Großes Interview

Soldat zur „Krone“: Moskau geschwächt, aber …

Ukraine-Krieg
03.03.2024 06:00

Viktor Torkotiuk ist Kommandeur der ukrainischen Spezialeinheit „Artan“. Vor zwei Jahren wollte er mit seiner Frau die Wiener Oper besuchen. Doch dann kam ihm der Krieg dazwischen.

Sie nennen ihn „Titan“, seit zwei Jahren kämpft er an der Front: Oberstleutnant Viktor Torkotiuk, seit 19 Jahren verheiratet, Vater von zwei Töchtern und zwei Söhnen. Im Gespräch mit der „Krone“ beschreibt er den ungleichen Kampf gegen Russland, die ständige Gefahr durch Drohnen und wie es sich anfühlt zu töten.

Kronen Zeitung: Herr Torkotiuk, was sagen Sie aktuell Ihren Soldaten, wenn sie Sie fragen, wie lange dieser Krieg noch dauern wird?
Viktor Torkotiuk:
Diese Frage hat mir noch niemand in meiner Einheit gestellt. Natürlich sind einige von uns nach zwei Jahren intensiver Kämpfe bereits etwas müde. Aber wir alle motivieren uns gegenseitig. Wir sind bereit für einen langen Kampf.

Wenn Sie den Beginn des Krieges vor zwei Jahren mit der heutigen Situation vergleichen: Was hat sich am meisten verändert? Inwiefern ist der Krieg jetzt anders als zu Beginn?
Praktisch alle konventionellen Waffen, die den Russen zur Verfügung stehen, werden jetzt auf dem Schlachtfeld eingesetzt. Der Krieg ist in allen Bereichen im Gange: Bodenoperationen, See- und Luftkämpfe sowie Konfrontationen im Cyberspace und der Kampf von Geheimdiensten. Moskau ist geschwächt, aber nicht genug, um den Krieg zu beenden. Wir haben also keine andere Wahl, als Russland weiterhin Verluste zuzufügen, damit wir zum richtigen Zeitpunkt einen entscheidenden Schlag ausführen können.

Was fehlt Ihren Soldaten momentan am meisten?
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Versorgung mit bestimmten Waffentypen durch unsere Partner verzögert. Wir brauchen vor allem Artilleriesysteme, Munition und Luftabwehrsysteme, denn Russland hört nicht auf mit seinem Raketenterror und Angriffen mit iranischen Drohnen. Natürlich brauchen wir dringend Kampfflugzeuge, um Russlands Luftüberlegenheit auszugleichen. Ich möchte aber betonen, dass wir nicht nur auf westliche Lieferungen angewiesen sind. Die ganze Welt kann gerade sehen, wie unsere ukrainischen Marinedrohnen die Reste der russischen Schwarzmeerflotte zerstören.

Und wie hoch ist die Bedrohung umgekehrt durch russische Drohnen?
Wir sehen und hören sie ständig, und wenn wir können, schießen wir sie ab. Die Russen haben hier viel von unserem Know-how übernommen und nutzen es aktiv: Eine Drohne klärt aus großer Höhe auf, eine andere stürzt sich ins Ziel und explodiert. Sturmgewehre helfen dagegen wenig, wir setzen Störsender und Schrotflinten ein.

Sind das Ihre wichtigsten Waffen?
Nein, die wichtigste Waffe ist unser Geist. Wir versuchen, richtig zu planen, mehrere Optionen für die Entwicklung der Ereignisse zu haben. Und unerwartet und präzise anzugreifen.

Was vermissen Sie persönlich an der Front am meisten? Abgesehen von Freunden und Familie?
Ich vermisse den Frieden und das normale Leben. Meine Frau und ich sind sehr reiselustig. Wir hatten übrigens Tickets nach Wien gekauft, wir sollten im April 2022 fliegen, hatten ein Hotel gebucht. Aber wegen des russischen Einmarschs im Februar mussten wir unseren Besuch ein wenig verschieben. Solange Russland mein Land bedroht, werde ich nicht in die Wiener Oper gehen können. Mein Orchester sind jetzt meine Jungs.

Ist es im Laufe des Krieges leichter geworden zu töten? Für Sie persönlich und für Ihre Männer?
Die russische Armee ist auf Befehl Putins gekommen, um uns, die Ukrainer, zu vernichten, weil sie glaubt, dass wir als Nation nicht existieren. Sie töten unsere Menschen jeden Tag. Deshalb halte ich es nicht für richtig, über die „Leichtigkeit“ oder „Schwierigkeit“ des Tötens im Krieg nachzudenken. Wir haben keine andere Wahl.

Was spüren Sie dabei?
Wenn wir auf russische Soldaten schießen? Nichts. Außer den Rückstoß.

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