Kairo in Aufruhr

Präsidentenwahl: Ergebnis weiter unter Verschluss

Ausland
21.06.2012 16:41
In Ägypten wächst die Spannung, nachdem die Wahlkommission die für Donnerstag geplante Kundmachung des Ergebnisses der Präsidentenwahl verschoben hat. Kurz darauf strömten Tausende Anhänger der Muslimbruderschaft auf den Tahrir-Platz in Kairo. Sie betrachten ihren Kandidaten Mohammed Mursi als Sieger der Wahl. Der Militärrat hatte zuvor das von den Islamisten dominierte Parlament aufgelöst, die Vollmachten des künftigen Staatspräsidenten beschnitten und sich die Federführung bei der Ausarbeitung der Verfassung gesichert.

Nach der Stichwahl am vergangenen Wochenende hatten sich sowohl Mursi als auch sein Kontrahent, der letzte Ministerpräsident des Mubarak-Regimes, Ahmed Shafik, zu Siegern erklärt. Die Wahlkommission begründete die Verschiebung der Resultatsverkündung damit, dass sie 400 Einsprüche wegen mutmaßlicher Wahlfälschung zu prüfen habe. Anhänger Mursis unterstellten ihr, die Ergebnisse im Auftrag der herrschenden Militärs zugunsten Shafiks "korrigieren" zu wollen.

Ursprünglich hätte das Ergebnis der mit großer Leidenschaft und Erbitterung ausgefochtenen Stichwahl am Donnerstag vorliegen sollen. Mursis Lager behauptet, sein Kandidat habe rund 52 Prozent der Stimmen erhalten. Die Unterstützer Shafiks sehen dagegen ihren Mann mit 51,5 Prozent vorne. Die Wahlkommission hatte entsprechend ihrer eigenen Prozeduren kein vorläufiges Endergebnis vorgelegt. Sie beschränkt sich auf die Bekanntgabe des definitiven Endergebnisses, nachdem sie über die verschiedenen Einsprüche entschieden hat. Ihr Vorgehen erhöhte die Spannungen. 

Militärrat wehrt sich gegen Islamisten
Die Muslimbruderschaft, eine vor 80 Jahren gegründete, lange Zeit illegale islamistische Kaderorganisation mit ausgedehnten zivilen und klerikalen Netzwerken, sieht sich mit dem angeblichen Wahlsieg Mursis vor dem historischen Moment, die Führung des Landes zu übernehmen. Der Oberste Militärrat, der das Land seit dem Sturz des Langzeitherrschers Hosni Mubarak im Februar 2011 regiert, stemmt sich vehement gegen eine Machtübernahme durch die Islamisten.

Die Militärs schöpfen dabei die nach Mubaraks Sturz übernommenen Vollmachten voll aus, die sich - nach ihrer Sichtweise - selbst auf verfassungsgebende Akte erstrecken. So hatte der Militärrat jüngst den seit mehr als 30 Jahren geltenden Ausnahmezustand auslaufen lassen, um kurz darauf zu verfügen, dass die Militärpolizei jederzeit Zivilisten festnehmen und verhaften kann.

Human Rights Watch wirft Militär Machtmissbrauch vor
In Anbetracht dieser Ereignisse warf die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dem Militär Selbstermächtigung und Machtmissbrauch vor. "Die unermüdliche Ausweitung der Vollmachten, um Zivilisten festzunehmen und abzuurteilen, geht derzeit weit über die Vollmachten unter Mubarak hinaus", erklärte Joe Stork, der Nahost-Direktor der Organisation, am Donnerstag in New York.

Die verfassungsrechtlichen Erlässe des Obersten Militärrates seien "das jüngste Anzeichen dafür, dass es am 30. Juni keine substanzielle Machtübergabe an eine zivile Regierung geben wird", führte Stork aus. Das Militär hatte angekündigt, die Macht an diesem Tag an den neuen Präsidenten zu übergeben.

Folter-Polizisten zu langer Haft verurteilt
Ein ägyptisches Gericht hat unterdessen am Donnerstag vier Polizisten zu langen Haftstrafen verurteilt, die einen Gefangenen zu Tode gefoltert haben. Ein Mitglied der inzwischen aufgelösten Staatssicherheit, die unter Mubarak zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, muss nach Justizangaben 15 Jahre hinter Gitter. Gegen die anderen drei Angeklagten wurde demnach in Abwesenheit eine lebenslängliche Haftstrafe verhängt. 

Die Polizisten wurden schuldig gesprochen, einen Inhaftierten so schwer gefoltert zu haben, dass dieser letztlich an seinen Verletzungen starb. Der Mann war im Zusammenhang mit einem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria festgenommen worden, bei dem in der Silvesternacht vom 31. Dezember 2010 rund 20 Menschen getötet wurden.

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