Fakt oder Fake?

Foren-Mythen: Die Gründung der Hamas

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21.11.2023 15:00

Im Zuge unserer neuen Reihe „Fakt oder Fake“ wollen wir mit den bekanntesten Fake News zu den gerade die Nachrichten bestimmenden Themen aufräumen. Heute beschäftigen wir uns mit einer Behauptung rund um den Israel-Krieg, die wir auch häufiger in unseren Foren vorfinden. Wir erklären, was hinter dieser steckt und ob oder inwieweit sie der Wahrheit entspricht. Denn die ist oft etwas komplexer, als man denkt.

Immer wieder liest man unter entsprechenden Artikeln folgende und ähnliche Aussagen:

Zitat Icon

Behauptung: Hinter der Gründung der Hamas steht Israel!

 

Grundsätzliches zur Gründung der Hamas
Die Hamas wurde Ende 1987 als Zweig der islamistischen Muslimbruderschaft in Gaza-Stadt gegründet. Die Gründungsmitglieder waren unter anderem Scheich Ahmed Yassin, der spätere geistliche Führer, und Abdel Aziz al-Rantisi, der spätere politische Führer der Hamas. Sie besteht aus einer politischen Partei, einem Hilfswerk und den paramilitärischen Kassam-Brigaden. Die Organisation lehnt das Existenzrecht Israels ab und will einen islamischen Staat in Palästina errichten.

Zu diesem Zweck verübt sie seit 1989 Terroranschläge gegen Israel, darunter immer wieder Raketenbeschuss, Selbstmordattentate und Entführungen. Nicht zuletzt deshalb wird sie von vielen Staaten, etwa von der Europäische Union oder den USA, als Terrororganisation eingestuft. Es herrscht außerdem ein innenpolitischer Konflikt mit der Fatah, der größten Fraktion der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die eine Verhandlungslösung mit Israel anstrebt.

Was steckt hinter der Behauptung
Die Behauptung, dass Israel die Hamas (mit-)begründet hat, basiert auf einer umstrittenen Theorie, die besagt, dass Israel in den 1980er Jahren die Hamas als Gegengewicht zur PLO förderte, um die palästinensische Einheit zu spalten und den Friedensprozess zu sabotieren, und zudem Hamas-Mitglieder entließ, um deren Aktivitäten zu ermöglichen. Diese Theorie stützt sich hauptsächlich auf zwei Punkte:

1. Israel duldete die Hamas lange Zeit, während es die PLO bekämpfte

Die Gründe dafür sind folgende: 

  • Unterschätzung der Hamas: 
    Da die Hamas zu Zeiten ihrer Gründung keine konventionellen Waffen oder eine organisierte Armee hatte, nahm Israel die Bedrohung durch sie nicht so ernst. Stattdessen konzentrierte man sich mehr auf die Bekämpfung der PLO. Diese verfügte nämlich über eine stärkere militärische Infrastruktur und internationale Unterstützung. Israel ignorierte die Hamas daher eher, bis es 1989 zu deren ersten Selbstmordanschlag gegen Israel kam. Danach erkannte der Staat die Hamas als eine Terrororganisation an und begann, sie zu bekämpfen.
  • Betrachtung der Hamas als religiöse und soziale Bewegung und Gegengewicht zur PLO: 
    Damals war die PLO die dominante und vor allem auch radikalere palästinensische Organisation. Sie stand unter der Führung von Jassir Arafat und führte einen bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat. Im Gegensatz dazu betrachtete Israel die Hamas, die aus der islamistischen Muslimbruderschaft hervorging, mehr als eine religiöse und soziale Bewegung. Und, was noch wichtiger war: Als eine Bewegung, die sich eher um die inneren Angelegenheiten der Palästinenser kümmerte als um den Konflikt mit Israel. Sehr wahrscheinlich ist, dass Israel die Hamas daher als moderatere Organisation sah, welche die radikalere PLO schwächen und ihr in weiterer Folge die Unterstützung in der Bevölkerung entziehen könnte. Israel erlaubte daher der Hamas, ihre Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen im Gazastreifen zu betreiben.

2. Israel entließ einige Hamas-Mitglieder aus dem Gefängnis

Die Gründe dafür sind folgende:

  •  Gefangenenaustausch:
    Dies kam häufiger vor, um israelische Soldaten oder Zivilisten, die von der Hamas entführt worden waren, zu befreien.
    Ein Beispiel dafür ist der 2011 erfolgte Austausch des israelischen Soldaten Gilad Schalit gegen mehr als 1000 palästinensische Gefangene, darunter viele Hamas-Mitglieder.
  • Eindämmen der Gewalt im Gazastreifen:
    Oft wurden Hamas-Mitglieder auch deshalb freigelassen, da dies eine Bedingung der Hamas war, um einen Waffenstillstand oder eine Feuerpause im Gazastreifen und in Südisrael zu erwirken.
    Ein Beispiel dafür ist der sechsmonatige Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas 2008. Zu dieser Vereinbarung gehörte die Freilassung von 41 Hamas-Mitgliedern.
  • Friedensbemühungen:
    Auch um einen guten Willen und Humanität gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zu zeigen, wurden immer wieder palästinensische Gefangene freigelassen. Unter diesen befanden sich, wie man auch den oberen Absätzen entnehmen kann, häufig Hamas-Mitglieder.
    Ein Beispiel dafür ist die 2013 erfolgte Freilassung von über hundert Gefangenen, darunter eben auch 14 Hamas-Mitglieder, als Teil der Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Leider waren diese Bemühungen nicht immer erfolgreich oder nachhaltig, da die Hamas oft die Bedingungen der Vereinbarungen verletzte oder die Gewalt gegen Israel fortsetzte. 

Man muss diesen Umgang mit der Hamas somit unbedingt vor dem damaligen zeitlichen Hintergrund betrachten. Zu Verhandlungszwecken und aus strategischen und politischen Gründen ging man mit ihr anders um als mit der PLO. Insgesamt ist zu sagen, dass Israel die Hamas damals wohl als das kleinere Übel hinnahm und sich daher mehr auf die größere Bedrohung (die PLO) konzentrierte. Keinesfalls ging es Israel allerdings darum, die Hamas konkret zu unterstützen oder Friedensprozesse zu sabotieren. Das beweist unter anderem eben auch die Freilassung diverser Hamas-Mitglieder, so paradox das auch klingen mag. 

Conclusio zur Behauptung
Die Hamas ist bewiesenermaßen eine unabhängige, eigenständige Organisation, die ihre eigene Ideologie und Agenda verfolgt. Seit 1989 wird sie von Israel als Terrororganisation bekämpft und ihre Führer gezielt getötet. Es entspricht nicht den Tatsachen, dass die Hamas von Israel (mit-)begründet wurde. Länder, die die Hamas tatsächlich finanziell und militärisch unterstützen, sind unter anderem der Iran, die Türkei und Katar.

Wenn Sie diese Behauptung unter dem einen oder anderen Israel-Artikel lesen, wissen Sie nun, was Sache ist, und können sie mit den oben angeführten Fakten argumentativ widerlegen. Scheuen Sie also nicht den Diskurs, sondern tragen Sie dazu bei, dass Falschbehauptungen in unseren Foren die Stirn geboten wird.

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