Salzburg-Skandal

Burgstaller: “Meine Tränen haben dem Land gegolten”

Österreich
15.12.2012 16:34
Finanzdeals in schwindelerregender Höhe bringen die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) in Bedrängnis. Im Interview mit Conny Bischofberger denkt sie über alles nach - auch über einen Rücktritt.

Der schneebedeckte Chiemseehof, Sitz der Salzburger Landesregierung, am Freitag um 15 Uhr: Finanzlandesrat David Brenner erklärt gerade seinen Rücktritt, als Landeshauptfrau Gabi Burgstaller uns in ihrem Büro erwartet.

Hier gibt's drei Audio-Mitschnitte vom Interview: Burgstaller über ihren Ehemann, Finanzgeschäfte und Monika R.

Auf dem Boden steht eine Blumenvase neben der anderen, alle gefüllt mit Rosen - "Zeichen der Aufmunterung", beeilt sich die Politikerin zu erklären - auf dem Tisch ein sehr ungewöhnlicher Adventkranz. 24 bunte Kerzen, davon 14 brennende, in einer Reihe. Im krassen Widerspruch zum weihnachtlichen Ambiente: das Interview zum Desaster.

"Da hat alles begonnen", sagt Gabi Burgstaller, einzige Frau an der Spitze einer Landesregierung, leise und deutet auf das dritte, violette Licht. Am 3. Dezember hat sie nach eigenen Angaben von dem Fiasko erfahren, das sie nun in die größte Krise ihrer Amtszeit stürzt.

"Krone": Frau Burgstaller, während wir hier sitzen, gibt Ihr "Kronprinz" David Brenner gerade seinen Rückzug aus der Politik bekannt. Haben Sie ihn dazu aufgefordert?
Gabi Burgstaller: Nein. Vielleicht sind Frauen in der Politik anders als Männer... Wir haben viele Gespräche geführt. Ich hätte sagen können: Es ist Zeit. Aber David Brenner nimmt seine Aufgaben und den einstimmigen Auftrag des Landtags wahr und legt bis 16. Jänner einen Bericht vor. Nun hat er selbst den Zeitpunkt gewählt und ich habe großen Respekt vor dieser Entscheidung.

"Krone": Wäre es nicht für Sie auch eine große Erleichterung, zu gehen?
Burgstaller: Für mich persönlich vielleicht schon. Aber ich bin ein sehr verlässlicher Mensch. Ich habe schon als Kind gelernt, dass man vor Aufgaben nicht davonläuft.

"Krone": Was müsste passieren, dass Sie zurücktreten?
Burgstaller: Wenn mein Eindruck ist, dass mir persönlich nicht mehr zugetraut wird, dass ich dieses Land politisch führe, dann ist das für mich ein klares Signal. Solange ich mich getragen fühle von der Bevölkerung in Salzburg, werde ich weiter dienen.

"Krone": Laut einer "Krone"-Umfrage würden sich 78,3 Prozent einen Rücktritt erwarten.
Burgstaller: Meine Wahrnehmung ist eine andere. Ich bekomme nicht nur Blumen, sondern auch viele Briefe und E-Mails. Tenor: Sie müssen jetzt Ihre Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass von diesen 340 Millionen Euro möglichst nichts übrig bleibt.

"Krone": Ist das nicht sehr blauäugig?
Burgstaller: Ich kann das nicht beurteilen. Experten sagen mir, dass es denkbar ist, wenn man jetzt nicht panisch reagiert, sondern Schritt für Schritt das Richtige tut. Man kann aus diesen Geschäften auch kontrolliert aussteigen.

"Krone": Wenn wirklich 340 Millionen schlagend werden, kann das Land das verkraften?
Burgstaller: Für mich als Juristin lautet die entscheidende Frage: Wer haftet für die Verluste? Denn wenn das Geschäfte sind, die nicht im Rahmen der normalen Vollmacht abgeschlossen wurden, dann kann und muss eine Bank auch damit rechnen, dass wir Ansprüche geltend machen und natürlich auch mögliche Klagen prüfen.

"Krone": Die Frage ist: Was haben Sie von diesen Geschäften gewusst? Der Anwalt der Beamtin hat eine E-Mail veröffentlicht, nach der Sie schon im September über die Verluste informiert worden seien.
Burgstaller: Das ist unrichtig. Die Mitarbeiterin hat sich im September dieses Jahres hilfesuchend an mich gewandt, weil sie - wie ich dann erfahren habe - nach Entzug der Vollmachten und ihrem Abzug aus diesen Geschäften nach einem längeren Krankenstand keinen Zugang zu ihren Daten mehr hatte. Sie war bei mir im Büro und alles, was ich ihr gesagt habe, war: Dass sie als Juristin wissen müsste, was es heißt, wenn man eine Dienstanweisung nicht beachtet. Der Termin bei mir hier an diesem Tisch wäre ihre Chance gewesen, vor drohenden Verlusten zu warnen oder gar zu sagen, dass es Geschäfte gab, die nicht den Richtlinien entsprachen. Tatsache ist: Sie hat bei diesem Gespräch nicht die geringste Andeutung in diese Richtung gemacht. Sie hat mich nicht gewarnt.

"Krone": Angeblich wurde Frau R. von allen Bankern hofiert. War diese Frau ein Finanzgenie oder eine Zockerin?
Burgstaller: Ich will mich auf solche Etikettierungen nicht einlassen. Aber ein Bild ist mir in Erinnerung, weil ich die Schuldnerberatung in Salzburg mit aufgebaut habe: Da machten Menschen die Erfahrung, dass man mit "nichts" Geld machen kann und wenn es dann Verluste gibt, dann ist dieser unerschütterliche Glaube da, dass man das alles wiedergutmachen kann. Mir haben bei der Schuldnerberatung viele Klienten gesagt: Wenn ich die Chance gehabt hätte, dann hätte ich alles wieder zurückgewonnen, aber sie haben mich nicht mehr ins Casino reingelassen. Für mich waren solche Fälle damals überhaupt nicht nachvollziehbar. Warum vernunftbegabte Menschen es nicht schafften zu sagen: Jetzt aber raus aus diesem Karussell!

"Krone": Frau R. hatte für ihr "Karussell" aber eine Vollmacht. Musste man nicht damit rechnen, dass sie diese auch ausschöpft?
Burgstaller: Sie hatte eine Vollmacht aus dem Jahr 2003, die auf einem Vier-Augen-Prinzip beruhte. Bis dato - ich muss sehr vorsichtig sein, es gibt ja viele Anwälte, die warten nur auf eine falsche Aussage - wurde mir berichtet, dass es schon sechs mutmaßliche Unterschriftenfälschungen geben soll. Es soll auch mehrere im Nachhinein geänderte Protokolle der Finanzbeiratssitzungen geben.

"Krone": Welche Fehler haben Sie selbst gemacht?
Burgstaller: Immer, wenn sich jemand über alle Regeln hinweggesetzt hat, stellt man sich die Frage: Hätten die Regeln anders ausschauen müssen? Ich glaube, man kann nicht alles verhindern, sondern man muss so viel daraus lernen, dass es kein zweites Mal in dieser Form passieren kann. Ich bin auch überzeugt davon, dass viele andere aus unserer Situation lernen können: Wie stellen sie ihre Organisation auf? Wie sieht ihr Risikomanagement aus?

"Krone": Angeblich haben Banken das Land Salzburg schon vor Jahren gewarnt...
Burgstaller: Mich hat keine Bank gewarnt.

"Krone": Und Brenner hätte schon im September von den Verlusten erfahren.
Burgstaller: Mir sind sie die drohenden Verluste seit 3. Dezember bekannt. Meine erste Reaktion war: Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Daher habe ich einen schriftlichen Bericht der zuständigen Abteilung verlangt. Erst im Zuge dieser konkreten Erhebung ist dann herausgekommen, dass es Unterschriftenfälschungen geben soll, dass Protokolle in großer Anzahl im Nachhinein verändert worden sein sollen. Das war auch die Grundlage für die Entlassung der Beamtin.

"Krone": Warum muss ihr direkter Vorgesetzter nicht gehen?
Burgstaller: Für den gilt das Disziplinarrecht. Dafür ist die ÖVP zuständig, ich habe dem Landesamtsdirektor einen klaren Auftrag gegeben zu prüfen, ob es dafür eine Veranlassung gibt.

"Krone": Waren Sie als Landeshauptfrau da überfordert?
Burgstaller: Ehrlich gesagt: Derivate und Swaps sind nicht meine Welt. Ich habe mich für diese Produkte privat nie interessiert. Sie sind nur jetzt auf mich übergeschwappt. Ich bin in solchen Fragen eher eine Mahnerin... Ich bin auch der Überzeugung, dass die öffentliche Hand keine Spekulationen machen soll.

"Krone": war immer: Das sind keine Spekulationen. Das Land Salzburg macht keine Verluste. Wir sind im Plus.

"Krone": Also wurden Sie bewusst getäuscht?
Burgstaller: Hätten Sie mich vor einigen Wochen gefragt, hätte ich Ihnen gesagt: Das Land Salzburg baut sein Risiko aus der Vergangenheit systematisch ab, das hat ja auch der Rechnungshof noch vor Kurzem bestätigt. Niemand hätte sich das in den schlimmsten Träumen vorstellen können, dass wir so etwas erfahren müssen. Dazu kommt noch diese Hilflosigkeit, nicht sagen zu können, wie real der Schaden für das Land wirklich ist.

"Krone": Im Landtag haben Sie sich unter Tränen entschuldigt. Wem haben diese Tränen gegolten?
Burgstaller: Es war nicht meine Absicht, mich emotional überwältigen zu lassen. Vielleicht war es der Druck, die Fassungslosigkeit. Meine Tränen, die haben dem Land gegolten. Diese Häme haben sich die Menschen nicht verdient. Deshalb kann ich mich als Regierungschefin schon entschuldigen, dass das Land und die Menschen in eine solche Situation gekommen sind.

"Krone": Was ist hämisch?
Burgstaller: Dass man Salzburg das größte Spielcasino Österreichs nennt. Das schmerzt. Oder dass die Frau Finanzministerin uns eine Troika schicken möchte.

"Krone": Haben Sie in der SPÖ eigentlich noch genug Rückhalt? Sie haben ja oft quergeschossen - Stichwort Studiengebühren oder Wehrpflicht...
Burgstaller: Also in der Salzburger SPÖ ist es überwältigend. Ich habe in den letzten Tagen - vom Bundespräsidenten, Bundeskanzler, von Ministern und Politikern aus anderen Parteien - so viel an Ermutigung und Ermunterung und Zuspruch bekommen, das hätte ich mir nie erwartet. Aber es gibt auch viele dunkle Momente. Ich wache oft auf in der Nacht und überlege mir, wie wir möglichst rasch aus dieser Affäre herauskommen.

"Krone": Werden Sie das durchstehen?
Burgstaller: Natürlich stelle ich mir die Frage: Schaffe ich das? In so einer Situation muss man schon sehr viel Kraft und Energie entwickeln, um - auch bei all dem Mediengetöse - trotzdem durchzuhalten. Das geht nur beim Gedanken an Menschen, die einem wichtig sind.

"Krone": Gibt Ihr Mann Ihnen Rückhalt?
Burgstaller: Mein Mann ist ein Mensch, der in den größten Krisen die größte Stärke entwickelt. Ich werde nie vergessen, wie er einmal bei einem schweren Busunfall mit mehreren Toten voller Ruhe in der Mitte dieses Trümmerfeldes gestanden ist und Hubschrauber dirigiert hat. Dieses Bild ist mein Vorbild. Ich möchte die Kraft haben, das Richtige zu tun in dieser Katastrophe. Meinen Platz einzunehmen.

Steckbrief Gabi Burgstaller
Geboren als Tochter einer Bauernfamilie am 23. Mai 1963 in Penetzdorf/Niederthalheim, OÖ. Matura in Gmunden, Jus-Studium in Salzburg. Ab 1989 ist sie als Konsumentenberaterin in der AK Salzburg tätig. 1994 wird sie Landtagsabgeordnete, 1999 Landesrätin. Landesparteivorsitzende der SPÖ Salzburg seit 2001, Landeshauptfrau von Salzburg seit 28. April 2004. Seit 2003 ist sie mit Anton Holzer, dem Landeskommandanten des Roten Kreuzes, verheiratet und lebt in Hallein.

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