"Inversion" erzählt die Geschichte des Polizisten, Vaters und Ehemannes Davis Russel, der sich plötzlich und unerwartet im Krieg wiederfindet: Seine eben noch so friedliche Welt wird von brutalen Invasoren überrannt, die direkt aus der Donnerkuppel von Mad Max entsprungen zu sein scheinen. Sprich: Sie sehen aus wie ein Haufen unzivilisierter Wilder und verhalten sich auch so. Trotz ihrer vermeintlichen Primitivität verfügen die Invasoren über mächtige neue Waffen, mit denen sich die Schwerkraft manipulieren lässt.
Wofür das gut sein soll und warum es die sogenannten Lutadore ausgerechnet in die fiktive Stadt Vanguard City verschlagen hat, gilt es in den folgenden acht bis zehn Stunden der Kampagne zusammen mit Russels Partner Leo Delgado herauszufinden. Ach ja, die in den Kriegswirren verloren gegangene Tochter wäre auch noch ausfindig zu machen.
So weit, so schlecht die Ausgangslage in dem Sci-Fi-Shooter, der für seine Story zwar sicher keinen Oskar für das beste Drehbuch gewinnen wird, mit seiner glaubwürdigen Darstellung der Ereignisse auf der narrativen Ebene aber durchaus zu punkten vermag. So ziehen Russel und Delgado nicht etwa gleich als Heroen in den Kampf, sondern finden sich – so viel sei verraten – erst einmal in einem Lager für Kriegsgefangene wieder, aus dem es zu entkommen gilt.
Da werden Erinnerungen wach
In spielerischer Hinsicht unterscheidet sich "Inversion" zunächst kaum von seinen Mitbewerbern auf Basis der Unreal-3-Engine: Mit recht konventionellen Schießprügeln kriecht, duckt und hechtet sich der muskelbepackte Russel in den langsam auseinanderbröckelnden, dabei jedoch stets linear verlaufenden Levels von Deckung zu Deckung, lässt dabei ein paar markige Sager vom Band und eilt seinem Partner gelegentlich zur Hilfe, wenn dieser wieder einmal röchelnd am Boden knien sollte. "Moment, das kommt mir irgendwie bekannt vor", mag sich so mancher "Gears of War"-Fan dabei denken – und hat damit wahrscheinlich gar nicht mal so Unrecht.
Völlig losgelöst von der Erde
Spätestens mit Auffinden des sogenannten Gravlinks hebt sich "Inversion" jedoch wieder ein Stück weit von der Konkurrenz ab: Das auf den Rück festzurrbare Wunderding erlaubt es Russel und seinem Spezi, Einfluss auf die Schwerkraft zu nehmen und auf Knopfdruck Gegenstände wahlweise schweben zu lassen oder zu Boden drücken.
Kreative Köpfe können dies auf unterschiedlichste Art und Weise für den Kampf nutzen. So lassen sich entweder einzelne Gegner in die Schwebe befördern oder gleich die Deckung, hinter welcher sie sich eben noch zu verstecken versuchten. Ebenfalls ist es möglich, Objekte wie Steine, Fässer oder später sogar ganze Autos in die Luft zu befördern und auf die Widersacher zu werfen, was insbesondere bei den durchaus fordernden Bosskämpfen vonnöten ist. Wer in Schwierigkeiten gerät, kann das Gravlink aber auch nutzen, um sich selbst eine Deckung zu schaffen.
Unpraktisches Handling
Einziger Haken: In der Praxis erweist sich das Gravitations-Gadget leider oftmals als zu ungenau und zeitraubend, um es wirklich effektiv einsetzen zu können. Wer die sichere Deckung verlassen muss, um Objekte erst vom Boden in die Luft zu befördern und anschließend zu werfen, dabei aber haufenweise Treffer kassiert, der überlegt sich beim nächsten Mal genau, ob er wieder auf das Gravlink zurückgreift oder nicht doch besser gleich auf die gewöhnliche Shooter-Tour spielt, nämlich ballernd.
Glücklicherweise erschöpft sich das Spiel mit der Schwerkraft in "Inversion" aber nicht nur auf das Heben und Senken von Gegenständen. Hier und da dürfen sich Russel und Delgado auch zur Gänze in der Schwerelosigkeit bewegen und wie Ingenieur Isaac Clarke in "Dead Space" durch den luftleeren Raum schweben. Die Flugrichtung ist dabei aber weitgehend vorbestimmt. Anstatt sich wirklich frei zu bewegen, kann lediglich aus bestimmten Anflugzielen, beispielsweise schwebenden Straßenstücken, gewählt werden.
Zur Seite gekippt
Deutlich spaßiger ist es da schon, wenn der gesamte Level durch Durchschreiten sogenannter Anomalien auf den Kopf gestellt wird, genauer gesagt: zur Seite gekippt. Stand man eben noch auf der Straße, befindet man sich im nächsten Moment auf der Fassade eines Hauses links oder rechts davon und läuft an dieser entlang. Ein ähnliches Kopfüber-Gefühl gab es beispielsweise bereits in "Prey" zu erleben, allerdings wurden der dreidimensionale Raum und die Möglichkeiten, die sich durch diesen für das Leveldesign ergeben, dort wesentlich konsequenter genutzt als in "Inversion".
Potential nicht ausgeschöpft
Gestalterisches Potential bleibt also auf der Strecke, das Spiel mit der Gravitation verkommt zum Beiwerk, das zwar durchaus einiges an Spaß und Abwechslung ins Geschehen bringt, letzten Endes aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass "Inversion" über weite Strecken eben doch ein gewöhnlicher 3rd-Person-Shooter ist – immerhin jedoch ein grafisch gelungener. Besonders gut gefallen hat, dass sich viele der Umgebungen dem Erdboden gleichmachen lassen, was es sowohl Gegnern als auch einem selbst erschwert, länger hinter ein und derselben Deckung zu verweilen.
Multiplayer für bis zu zwölf Spieler
Letzteres macht "Inversion" auch für Multiplayer-Fans interessant, wenngleich die Auswahl der zur Verfügung stehenden Modi eher gewöhnlich ist. Neben einem Koop-Modus, in dem die Kampagne zu zweit durchlebt werden kann, können sich bis zu zwölf Spieler in insgesamt sechs Modi wie Deathmatch, Team-Deathmatch, Capture-the-Flag oder Survival, bei dem es Wellen heranstürmender Feinde zu besiegen gilt, beweisen und mit ihren Gravlinks gegenseitig die Grenzen der Schwerkraft ausloten.
Fazit: "Inversion" ist ein gut gemachter, grundsolider Shooter mit einigen frischen Ideen und Ansätzen, aus denen man allerdings wesentlich mehr hätte machen können. Das "Kopfüber-Feeling" setzt leider viel zu selten ein, und auch sonst wird das sich durch die Schwerkraft bzw. deren Fehlen bietende Potential nicht voll ausgeschöpft. Wer die Wartezeit bis zum Erscheinen des nächsten "Gears of War" überbrücken möchte, wird von "Inversion" jedoch nicht enttäuscht.
Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC
Publisher: Namco Bandai
krone.at-Wertung: 7/10
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