Live in der Szene Wien

Metal-Ikone Abbath: Gefangen in der Beliebigkeit

Musik
06.02.2024 01:31

Montagabend füllte die norwegische Black-Metal-Legende Abbath die Wiener Szene bis auf den letzten Platz. Der direkte Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart macht aber klar - die fetten Jahre sind vorbei. Der 50-Jährige bewegt sich seit geraumer Zeit nur noch im Kreis.

(Bild: kmm)

Die Geschichte wiederholt sich ein ums andere Mal. Beste Jugendfreunde teilen das gemeinsame Hobby, gründen eine Band und werden irgendwann erfolgreich. Man reitet auf dieser Erfolgswelle. Mit den Jahren rücken die Jungen nach, die die alten Pioniere als ihre Idole sehen und ihnen nacheifern. Bei den einstigen besten Jugendfreunden tun sich irgendwann Risse auf. Die Gründe sind mannigfaltig. Ruhm, Rampenlicht, Drogen, Alkohol, Neid - man kann die Begriffe durchwürfeln, Volltreffer sind garantiert. Was im großen Pop- und Rockbereich der Fall ist, macht auch vor dem beliebten Subgenre Black Metal nicht Halt. In diesem Fall heißen die beiden Protagonisten Abbath und Demonaz, die sich über einen Zeitraum von knapp 30 Jahren insgesamt drei Bands teilten, mit einer (Immortal) respektable Erfolge rund um den Globus feierten und durch eine Heirat einst sogar zur Familie wurden. Geblieben sind tiefe Gräben, eine Scheidung, Animositäten und getrennte Projekte, die natürlich nicht an die gemeinsamen Großtaten herankommen.

Am besten kamen seine alten Immortal-Songs an. (Bild: Andreas Graf)
Am besten kamen seine alten Immortal-Songs an.

Gutklassige Vita
Der an Jahren ältere Demonaz hat zwar nicht so viele gute Lieder wie sein alter Kumpel geschrieben, sich aber den Bandnamen behalten. Abbath nahm den Großteil des Publikums mit und gründete 2015 sein gleichnamiges Soloprojekt, in dem er unzählige MusikerInnen verbrauchte, durch diverse Alkoholrückschläge und persönliche Krisen ging und drei Alben veröffentlichte, die nicht über das Prädikat „gutklassig“ hinausgehen. Der Auftritt in der restlos ausverkauften Wiener Szene ist der 32. Tag auf Tour - kein Bemmerl für einen 50-Jährigen, der mit seinem Rockstargehabe mindestens drei normale Leben gelebt hat. Mit einer routinierten, aber nicht herausragenden Mannschaft entert er für knapp 75 Minuten die Bühne und verwandelt einen frühlingshaften Wintermontag für viele Fans zum El Dorado der Woche. Dabei hat der Szenevorreiter aus dem pittoresken Bergen mit allerhand Problemen zu kämpfen.

Der 50-Jährige Norweger ist ein Meister der Selbstinszenierung. (Bild: Andreas Graf)
Der 50-Jährige Norweger ist ein Meister der Selbstinszenierung.

Der Sound ist an diesem Abend völlig übersteuert und laut, man erkennt erst gegen Mitte des Sets instrumentale Nuancen, die für das feine Spiel nicht unwichtig wären. Abbath-Solosongs wie „Dread Reaver“, „Ashes Of The Damned“ oder „Acid Haze“ mögen bei den jüngeren Fans zünden, sind aber nur ein billiger Abklatsch erfolgreicher Immortal-Songs der Marke „In My Kingdom Cold“ oder „Beyond The North Waves“, deren Magie auch durch den dumpfen Klangbrei noch erlebbar ist. Nach mehr als 30 Jahren im Geschäft geht Abbath sukzessive die kreative Puste aus und auch an diesem Abend lebt der Frontmann mehr von seinem bissigen Humor und der sympathischen Ausstrahlung, als vom dargebotenen Liedgut. Mit zunehmendem Alter nähert er sich stärker seinem großen KISS-Idol Gene Simmons an, auch die spitze Zunge schnellt des Öfteren frivol hervor. Wenn er nicht rifft oder soliert, keifnuschelt er ein paar launige Ansagen und bedankt sich auf Deutsch bei den begeisterten Wienern. Neben der Setlist wirken aber auch die Schritte und Schmähs einstudiert und choreografiert.

Mit dem Material seiner drei Soloalben kommt Abbath nicht an die Großtaten von früher heran. (Bild: Andreas Graf)
Mit dem Material seiner drei Soloalben kommt Abbath nicht an die Großtaten von früher heran.

Private Tragödie
Mit dem markanten Corpsepaint und der programmatischen Rüstung spielt sich Abbath routiniert durch den Abend, die großen Höhepunkte, Überraschungen oder erinnerungswürdige Momente bleiben zumindest heute außen vor. Emotionaler wird es da schon am Merch-Tisch, wo Abbaths Team netterweise ein Kondolenzbuch für seine während der Tour verstorbene Mutter aufgelegt hat, in dem sich zahlreiche Fans aus ganz Europa mit teilweise herzhaften Botschaften eingetragen haben. Der Social Media verweigernde Bandchef kann sich nach der Tour mit den Grußbotschaften und nett gemeinten Durchhalteparolen seiner Anhänger beschäftigen und hoffentlich auch die angemessene Zeit zur Trauer finden. Bis auf eine Polen-Show, die mit dem Begräbnis seiner Mutter kollidierte, sagte Abbath keinen Gig ab. The Show Must Go On. Auch in dieser Hinsicht ist er Gene Simmons mittlerweile näher als je zuvor.

Thrash Metal, der ein bisschen müde war: die US-Band Toxic Holocaust um Joel Grind. (Bild: Andreas Graf)
Thrash Metal, der ein bisschen müde war: die US-Band Toxic Holocaust um Joel Grind.

Für das Tour-Vorprogramm wählte der Norweger keine artverwandten Schminktopfcombos aus seiner Gegend, sondern zwei zünftige Thrash-Metal-Bands mit kräftiger Speed-Metal-Harke und leichtem Black-Metal-Feeling. Das US-Geschwader Toxic Holocaust rund um Frontmann und Alleinunterhalter Joel Grind war ganze zehn Jahre lang nicht mehr in Wien zu Gast. Seitdem ist trotzdem nur ein Studioalbum herausgekommen, über das man lieber den Mantel des Schweigens breitet. Dementsprechend setzt Grind mit den beiden Mitstreitern auf rifflastige Highlights der älteren Tage. „In The Name Of Science“, „War Is Hell“ und der Headbanger „Nuke The Cross“ laden die Fans zwar zum Moshpit und Ausschwitzen, aber auch im TH-Camp war das allgemeine Feuer schon einmal heftiger am Brennen. Vor allem, wenn man im Direktvergleich gegen die nächste Generation antritt - in diesem Fall Hellripper.

James McBain hat mit seinem Projekt Hellripper vom Kinderzimmer aus die Charts erobert. (Bild: Andreas Graf)
James McBain hat mit seinem Projekt Hellripper vom Kinderzimmer aus die Charts erobert.

Es geht um die Zukunft
Dahinter verbirgt sich der 28-jährige Schotte James McBain, der sich gerne offen gegen rechts postiert, die alten Helden Kreator, Darkthrone oder Venom zitiert und mit einer humorigen Social-Media-Schiene der Gegenwart kombiniert. Songs wie „Nekroslut“, „Goat Vomit Nightmare“ und „The Nuckelavee“ schneiden richtig ins Fleisch und mit seinem letzten Studioalbum „Warlocks Grim & Withered Hags“ gelang ihm im Vorjahr sogar ein Charteinstieg. Publikum und Musiker zucken in Wien gemeinschaftlich aus. McBain erzählt uns im Vorfeld von einer erfolgreichen Tour. „Es läuft grandios. Wir hatten fast nur großartige Shows, auch die Abbath-Fans zeigten immer Respekt“. Wenn Abbath in der Gegenwart feststeckt und Toxic Holocaust eher in der Vergangenheit leben, dann gehört Hellripper die Zukunft. Am nächsten Studioalbum für 2025 wird auch schon fleißig geschraubt. Abbath schippert indes weiter im nebulösen Meer der Durchschnittlichkeit - und alle warten einstweilen auf eine Immortal-Reunion …

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