"Völlig irrational"

Defizit-Sanktionen: EU sperrt Ungarn halbe Milliarde Euro

Ausland
13.03.2012 16:40
Die EU-Finanzminister haben sich auf millionenschwere Sanktionen gegen Defizitsünder Ungarn verständigt. Wie die dänische Ratspräsidentschaft mitteilte, fasste der Finanzministerrat am Dienstag in Brüssel einen Beschluss zur teilweisen Suspendierung der Kohäsionsfonds für 2013. Das gesperrte Volumen umfasst 495 Millionen Euro. Der von mehreren Mitgliedsländern kritisierte Schritt ist in der Geschichte der EU beispiellos. Ungarns Premier Viktor Orban (Bild) sprach von einer "völlig irrationalen" Entscheidung.

Der Entscheidung ging ein hartes Tauziehen voraus. Mehrere osteuropäische Staaten kritisierten das Vorgehen gegen Ungarn. Die makroökonomischen Sanktionen waren von der Union erst im Vorjahr im Zuge der Krise beschlossen worden.

Österreichs Finanzministerin Maria Fekter trat für eine Verschiebung des Beschlusses auf Sommer ein. Fekter verwies in dem Zusammenhang auf ein Entgegenkommen der Finanzminister gegenüber Spanien und sagte, sie habe "das Gefühl, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird".

EU-Kommission weist Kritik zurück
Die EU-Kommission hingegen betonte, alle Mitgliedsländer nach den gleichen Standards zu behandeln. "Wir sind nicht besonders hart mit einem Mitgliedsland", erklärte etwa der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Kommission sei generell "rigoros mit Fristen" - und dies sei auch wichtig im Hinblick auf den Stabilitätspakt. In Anspielung auf Ungarn sagte Rehns Sprecher, es gebe "keinen Grund, sich als Opfer des Systems" zu sehen. Außerdem: Sollte Budapest bis zum 22. Juni Korrekturen an seinem Budget machen, könne die Entscheidung noch aufgehoben werden.

Die Minister gaben Ungarn außerdem Empfehlungen mit auf den Weg, nach denen das Land die nächsten sechs Monate seinen Defizitabbau vorantreiben soll. Bei den 495 Millionen Euro geht es um Verpflichtungen, das heißt die konkreten Zahlungen aus dem EU-Haushalt würden später fällig werden.

2011 sogar Haushaltsüberschuss
Die EU-Kommission hat die Sanktionen gegen Ungarn im Februar vorgeschlagen. Budapest konnte nach Schätzungen der Union zwar 2011 einen deutlichen Haushaltsüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorweisen. Dies sei jedoch nur einmaligen Maßnahmen - etwa durch Übertragung privater Pensionen auf das Budget - zu verdanken. Ohne diese Maßnahmen wäre das Defizit 2011 bei 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen.

2012 erwartet die EU-Kommission wieder ein Defizit, für 2013 wird dann gar ein Defizit von 3,25 Prozent des BIP prognostiziert - womit die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Drei-Prozent-Grenze überschritten würde.

Orban: EU handelt "völlig irrational"
Der ungarische Ministerpräsident Orban bezeichnete das Vorgehen der EU-Kommission als "völlig irrational". "Warum will man uns Geld wegnehmen, während man es anderswo in Säcken ausschüttet?", fragte der rechts-konservative Politiker am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Orban beklagte - ebenso wie Fekter - das angebliche "doppelte Maß", mit dem Brüssel messen würde. "Jetzt, wo die Regierung die Staatsverschuldung senkt, wollen die Führer der EU die Menschen in Ungarn wegen der verantwortungslosen Politik der vorangegangenen Regierung bestrafen", sagte der Premier.

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