Hightech-Rucksäcke

Boom in den USA: “Macht eure Kinder doch kugelsicher”

Ausland
22.12.2012 08:22
Eine Woche nach dem Schulmassaker in der Stadt Newtown beschäftigt und erschüttert der sinnlose Tod von 26 Menschen, darunter 20 Kindern, weiterhin die US-Öffentlichkeit: Während der Waffenlobbyverein NRA am Freitag dazu aufrief, jede Schule mit bewaffneten Polizisten zu schützen (Infobox), profitieren rund ein halbes Dutzend US-Firmen vom Boom beim Verkauf ihrer Hightech-Rucksäcke. "Bewaffnet die Lehrer! Bis dahin macht eure Kinder doch kugelsicher", wirbt etwa eines dieser Unternehmen. Experten warnen vor dieser Entwicklung.

Laut einem Bericht der "Washington Post" gibt es mehrere Firmen, die sich in letzter Zeit auf die Produktion von kugelsicheren Rucksäcken und anderen Schulsachen (siehe etwa Bild 2: eine spezielle, kugelsichere Decke) spezialisiert haben. Begonnen habe diese Entwicklung mit dem Massaker an der Virginia Tech University im Jahr 2007, bei dem 32 Menschen getötet wurden. Seit der grauenhaften Bluttat von vergangener Woche erleben die Produkte dieser Firmen allerdings einen wahren Verkaufsboom.

Verkauf um 500 Prozent hochgeschnellt
Die Firma Amendment II (Bilder oben) aus Salt Lake City startete ihre Produktion etwa vor sechs Monaten, nachdem einige Eltern mit diesem speziellen Wunsch an sie herangetreten waren. Seitdem stellt das Unternehmen Schulsachen mit extraleichten, kugelsicheren Bestandteilen her. Bis vor Kurzem wurde allerdings höchstens eine Handvoll dieser Hightech-Rucksäcke, die 300 Dollar kosten, pro Woche verkauft.

Seit den Ereignissen in Newtown sei der Verkauf aber um 500 Prozent hinaufgeschnellt, wie Unternehmenssprecher Derek Williams erklärte. Alleine am Donnerstag habe sein Unternehmen 200 Stück dieser Schulausrüstung verkauft. "Wir wollten unsere kugelsichere Ausrüstung für Kinder nie so ins Rampenlicht stellen. Nun gibt es Kritik, dass wir die Tragödie für Geschäftszwecke ausnützen würden, aber das ist nicht wahr", erklärte er.

Psychologe: "Schulen noch immer einer der sichersten Orte"
Doch einige Experten sehen dies anders und werfen Firmen wie Amendment II vor, aus der Angst der Eltern Kapital zu schlagen und in Wahrheit von wichtigeren Problemen abzulenken. "Entgegen unserer Wahrnehmung in Zeiten wie diesen sind Schulen noch immer einer der sichersten Orte für Kinder in den USA", stellte etwa Psychologe Eric Rossen gegenüber der Zeitung fest. "Statistisch gesehen überwiegen die psychologischen Effekte dieser Produkte jeden eigentlichen Nutzen."

Auch Kenneth Trump, ein Sicherheitsberater für Schulen, zeigte sich höchst skeptisch. Kugelsichere Rucksäcke würden von viel wichtigeren Maßnahmen, wie etwa einem aktuellen Sicherheitsplan und regelmäßigem Notfalltraining für Schüler und Lehrer, ablenken. Gleichzeitig warnte er vor einem extremen "Unverständnis, wie Schule tatsächlich funktioniert". Denn die Kinder würden ihre Rucksäcke nicht den ganzen Tag auf ihrem Rücken tragen, daher sei es äußerst unwahrscheinlich, dass diese Schultaschen zum Schutz beitragen könnten.

"Ihr macht mich krank!"
In das gleiche Horn stieß ein Polizei-Gewerkschafter aus Houston: "Das ist einfach eine Überreaktion auf diese Tragödie. Ich glaube nicht, dass auch nur ein einziges dieser Kinder in Newtown überlebt hätte, wenn alle einen dieser Rucksäcke getragen hätten." Mittlerweile sind die Hersteller aber auch von anderer Seite mit Kritik konfrontiert. So schrieb etwa ein User auf der Facebookseite eines dieser Unternehmen: "Ein Freund von mir hat am Freitag ein Kind an der Sandy-Hook-Grundschule verloren. Ihr macht euer Geld mit diesen bis an die Zähne bewaffneten Menschen... Ihr macht mich krank!"

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