"Super-Mario"

Nach einem Jahr Monti: Andere Zustände in Italien

Ausland
12.11.2012 11:10
Ein Jahr ist seit dem Amtsantritt von Mario Monti vergangen - und Italien ist kaum wiederzuerkennen. Unter der Führung des Ex-EU-Kommissars, der am 16. November 2011 das Ruder seines von der Staatspleite bedrohten Landes übernommen hat, sind die Sex-Skandale und populistischen Slogans von Vorgänger Silvio Berlusconi längst vergessen. Mit rigoroser Sachlichkeit vollzog Monti eine Stilwende im Land, die seine Anhänger sogar als "Kulturrevolution" bezeichnen. Gute Manieren und bescheidenes Auftreten haben die schräge Bunga-Bunga-Ära abgelöst.

Mit einem geschickten Schachzug von Staatspräsident Giorgio Napolitano als Chef einer Übergangsregierung eingesetzt, ist der Wirtschaftsprofessor aus der Lombardei in Windeseile ans Werk gegangen, um in Italien die Staatspleite abzuwenden. Monti hat von den Italienern "Blut und Tränen" verlangt, um das Land vor dem Bankrott zu retten und bis Ende 2013 eine ausgeglichene Bilanz vorlegen zu können. Mit Volldampf hat der parteiunabhängige Regierungschef konsequent an der Sanierung der Staatskassen und den Maßnahmen zum Wirtschaftsaufschwung gearbeitet. Dabei hat er sich auch nicht davor gescheut, durchaus unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen.

Auf Konfrontationskurs mit Lobbygruppen und Gewerkschaften
Kurz nach seinem Amtsantritt hat Monti, oftmals auch "Super-Mario" genannt, einen milliardenschweren Sparplan nach dem Motto "Rettet Italien!" über die Bühne gebracht, mit dem sein Land auf dem internationalen Parkett wieder Glaubwürdigkeit zurückgewinnen konnte. Zugleich verabschiedete der Premier Wachstumsmaßnahmen und ein Paket zur Liberalisierung verkrusteter Wirtschaftsbereiche. Dabei ging der 69-Jährige konsequent auf Konfrontationskurs mit mächtigen Lobbygruppen wie Notaren, Rechtsanwälten, Apothekern, Taxifahrern und anderen berufsständischen Vereinigungen. Auch eine umstrittene Liberalisierung des Arbeitsmarktes setzte er trotz des heftigen Widerstands der einflussreichen Gewerkschaften durch.

Politiker-Lohnkürzungen, Gesetz zur Korruptionsbekämpfung
Der untypische Regierungschef scheute sich nicht davor, auch die verwöhnten Politiker zu Opfern zu zwingen. So wurden die Gehälter der Parlamentarier um 1.300 Euro brutto gekürzt. Die Vergütung seiner Minister ließ Monti sogar im Internet veröffentlichen. Außerdem werden Abgeordnete und Senatoren künftig keine Pension mehr nach lediglich einer einzigen Legislaturperiode im Amt beziehen können. Auch die Regionalpolitiker wurden auf strengen Sparkurs gesetzt. Als privaten Beitrag zu den Sparbemühungen verzichtete er auf sein Gehalt als Premier und Wirtschaftsminister. Zuletzt brachte er ein strenges Gesetz zur Korruptionsbekämpfung im Parlament durch.

Kampf gegen Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft
Vor allem den rigorosen Einsatz gegen Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft hat sich Monti groß auf die Fahnen geschrieben. So haben die Finanzfahnder begonnen, all jene aufzuspüren, die in Saus und Braus leben, dem Fiskus aber ein minimales Einkommen vorgaukeln. Mit Jachten, Ferraris und Hubschraubern zu prahlen, ist in Italien endgültig out. Systematisch wurden Steuerkontrollen durchgeführt, was kritische Reaktionen auslöste - Hoteliers, Geschäftsleute und Unternehmer klagen seither, dass die mehrstündigen Kontrollen der Steuerfahnder die Gäste verschrecken würden.

Kritik an "Rezessionsministerpräsident" wegen Sanierung
In seinem Jahr Amtszeit musste Monti jedoch auch scharfe Kritik hinnehmen. Die Gewerkschaften etwa warfen ihm vor, in seinem von der Rezession geplagten Land zu wenig für die Ankurbelung der Wirtschaft getan zu haben. Als "Rezessionsministerpräsident" prangerte Berlusconi dementsprechend seinen Nachfolger an. Demnach habe dieser mit einer lediglich auf Steuerpolitik basierenden Sanierungsstrategie den Konsum in Italien erdrosselt und Investoren verschreckt. Und der Kaufleuteverband Confcommercio beklagt, dass Italien gerade den "drastischsten Konsumrückgang seit dem Zweiten Weltkrieg" erlebe. Bis Ende dieses Jahres dürfte das italienische Bruttoinlandsprodukt um krasse 2,4 Prozent schrumpfen. 30 Prozent der italienischen Unternehmen rechneten im laufenden Jahr mit Verlusten, geht aus einem Bericht der Notenbank hervor.

"Montis Technokraten haben uns die Demokratie genommen"
Die Zustimmung zu Montis Politik ist angesichts seiner teils unpopulären Reformen im Laufe seiner Amtszeit gesunken, liegt aber laut Umfragen immer noch bei - für italienische Verhältnisse guten - 40 Prozent. Bei seiner Amtsübernahme hatten noch rund 70 Prozent der Bürger dem neuen Premier vertraut. Auch die Behauptung seiner Gegner, im Dienst der hohen Finanz zu stehen, belastet Monti immer wieder. "Montis Technokraten und ihre Lobbys haben dem italienischen Volk und Parlament die Demokratie genommen", protestiert etwa der Spitzenpolitiker der Lega Nord und Ex-Minister Roberto Calderoli. Als einzige Oppositionspartei im italienischen Parlament geht die rechtspopulistische Bewegung gegen die neue Expertenregierung in Rom auf die Barrikaden und fordert ein Anti-Euro-Referendum.

"Professor" will sich weiter "in den Dienst des Landes" stellen
Unklar ist, wie es nach Ende der nunmehrigen Legislaturperiode im März weitergehen wird. Die Aussicht auf eine zweite Regierung Monti nach den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr ist alles andere als unrealistisch. Der Premier erklärte kürzlich, er sei bereit, sich weiter "in den Dienst des Landes" zu stellen. Und gemäßigte Zentrumsparteien haben in Rom bereits ihre Bereitschaft signalisiert, ein zweites Kabinett unter der Führung des "Professors" zu unterstützen. Monti will jedenfalls nicht als Kandidat an den kommenden Parlamentswahlen teilnehmen, schließlich sitzt er bereits als Senator auf Lebenszeit im Parlament. Sollten jedoch nach den Parlamentswahlen "gewisse Umstände" auftreten, sei er bereit, dem Land zu helfen, so Monti.

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