Abgeordnete sauer

U-Ausschuss nach Akten-Eklat vorerst ausgesetzt

Österreich
30.05.2012 16:49
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat am Mittwoch seine Befragungen zur Causa Blaulichtfunk nach der ersten Auskunftsperson überraschend ausgesetzt. Die nächste Sitzung wurde zudem auf den 5. Juni verschoben. Grund ist der Unmut unter den Fraktionen über fehlende Akten des Innenministeriums. Von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderte der Ausschuss bis kommenden Freitag eine Vollständigkeitserklärung.

Bereits vor Beginn der Sitzung herrschte Aufregung über die fehlenden Unterlagen. Es fehlten "Unmengen an Akten", behauptete der grüne Abgeordnete Peter Pilz. Nach einem entsprechenden Zeitungsartikel Dienstagabend habe das Innenministerium noch einmal geprüft und sei draufgekommen, dass es noch zahlreiche Akten liefern müsse.

"Pflanzen lassen wir uns nicht"
Pilz reagierte sauer und wollte den zuständigen Abteilungsleiter oder Innenministerin Mikl-Leitner selbst in den Ausschuss laden. "Pflanzen lassen wir uns nicht." Grund für die Sache sei "schlicht und einfach Ausschuss-Sabotage". Auch der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner erklärte, dass wichtige Akten fehlten. Er wolle niemandem etwas unterstellen, aber er glaube nicht, dass dies Zufall sei. Eine seriöse Befragung sei beim Fehlen von Aktenteilen nicht durchführbar, kritisierte Petzner.

Amon erkennt keine Schuld bei Mikl-Leitner
Die Volkspartei trug die Entscheidung über die Aussetzung des U-Ausschusses "selbstverständlich" mit. Laut Fraktionsführer Werner Amon habe es jedoch noch am Dienstagnachmittag eine umfassende Lieferung aus dem Innenministerium gegeben, am Abend sei noch eine Erklärung nachgeschickt worden. Er gehe davon aus, dass jetzt alle Akten da seien.

Keine Verantwortung sah Amon freilich bei der Ministerin selbst. Er sprach stattdessen von falschen Beurteilungen "von zwei Sektionen". Die Ministerin habe klargestellt, dass die Akten zu übermitteln seien, und sei auch jederzeit bereit, eine Vollständigkeitserklärung abzugeben.

Vollständigkeitserklärung bis Freitag gefordert
FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz verlangte eine solche bis Freitag. Dass das Ministerium erst am Dienstag draufgekommen sei, dass "bei genauer rechtlicher Prüfung" noch Akten ausständig sind, obwohl diese bereits vor einem halben Jahr angefordert wurden, findet Rosenkranz "erstaunlich". Petzner erwartet bis Freitag eine weitere Lieferung und rechnete vor, dass Dienstagnacht und Mittwoch früh rund 5.000 Seiten an Akten gekommen seien.

Vom Innenministerium hieß es dazu, man habe bereits im Februar 2012 alles geliefert, im Sinne von mehr Transparenz habe man dem Ausschuss aber zuletzt noch mehr gewünschte Unterlagen, die nicht unmittelbar vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, zur Verfügung gestellt - sofern diese überhaupt im Ministerium und nicht im Staatsarchiv aufliegen.

Geldflüsse bei Vergabe des Blaulichtfunks?
Wie bei den Immobiliengeschäften, die zuletzt untersucht wurden, geht es auch bei der Anschaffung des neuen Polizeifunksystems um den Verdacht von Geldflüssen. Vergeben wurde das Projekt unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser, gegen den in einer anderen Causa (EU-Lobbying gegen Bares) ermittelt wird.

Strasser hatte 2002 ein Konsortium aus Siemens, Raiffeisen und Wiener Stadtwerke beauftragt, das Behördenfunknetz zu digitalisieren, damals unter dem Projektnamen "Adonis". Im Juni 2003 schrieb er das Projekt wegen technischer Probleme, wie es hieß, neu aus, da dann unter dem Namen "Tetron". Ein Jahr später erhielt die Bietergruppe aus Motorola, Alcatel und Telekom Austria den Zuschlag.

Bei dieser umstrittenen Neuvergabe soll es zu ungeklärten Zahlungen von bis zu 3,7 Millionen Euro an den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly gekommen sein. 1,1 Millionen Euro sollen von der Telekom und bis zu 2,6 Millionen Euro vom Tetron-Konsortialpartner Motorola gekommen sein. Zudem musste die Republik nach der Neuvergabe dem ursprünglich siegreichen Konsortium 30 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Strasser und Mensdorff-Pouilly weisen den Vorwurf der Korruption zurück.

Rechnungshof-Beamter als einziger Befragter
Am Vormittag hatte der Rechnungshof-Beamte Heimo Mauser vor dem U-Ausschuss ausgesagt. Laut Mauser sei es bei der Erstvergabe des Funksystems unter Strasser zu erheblichen Planungs- und Vollzugsfehlern gekommen. Eine konkrete Projektkostenberechnung habe es nicht gegeben, dafür war ein besonders hoher Gewinn für den Anbieter ein Zuschlagskriterium. Ein wesentlicher Punkt, waren Erst- und Zweitbieter doch bei hundert möglichen Punkten nur um drei Punkte voneinander entfernt, wie der Beamte aussagte.

Bei dem Projekt habe es schwer nachvollziehbare Beraterhonorare gegeben, gleichzeitig seien die Angebote der drei Bewerber nicht vergleichbar gewesen. Wesentliche Fragen des Projektmanagements hatten sich nach dem Zuschlag verändert. "Wir können die Vergabe an den Bestbieter nicht nachvollziehen", so das Resümee des Spitzenbeamten. Die Gewinnmaximierung des Auftragnehmers liege jedenfalls nicht im Interesse des Auftraggebers, erinnerte er.

Die zwei Auskunftspersonen Bernhard Krumpel, der im Kabinett des Innenministers für den Behördenfunk zuständig war und später Geschäftsführer bei Tetron wurde, sowie der ehemalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, die schon auf ihre Aussage gewartet hatten, wurden nach Hause geschickt.

Strasser-Befragung auf den 20. Juni verschoben
In einer weiteren Geschäftsordnungssitzung wurden noch Änderungen beim Zeitablauf der Zeugenladungen besprochen. Der Untersuchungsausschuss findet nun nicht wie geplant am kommenden Freitag das nächste Mal statt, sondern wurde auf den 5. Juni verschoben. An diesem Tag hätte Strasser aussagen müssen, seine Zeugenbefragung wurde nun auf den 20. Juni verschoben.

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