Bischof im Interview

Was sagt uns Weihnachten über Gott und die Welt?

Tirol
23.12.2023 18:30

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler im „Krone“-Gespräch über den Krieg im Heiligen Land, die Wohnungsnot in Tirol, hektische Weihnachtstage und das Geheimnis des Festes.

„Krone“: Advent und Weihnachten stehen für Besinnlichkeit. Viele empfinden die Zeit aber als besonders hektisch. Auch ein Bischof hat rund um das große Fest viele Termine. Wie kommt man da zur Ruhe?
Bischof Hermann Glettler: Keine leichte Frage. Sich über die Unruhe zu empören, nützt nichts. Ja, ich kämpfe auch um Orte und Zeiten ohne Handy, Termine oder Programmpunkte. Unterbrechung ist heilsam. Ständig im Erreichbarkeitsmodus vermehren wir die Nervosität unserer Zeit. Die Folge ist, dass wir immer gereizter werden, aber immer weniger wahrnehmen. Mein Vorschlag lautet zehn Minuten Stille pro Tag. Damit macht man sich und anderen ein Geschenk. Und kann Gott entdecken. Für mich ist übrigens die Kapelle im Bischofshaus ein Refugium, in das ich mich zwischendurch zurückziehe.

Weihnachten ist auch das Fest des Friedens. Doch in vielen Teilen der Erde herrscht Krieg, seit Oktober auch im Heiligen Land. Können wir je Frieden für alle finden?
Ja, ich hoffe schon. Angesichts der vielen Kriegsschauplätze erleben wir eine große Ohnmacht. Umso wichtiger ist es, im eigenen Umfeld alle Kleinkriege zu beenden. Einander vergeben ist wichtig. Die palästinensische Friedensvermittlerin Sumaya Farhat-Naser, die seit Jahrzehnten mit israelischen und palästinensischen Frauen arbeitet, empfiehlt eine tägliche Reinigung des Herzens. Sie ruft dazu auf, im Geist von Bethlehem dem Hass und der Rache in uns keinen Raum zu geben. Frieden wird möglich, wenn wir den Ängsten und auch dem Leid des Anderen in uns Raum geben. Das gemeinsame Menschsein verpflichtet uns.

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Die erschreckende Zahl der Armutsgefährdeten müssen wir reduzieren. Ein erschwinglicher Platz zum Leben ist ein Grundbedürfnis.

Bischof Hermann Glettler

In Tirol leiden viele Familien unter der Teuerung. Davon berichten auch Hilfsorganisationen wie die Caritas. Wohnungsnot ist eine reale Bedrohung. Was wünschen Sie sich von der Politik?
Ja, Wohnen ist unverschämt teuer geworden, Menschen können es sich oft trotz Arbeit nicht mehr leisten – das ist eine Katastrophe! Die erschreckende Zahl der Armutsgefährdeten müssen wir reduzieren. Ein erschwinglicher Platz zum Leben ist ein Grundbedürfnis. Es geht um Gerechtigkeit. Die Tiroler Landesregierung hat zum Glück in letzter Zeit viel an Unterstützung ermöglicht. Aber die strukturelle Frage, wie die galoppierenden Wohnkosten zu reduzieren sind, bleibt offen.

Emotional diskutiert wurde heuer das Thema Schwangerschaftsabbruch. Sie als Familienbischof sprechen sich gegen Anlaufstellen in öffentlichen Krankenhäusern aus. Die gibt es in Tirol weiterhin nicht. Aber was braucht es 50 Jahre nach Einführung der Fristenregelung?
Beratung und Hilfe stehen an erster Stelle. Keine Frau sollte sich wegen sozialer Ängste oder Sorgen vor der Zukunft zu einer Abtreibung gedrängt fühlen. Auch der Druck durch die Umgebung kann enorm sein. Unterstützung und Aufklärung ist angesagt. Und wir sollten offen den Konflikt zwischen dem Grundrecht auf Leben eines Menschen im ersten Entwicklungsstadium und dem Freiheitsrecht einer erwachsenen Person benennen. Schon am 21. Tag nach der Empfängnis beginnt das Herz des Menschen zu schlagen. Weihnachten stärkt das Ja zum Leben, auch wenn die Umstände oft nicht ideal sind.

Das christliche Weihnachtsfest übt auf viele Faszination aus, auch wenn Menschen mit Religion nichts am Hut haben. Was sagt uns Weihnachten über Gott und die Welt?
Weihnachten ist eine Alternative zur Maßlosigkeit unserer Zeit. Das Immer-Mehr macht uns nicht glücklich. Das Geheimnis des Festes besteht darin, dass sich der allmächtige Gott unerhört klein gemacht hat. In der verletzlichen Gestalt des Kindes kann ihm jeder begegnen. Und sein Herz vor ihm ausschütten. Der Herrgott ist der „Hörgott“, wie ich ihn im Titel einer aktuellen Sammlung von Gebeten nenne.

Welcher Brauch rund um Weihnachten hat Sie als Kind schon fasziniert?
Spontan fällt mir das Räuchern ein. Am Heiligen Abend, zu Silvester und vor Dreikönig. Wir sind als Familie gemeinsam betend und räuchernd durch Haus und Stall gegangen. Auch in der WG im Bischofshaus in Innsbruck pflegen wir diesen Brauch. Fast eine Jahresmeditation, bei der man dankbar und bittend alle Lebensräume durchschreitet. Ich schließe dabei viele Menschen ein, deren Sorgen ich mitzutragen versuche.

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