Wieder unter Druck

Bundespräsident Wulff tappt in fiese “Bild”-Zwickmühle

Ausland
05.01.2012 17:03
Nicht einmal 24 Stunden hat der Befreiungsschlag des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff gehalten. Transparenz hatte das Staatsoberhaupt am Mittwochabend in einem großen TV-Interview gelobt. Die "Bild" nahm Wulff beim Wort und bat ihn am Donnerstag um die Erlaubnis zur Veröffentlichung einer kolportierten Drohung auf der Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann. Das lehnte Wulff ab - und ist damit schon wieder in Erklärungsnot.

Die Geschichte um den massiv unter Druck stehenden Bundespräsidenten ist mittlerweile recht verworren. Wulff geriet ursprünglich deswegen unter Beschuss, weil er zu einem Privatkredit vor dem Parlament falsche Angaben gemacht haben soll (siehe Infobox). Als die "Bild" ihm auf die Schliche kam, übersandte die Zeitung dem Präsidenten einen umfangreichen Fragenkatalog. Wulff reagierte, indem er Chefredakteur Diekmann auf die Handy-Mailbox sprach und angeblich für den Fall einer Veröffentlichung der Story mit "Krieg" drohte. Dabei galten die "Bild" und Wulff lange Zeit als enge Verbündete.

In seinem viel beachteten Fernseh-Interview am Mittwochabend entschuldigte Wulff sich dann für mögliche Fehler und gelobte fortan mehr Transparenz. Gleichzeitig widersprach er aber der Darstellung der "Bild" und betonte, dass er die Berichterstattung durch seinen Anruf keinesfalls hätte verhindern wollen. Lediglich einen Aufschub um einen Tag habe er sich erbeten. Auch habe er Diekmann nicht gedroht.

"Bild" wehrt sich mit Zwickmühle gegen Wulff-Aussage
Doch diese Aussage wollte "Bild"-Chefredakteur Diekmann so offenbar nicht stehen lassen und ersann einen gefinkelten Plan. Er bat den Bundespräsidenten am Donnerstag per Fax um die Erlaubnis, den Wortlaut der Mailbox-Nachricht veröffentlichen zu dürfen, damit jeder Bürger sich seine eigene Meinung bilden könne. Obendrein stellte die Zeitung eine Zusage ins Netz, die die "Bild" Wulff offenbar direkt vor seiner Mailbox-Wutrede gegeben hatte. Darin sicherte das Blatt dem Präsidenten genau das zu, was dieser vorgeblich gefordert hatte: Die Verschiebung der Berichterstattung um einen Tag, damit Wulff Zeit hat, die notwendigen Informationen zu beschaffen.

Mit der Bitte um Erlaubnis zur Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht verfolgt die größte deutsche Zeitung ein recht einfaches Ziel: Bei einer Zusage käme der - für Wulff womöglich bittere - Inhalt ans Licht. Bei einer Ablehnung hingegen hätte er sein Transparenz-Versprechen nach nicht einmal 24 Stunden gebrochen. Eine Zwickmühle. Doch offenbar war sich die Zeitung ihrer Sache sehr sicher.

Wulffs Antwort alles andere als souverän
Und siehe da: Wulffs Reaktion auf die Anfrage der Bild war alles andere als souverän. Am Donnerstagnachmittag lehnte er per Fax an Kai Diekmann die Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht ab, und zwar mit nicht besonders überzeugenden Argumenten: "Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt. Ich habe mich Ihnen gegenüber kurz darauf persönlich entschuldigt. Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben. ... Es stellen sich grundsätzliche Fragen zur Vertraulichkeit von Telefonaten und Gesprächen. Hier haben die Medien ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen."

Dann bekräftigt Wulff, dass er in seiner Mailbox-Nachricht wegen einer Auslandsreise lediglich um eine Fristverschiebung für die Antwort auf den von der "Bild" übersandten Fragenkatalog gebeten habe. Die ihm gewährte Verlängerung habe aber nur bis zum 12. und nicht bis zum 13. Dezember gegolten. "Es gab für mich keinen ersichtlichen Grund, warum die 'Bild'-Zeitung nicht noch einen Tag warten konnte, wo die erfragten Vorgänge schon Jahre, zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. Das habe ich nach meiner Erinnerung auf der Mailbox-Nachricht trotz meiner emotionalen Erregung auch zum Ausdruck gebracht."

Aussage gegen Aussage - doch Deutsche glauben der "Bild"
Damit steht nun auch weiterhin Aussage gegen Aussage. Doch der Vorteil liegt bei der "Bild". Denn Wulff hat sein Transparenz-Gelöbnis nicht eingehalten und steht nun als Wortbrüchiger dar, während die nicht gerade zimperliche "Bild" sich als heldenhafte Kämpferin für die Wahrheit aufführen kann. Jedenfalls scheint etwas eingetreten zu sein, was die Deutschen wohl noch vor kurzem für unmöglich gehalten hätten: Sie glauben dem Boulevardblatt inzwischen mehr als ihrem Bundespräsidenten.

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