Theatergeschichtlich ist das, was Schauspielhaus und Oper Graz mit der Ballett-Komödie „Der Bürger als Edelmann“ von Jean-Baptiste Lully und Molière bieten, hochinteressant. Der Unterhaltungswert ist ebenfalls groß, wenn man mit hemmungslosem Klamauk sein Auslangen findet.
Es ist sozusagen die Urform von „Le Bourgeois gentilhomme“ von 1670, die in Graz die Bühne der Oper erklimmt. Zur Unterhaltung des Sonnenkönigs haben Hofkomponist Lully und Hofdichter Molière ihre Künste zusammengeführt und ein Stück geschaffen, das nicht nur den bürgerlichen Emporkömmling und durchtriebene Adelige bloßstellt, sondern auch Musik, Gesang, Ballett und Sprechtheater vereint.
Erst ein Streit zwischen den beiden Hofkünstlern hat dazu geführt, dass Text und Musik wieder getrennt wurden, zum Vorteil beider, möchte man aus heutiger Sicht meinen. Die Bühnen Graz ehrt das Vorhaben, die Kräfte ihrer Häuser erstmals seit Bestehen des Verbandes zu bündeln. Und diese Kräfte können sich wahrlich sehen lassen.
Barocke Opulenz in der Musik
Die Grazer Philharmoniker können unter der Leitung des ausgewiesenen Spezialisten Konrad Junghänel auch Barock. Durch die Platzierung auf der Bühne ist ihr ausgezeichnetes Wirken auch besser sicht- und hörbar. Und der Dirigent kann sogar ein bisschen mitspielen.
Eine besondere Freude macht einmal mehr das Ballett-Ensemble in der Choreografie von Louis Stiens: Naomi Bethke, Nicolas Köhler, Isabel Edwards, Lorenzo Galdeman und Philipp Imbach, der auch in mehreren kleinen Rollen glänzt, sorgen für wunderbare Einlagen. Selten hat man so hingebungsvolle Schafe gesehen.
Die Ensembles können gut miteinander
Und auch was die Sänger und Schauspieler zeigen, kann sich sehen und hören lassen. Anna Brull ist wieder eine Klasse für sich, gemeinsam mit Bariton Markus Butter und Tenor Sebastian Monti, der über eine ideale barocke Klangfarbe verfügt, gelingen berührende Momente. Auch Franz Gürtelschmied, Euiyoung Peter Oh und Wilfried Zelinka gefallen gut.
Tim Breyvogel als Monsieur Jourdan liefert eine großartige Show als Möchtegern in allen Bereichen. Karola Niederhuber gibt seine Frau als Stimme der Vernunft, Otiti Engelhardt als Tochter ist die Dickköpfigkeit in Person. Mario Lopatta überzeugt als hysterischer Verliebter ebenso wie als junger Kaiser, der nur Dornbirner Dialekt spricht, Oliver Chomik als sein cooler Freund, aber auch als schneidiger Fechtmeister. Differenziert legt Franz Solar seine beiden Rollen als Philosoph und Graf Dorante an, Luisa Schwab als Baronin mit schwerer steirischer Zunge und Luiza Monteiro als pfiffiges Dienstmädchen mit sängerischen Qualitäten runden ein so spielfreudiges wie hinreißendes Ensemble ab.
Zu viel Klamauk, zu wenig Tiefgang
Bleibt noch das Leading Team: Regisseur Matthias Rippert, Bühnenbildner Fabian Liszt und Kostümbildnerin Johanna Lackner. Während Letztere aus anfänglicher Zurückhaltung in überschwängliche Opulenz driftet, bleibt das elegante holzvertäfelte Halbrund den Abend über unverändert. Dort siedelt Rippert seine übersprudelnden Einfälle an. Da ist alles immer ein wenig zu viel, zu hysterisch, zu bummelwitzig. Für etwaige Gesellschaftskritik bleibt bei so viel Klamauk kaum Platz. Die Gründe für die schnellen Lacher sind genauso schnell wieder vergessen, und für Kurzweiligkeit ist der Abend einfach zu lang. Ein verlorener ist es aber dank der vielen fantastischen Akteure nicht.
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