Um die Lebenssituation vieler Eltern zu verbessern, kündigte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montag großspurige Investitionen in die Kinderbetreuung an. So ganz glauben wollen ihm das SPÖ und Gewerkschaften jedoch nicht. Sie orten nicht viel mehr als einen „Marketingschmäh“.
Gemeinsam mit den Bundesländern und Gemeinden will Nehammer bis 2030 4,5 Milliarden Euro in dem Bereich investieren, kündigte er im ORF-„Sommergespräch“ an. Erst im vergangenen Mai hatten sich Bund und Länder in einer 15a-Vereinbarung auf eine „Kindergartenmilliarde“ geeinigt, die bis 2026/27 eine Aufstockung der Ländermittel durch den Bund um jährlich 200 Mio. Euro vorsieht.
Mittel sollen deutlich aufgestockt werden
Aus der Praxis und von den Sozialpartnern wurde das als deutlich zu gering kritisiert, um das Angebot auszubauen und die Arbeitsbedingungen in dem stark von Personalmangel betroffenen Feld zu verbessern. Das Personal der Kindergärten war in den vergangenen Monaten mehrfach für bessere Rahmenbedingungen auf die Straße gegangen. Nun haben Nehammer und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) eine deutliche Aufstockung der Mittel bis 2030 angekündigt.
Nehammer-Vorstoß „vollkommen absurd“
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim nannte diesen Vorstoß in einer Aussendung „vollkommen absurd“, immerhin habe Nehammer „jahrelang keinen Finger dafür gerührt“ und seine Partei habe 2016 in der SPÖ-ÖVP-Koalition den fertig ausverhandelten Ausbau der Kindergärten „aus parteitaktischen Gründen sabotiert“.
Auch von den Gewerkschaften kamen kritische Töne. ÖGB-Vizepräsidentin und -Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann sah Nehammers Ankündigung in einer Aussendung als Erfolg des Drucks der Gewerkschaft, gleichzeitig habe man aber erst kürzlich feststellen müssen: „Wenn die Bundesregierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer etwas Großes ankündigt, dann ist Vorsicht geboten - es könnte sich schnell als Leuchtfeuer entpuppen“.
„Kein Thema für Marketingschmähs“
„Kinderbetreuung ist kein Thema für Marketingschmähs“, betonte auch GPA-Vorsitzende Barbara Teiber und forderte von Nehammer Tempo. Auf längere Sicht würden 4,5 Milliarden Euro zudem nicht reichen. Younion-Vizechef Manfred Obermüller befürchtete ebenfalls „das Einschlagen eines PR-Nagels ohne Kopf“. Immerhin sei schon 2022 eine „Kindergartenmilliarde“ versprochen worden, die tatsächlich nur 57,5 Millionen Euro mehr pro Jahr bedeutet habe. Dass es bei gleichgebliebenen Daten ein Jahr später nun deutlich mehr Geld geben soll, erinnere an Wahlkampf.
Koalitionspartner erfreut
Erfreut zeigte sich unterdessen Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer, für die mit dem Ausbau der Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr eine langjährige Grünen-Forderung angegangen wird. Damit werde eine gute Rückkehr von Eltern ins Berufsleben und eine partnerschaftliche, gerechte Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Elternarbeit ermöglicht, hieß es in einer Aussendung.
Begrüßt wurde der Vorstoß auch vom Gemeindebund. Man habe bei den Finanzausgleichsverhandlungen monatelang mehr Geld für Kinderbetreuung gefordert, man stehe für weitere Verhandlungen mit Bund und Ländern bereit, so die Vizepräsidenten Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger.
Mehr Kinderbetreuung, weniger Fachkräftemangel?
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), sah in der Initiative nicht nur eine wichtige Investition in Bildung, sondern auch gegen den Fachkräftemangel, indem Eltern einen rascher Wiedereinstieg in den Beruf ermöglicht werde. Auch Handelsverband und Wirtschaftsbund sahen einen Schritt, um gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels wichtige Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
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