Unter Beschuss

D: Präsident Wulff soll auch bei “Welt” interveniert haben

Ausland
03.01.2012 15:36
Die Luft für den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff wird immer dünner: Der Versuch, mit einem Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann einen Artikel zu verhindern, soll kein Einzelfall gewesen sein. Auch bei der "Welt am Sonntag" hat der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident offenbar interveniert. Indes verlangen bereits mehr als 90 Prozent der Deutschen den Rücktritt des Staatschefs.

Schon Monate vor seinem Anruf bei der "Bild" hatte der deutsche Bundespräsident offenbar versucht, einen Zeitungsbericht zu verhindern. Wie die "Welt" am Dienstag bekannt gab, habe man im vergangenen Sommer "bei einer Recherche ganz ähnliche Erfahrungen wie nun die 'Bild'-Zeitung gemacht". Wulff soll nicht nur beim Chefredakteur interveniert haben, sondern auch an höchsten Verlagsstellen.

Dabei ging es um einen Ende Juni erschienenen mehrseitigen Bericht der "Welt" über Wulffs Familie und das zerrüttete Verhältnis zu einer seiner Schwestern. Demnach stellte die Redaktion dem Bundespräsidenten einige Tage vor Veröffentlichung des Artikels schriftlich einige Fragen. Alle seien unbeantwortet geblieben.

Reporter zu Wulff zitiert
"Stattdessen gingen in der Redaktion mehrere Anrufe aus dem Bundespräsidialamt ein, mit dem Ziel, die Geschichte zu verhindern", wird Chefredakteur Jan-Eric Peters von "Spiegel Online" zitiert. "Als klar war, dass wir den Artikel trotzdem veröffentlichen wollten, wurde einer der Reporter am Samstag wenige Stunden vor Redaktionsschluss ins Schloss Bellevue gebeten." Dort habe Wulff dem Reporter in einem langen Vier-Augen-Gespräch damit gedroht, dass er im Falle einer Veröffentlichung sofort eine Pressekonferenz einberufen und erklären würde, dass die "Welt am Sonntag" eine Grenze überschritten habe.

Außerdem habe Wulff angekündigt, jede Zusammenarbeit mit der "Welt" zu beenden, falls das Stück publiziert würde, sagte Peters. "Unser Reporter, ein erfahrener Journalist, war sehr überrascht von dem Vorgang und sagte mir, er habe diesen Teil des Gesprächs als eisig und sehr heftig empfunden." Nach dem Gespräch habe Wulff versucht, an höchsten Verlagsstellen - unter anderem beim Vorstandsvorsitzenden - zu intervenieren. "Ich habe trotzdem entschieden, die Geschichte zu veröffentlichen", sagte der Chefredakteur. In seiner Heimat kassiert Wulff für seine Aktion bereits Hohn und Spott, beispielsweise vom öffentlich-rechtlichen Radiosender WDR 5. Die Station ließ die Anrufe bei der "Bild" von einem Imitator nachspielen und zog den Präsidenten dabei kräftig durch den Kakao.

Mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht
Am Montag war bekannt geworden, dass Wulff in der Kreditaffäre offenbar massiven Druck auf Journalisten ausgeübt hatte, um Enthüllungen zu verhindern. Die "Bild"-Chefredaktion bestätigte, dass der deutsche Bundespräsident in einem Anruf bei Chefredakteur Diekmann dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht habe, sollte ein Beitrag über seinen umstrittenen Kredit veröffentlicht werden.

Laut "Bild" habe man dem Bundespräsidenten zuvor Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen gegeben. Wulff habe diese zunächst abgegeben, aber am 12. Dezember kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen. Der Artikel, der die Affäre um den Privatkredit maßgeblich ins Rollen brachte, erschien trotz der Intervention am nächsten Tag. Zwei Tage später habe Wulff erneut Diekmann angerufen und um "Entschuldigung für Ton und Inhalt" seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox gebeten, erklärte die "Bild"-Chefredaktion.

Kreditaffäre aus dem Jahr 2008
Auslöser der Affäre ist ein Kredit über 500.000 Euro, den die Gattin eines befreundeten Unternehmers Wulff 2008 gewährt hatte. Im niedersächsischen Landtag verneinte der damalige Ministerpräsident im Februar 2010 die Frage, ob er Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens habe. Vor knapp zwei Wochen räumte Wulff dann erstmals ein, es sei ein Fehler gewesen, damals dem Landtag den Kredit der Unternehmers-Gattin verschwiegen zu haben.

Mehr als 90 Prozent der Deutschen für Wulff-Rücktritt
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Wulff als ihren Wunschkandidaten zum Staatschef gemacht hat, schweigt immer noch zu den Vorwürfen. Doch vom Koalitionspartner FDP kommen bereits erste, unmissverständliche Aufforderungen zum Rücktritt. Und selbst in seiner eigenen CDU scheint der Präsident den Rückhalt schon verloren zu haben. Genauso wie bei der Bevölkerung: In Online-Umfrage verschiedener Zeitungen und Zeitschriften verlangen 80 bis 90 Prozent der Teilnehmer Wulffs Rücktritt.

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