Erste Erfolge

100 Tage Monti: “Anti-Berlusconi” krempelt Italien um

Ausland
24.02.2012 11:29
Italien lässt eine bleierne Zeit hinter sich: Der parteilose Regierungschef Mario Monti ist mit viel Tempo dabei, das Land auf Vordermann zu bringen - und spielt dabei auch kräftig auf der europäischen Bühne mit. Monti krempelt sein Land um - und das Image Italiens in der Welt gleich mit. Am 16. November in einem geschickten Schachzug von Präsident Giorgio Napolitano als Chef einer Übergangsregierung eingesetzt, ging der angesehene Wirtschaftsprofessor aus der Lombardei in Windeseile ans Werk.

Montis Expertenkabinett, das seit genau 100 Tagen im Amt ist, zog am Freitag eine erste Bilanz seiner Arbeit. Auf der Webseite der Regierung wurde ein Dossier veröffentlicht, in dem die Bemühungen des Kabinetts im Kampf gegen Verschuldung sowie bei Kosteneindämmung, Wirtschaftswachstum und Liberalisierung aufgelistet werden.

Acht Maßnahmenpakete wurden seit Montis Amtsantritt verabschiedet. Dazu zählt das sogenannte Paket "Rette Italien", mit dem das Land bis Ende 2013 eine ausgeglichene Bilanz vorlegen will. Auch Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung, zur bürokratischen Vereinfachung und zur Liberalisierung verschiedener Wirtschaftsbereiche beschloss die Regierung in den letzten Monaten. 20 Milliarden Euro wiederum wurden für neue Großinfrastrukturen locker gemacht, die zur Modernisierung des Landes dienen sollen.

Auch große Einsparungen in der Politik
Weiters gabe es einige spektakuläre Aktionen gegen die Steuerhinterziehung, zudem setzte die Regierung stark auf Einsparungen bei den Kosten der öffentlichen Verwaltung und der Politik. So wurden bei den Ausgaben der Regierung 43 Millionen Euro eingespart, auch bei den Gehältern von Parlamentariern wurde stark der Rotstift angesetzt. Im Rahmen einer Kampagne für größere Transparenz im Staatsbereich zwingt Monti zudem Staatsmanager und Beamte in Spitzenpositionen dazu, künftig ihre Einkünfte offenzulegen.

Mit leiser Stimme erklärt "Il Professore" immer wieder, mit welchen teils schmerzhaften Maßnahmen er nach dem Sparen jetzt Wachstum schaffen will. Denn die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone ist in der Rezession, die Griechenland-Krise bedroht auch Italien. Und Monti hat wahrscheinlich nur noch ein gutes Jahr Zeit, den Stiefelstaat auf Vordermann zu bringen. Denn die Legislaturperiode endet im Frühjahr 2013 - und Montis Technokraten-Kabinett ist lediglich eingesetzt, nicht gewählt.

"Bella figura" auf europäischem Parkett
"Bella figura" macht der unitalienisch zurückhaltende Monti nicht nur an der Heimatfront, sondern auch in Europa. Während in den Jahren seines schillernden Vorgängers Silvio Berlusconi manche europäische Politiker Rom gemieden haben, stehen sie jetzt Schlange. Zum Beispiel am Donnerstag: Mariano Rajoy, Amtskollege eines anderen mediterranen Sorgenkindes in der Schuldenkrise, kam aus Madrid. Und aus Straßburg reiste der deutsche sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz an, um Unterstützung für die "erheblichen Anstrengungen des italienischen Volkes und seiner Regierung im Kampf gegen die Krise" zu demonstrieren. Auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy binden Monti ein. Der "Anti-Berlusconi" bringt Italien Europa wieder näher.

So kann Monti mit deutlichen Worten dafür werben, den Sparkurs nun nicht zu überdrehen, Eurobonds einzuführen und Wachstum zu schaffen. Der ausgewiesene Wirtschaftsfachmann aus Varese will Italien damit zu einem wieder voll respektierten und beachteten Land machen. Die Idee, für Athens Haushalt eine Art Kommissar einzusetzen, nennt er "weit hergeholt und unangenehm". Berlins harte Politik in der Krise ist in Italien nicht gerade beliebt. Also befürchtet Monti anti-europäische Proteste in seinem Land – und hält immer wieder fest: Rom leiste mit den Reformbemühungen seinen Teil, jetzt sei Europa an der Reihe.

Als Hoffnungsträger auf "Time"-Cover
Wertschätzung für den lombardischen Professor kommt aber nicht nur aus der Politik. Der zuvor so dramatische Druck der Finanzmärkte auf die italienischen Staatsanleihen hat sich spürbar verringert. Wann immer eine Ratingagentur Italien nun noch weiter herabstuft, ist das meist mit einem Hinweis auf die positiven Anstrengungen der Regierung in Rom verbunden - das klingt so, als müsse man "trotz Monti" Italien schlechter benoten. Zudem hob das amerikanische "Time"-Magazin den Mann auf sein Titelblatt, der Ministervermögen offenlegt, selbst auf sein Gehalt verzichtet und ständig als eine Art Hoffnungsträger unterwegs ist.

Transparenz, Flexibilität und Glaubwürdigkeit sollen Italien aus der Gefahrenzone holen. Nach den ersten 100 Tagen stehen die Chancen nicht schlecht, dass ihm das auch gelingt. Immerhin, meint er, nähmen seine Landsleute die abverlangten Opfer mit mehr "Reife" hin, als so mancher Politiker wohl gedacht hätte. Der frühere EU-Kommissar weiß dabei: Italien kann sich so gut es geht anstrengen - eine Rettung aus der Schulden- und Wachstumskrise hängt jedoch auch von Europa ab. Das Land darf nur nicht in den alten Trott zurückfallen.

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