Ex-Biathlet Eberhard:

„Gänsehaut – es gibt nichts Vergleichbares!“

Salzburg
06.02.2024 00:01

Bei der Biathlon-WM in Tschechien werden 200.000 Zuschauer erwartet. Österreichs Team konnte in diesem Winter nur selten überzeugen und zählt daher nur zu den Außenseitern. Ex-Profi Julian Eberhard, selbst zweifacher WM-Medaillengewinner, spricht in der „Krone“ über die Chancen der ÖSV-Athleten, die norwegische Dominanz bei den Herren und die durchwachsene Saison von Lisa Hauser.

Ein Land im Ausnahmezustand! Tschechien fiebert der morgen beginnenden Biathlon-WM in Nove Mesto na Morave entgegen. Für das österreichische Team bildet der Saisonhöhepunkt die Möglichkeit, eine bislang schwache Saison doch noch zu retten. Warum lief es bisher nicht? Wie stehen die ÖSV-Chancen? Der zweifache WM-Medaillengewinner und heutige ServusTV-Experte Julian Eberhard über ...

… Nove Mesto als WM-Ort: Was dort auf die Beine gestellt wurde, mit diesen fanatischen Fans - da gibt’s nichts Vergleichbares! Die Leute gehen so mit, dass du Gänsehaut kriegst. Ich war bei der WM 2013 dabei, das war ein wunderschönes Erlebnis.

… die fehlende Winterlandschaft: Das ist der zweite Winter in Folge, in dem es so dramatisch ist. Ich habe zuletzt das Skispringen in Willingen verfolgt oder auch das Rodeln in Altenberg. Als Wintersportler und Naturliebhaber bedrückt mich das sehr. Solche Bilder will man nicht sehen, wir werden uns aber wohl daran gewöhnen müssen.

… die bislang schwache Saison der Österreicher: Ich fühle mit den Athleten. Ich weiß, was es bedeutet, Leistung zu bringen, aber auch, wenn es mal nicht funktioniert. Wir haben erst zwei Top-10-Ergebnisse durch Lisa Hauser und Anna Gandler, bei den Herren stehen wir bei null. Das ist ergebnistechnisch dürftig. Simon Eder sticht raus, bei ihm haben Lauf- und Schießleistung aber noch nie optimal zusammengepasst. Es gab auch einige gute Leistungen Anna Juppe oder Tamara Steiner. Generell ist die läuferische Leistung aber im Vergleich zur internationalen Konkurrenz aber nicht gut genug.

… Routinier Eder als stärksten Läufer: Man muss größten Respekt vor Simon haben. Hut ab davor, wie er das immer schafft. Es zeigt zugleich auch, dass der Umbruch im Herren-Team, der 2020 begann, bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Vom Leistungsvermögen her kommt aktuell wenig nach. Felix Leitner wäre einer, der die Lücke schließen könnte, er hat aber seit zwei Jahren mit Problemen zu kämpfen und kann nicht auf seine alte Laufstärke zurückgreifen.

… die Verantwortung des aktuellen Trainerteams an der Misere: Da muss man differenzieren. Die Ausdauer- und Laufleistung sind nichts, was man innerhalb von zwei Jahren groß ändern kann. Man kann dem Ganzen eine positive Richtung geben, das Ruder komplett rumreißen geht aber nicht, wenn die Basis fehlt. Daher ist es wichtig, dass der ÖSV Strukturen und Trainingsinhalte vorgibt und Technikelemente einfordert. Das aktuelle Trainerteam wirkt auf mich engagiert, es gibt aber Grenzen in dem, was man leisten kann.

… Fehler in der Vergangenheit: Es ist wichtig, langfristig kontinuierlich gute Arbeit auf die Beine zu stellen mit den nötigen Strukturen. Wir hatten in den vergangenen Jahren extrem viele Trainerwechsel in den Nationalteams. Man hat nach Lösungen gesucht, wurde aber noch nicht fündig. Ich würde das aber eine Etage höher heben. Es braucht Leitbilder und eine gute Kommunikation. Jeder muss sich ins Team eingeschlossen fühlen, damit ein Zug entsteht, alles enger zusammenrückt.

… die WM-Chancen der ÖSV-Herren: Simon Eder kann, wenn Schieß- und Laufform sowie das Material passen, sein bestes Saisonergebnis erzielen. Da spreche ich von einem Top-10-Ergebnis, das sehr gut wäre. In der Staffel haben wir die Chance auf die Top-6. Die Medaillen hängen aber zu hoch.

… seine Schulnote für die Saison der ÖSV-Damen: Da würde ich einen Dreier geben, bisher war es durchschnittlich. Das Potenzial für bessere Ergebnisse wäre da, es hat aber nie zu laufen begonnen. Wenn Leaderin Lisa Hauser aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat und ihr Niveau nicht zeigen kann, sind andere wie Anna Gandler gefragt. Bei ihr ist es ganz natürlich, dass sie Leistungsschwankungen hat. Sie kann bei der WM einen Sprung nach vorne machen und ist ein Wettkampftyp. Anna Juppe ist sehr, sehr gut in Form, ihr traue ich zu, in Richtung Top-10 unterwegs zu sein.

… die Chancen auf Edelmetall: Wir dürfen nicht davon ausgehen, haben aber schon oft dieses Ziel erreicht. Letztes Jahr hat es auch nicht so gut ausgehen und trotzdem hat man es geschafft. Der Fluor-Bann hat Spannung reingebracht. Warum sollten wir nicht mal auf der guten Seite sein und andere Nationen im Dunkeln tappen? Unabhängig davon: Auch wenn es nicht realistisch ist, muss es das Ziel sein.

… den Bewerb mit den größten Chancen: Die Single-Mixed-Staffel.

… Gründe für Lisa Hausers durchwachsene Saison: In erster Linie sind das die gesundheitlichen Probleme, die Lisa begleiten. Sie war in den vergangenen Monaten mehrfach krank, zuletzt in der WM-Vorbereitung wieder, weshalb sie die Mixed-Staffel verpasst. Dann ist es auch schwierig für sie, an ihr gewohntes Leistungsniveau heranzukommen.

… die Nominierung von Lea Rothschopf:Lea hat konstante Leistungen erbracht und in dieser Saison noch einmal einen Schritt gemacht. Im IBU-Cup ist ihr ein bedeutender Schritt gelungen. Die WM-Nominierung ist absolut verdient. Das kann man ihr nur vergönnen. Im Bestfall bekommt sie einen Einsatz. Atmosphärisch könnte die erste WM - abgesehen von einer Heim-WM - nicht schöner sein.

… Kritik an ihrer Vorbereitung: Zunächst einmal ist zu hinterfragen, warum Lisa ihren eigenen Weg gewählt hat. Das sollte allen Seiten zu denken geben, da muss auch der ÖSV darüber nachdenken, warum sie nicht zu integrieren war. Das hat ja Gründe. Zu sagen, ihr Weg war der falsche, ist zu einfach. Ich würde Lisa den Rücken stärken und gemeinsam nach Lösungen suchen.

… Talente, die es in den kommenden Jahren an die Spitze schaffen können: Da stechen aktuell zwei Leute raus: Fabian Müllauer und Anna Andexer. Beide setzen läuferisch in ihren Altersklassen Akzente, aber auch schon im IBU-Cup. Fakt ist aber: Jetzt beginnt die Arbeit erst so richtig, um Weltspitze zu werden! Die kommenden Trainingsjahre sind von großer Bedeutung. Da rede ich wieder über Strukturen, aber auch in der Technologie, im Servicebereich muss man sich weiterentwickeln. Es sind immer mehrere Faktoren. Dabei sind Verband, Trainer und Athleten gefordert. Die Richtung stimmt aber schon mal.

… die norwegische Dominanz bei den Herren: Da wurde ein Paket aufgestellt, das unschlagbar ist. Da wir von Biathlon sprechen, ist klar, dass die Deutschen oder Schweden sicher mal die Möglichkeit haben werden, da reinzustechen. Als Paket sind die Norweger aber so aufgestellt, dass der Sieg nur über sie führen kann. Da wurden im Team viele Schritt richtig gemacht hat. Sie haben ein super Trainerteam und eine exzellente Servicecrew. Zum Erfolg kommt dann noch die Selbstverständlichkeit dazu, sodass dieser Zug auch in Zukunft nur schwer zu stoppen sein wird.

… die ausgeglicheneren Damenrennen: Es war ein großer Wechsel drin, prominente Namen haben die Karriere beendet. Daher gab es die Chance, da reinzuspringen und die Lücke zu füllen. Den Französinnen ist das im Besonderen gelungen. Die Deutschen halten sich gut, da muss ich vor allem den Hut vor Franzi Preuß ziehen.

… die WM-Superstars 2024: Mir würde es taugen, wenn Johannes Dale-Skjevdal seine Laufform halten und sein Schießen in den Griff kriegen könnte. Ich glaube aber, dass Johannes Thingnes Boe die Kurve bekommen hat und das dominant durchziehen wird. Nicht zu vergessen ist Nove-Mesto-Spezialist Tarjei Boe. Der ist dort immer schweinisch gut! Mein Sicherheitstipp lautet bei den Herren aber Johannes Thingnes Boe, weil er eine coole Socke ist und ein Eitzerl mehr Talent hat. Bei den Damen hat mir Ingrid Landmark Tandrevold bisher extrem gut gefallen. Ansonsten ist eine Lisa Vittozzi immer interessant, weil sie ein super Paket mitbringt. Persönlich würde es mich zudem freuen, wenn die Tschechin Marketa Davidova den Anschluss finden könnte.

… eine neue Bindung, die einige Norweger testeten und einen Zeitvorteil bringen soll: Technologischer Vorteil oder Weiterentwicklung sind immer interessant und schlagen oft bei Großereignissen auf. Ich traue mich nicht zu sagen, was es bringt, weil ich es selbst nicht probiert habe. Das Feld für Verbesserungen ist aber sicher offen, daher werde ich das sehr gespannt verfolgen.

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