlich und eingehend ihren Schmerzzustand zu überprüfen", bemängelte die Richterin.

Auch habe der Mediziner bei der Verabreichung der Medikamente keine Rücksprache mit dem, an sich letztverantwortlichen, Oberarzt gehalten und auch bei der Gabe der einzelnen Dosen die "gebotenen Zeitintervalle" und die "kumulierte Wirkungsweise" nicht berücksichtigt.

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