Lage spitzt sich zu

Beobachter der Arabischen Liga in Syrien eingetroffen

Ausland
27.12.2011 19:13
Erstmals seit Ausbruch der Anti-Regierungsproteste in Syrien vor neun Monaten verschaffen sich internationale Beobachter vor Ort einen Eindruck von der Lage. Eine Delegation der Arabischen Liga traf am Dienstag in der Protesthochburg Homs ein, wo allein zu Wochenbeginn nach Angaben der Opposition 34 Menschen bei Angriffen von Regierungstruppen getötet wurden. Unterdessen gingen in Homs Zehntausende Menschen auf die Straßen.

Für das Massaker an der Zivilbevölkerung sollen die Soldaten auch Panzer eingesetzt haben. Diese seien aber kurz vor Ankunft der Beobachter in der drittgrößten Stadt des arabischen Landes abgezogen worden, teilte die Menschenrechtsorganisation Syrian Observatory mit Sitz in Großbritannien unter Berufung auf Aktivisten mit.

Die Regierungsgegner nutzten den Rückzug zu einer spontanen Großdemonstration. Nach Angaben von Aktivisten versammelten sich mindestens 70.000 Menschen in einem besonders umkämpften Stadtteil. Der Protestzug habe sich auf das Stadtzentrum zubewegt, meldete die Oppositionsgruppe. Sicherheitskräfte versuchten, den Zug mit Einsatz von Tränengas zu stoppen. Offenbar fühlen sich die Demonstranten durch den Besuch der Beobachter ermutigt, auf die Straße zu gehen.

Die internationalen Experten sollen sich ein Bild der Lage verschaffen. Die Delegation will ihren Einsatz am Mittwoch fortsetzen. Der Chef der Gesandten, der sudanesische General Mustafa al-Dabi, sprach von einem ersten "sehr guten" Besuch. "Ich kehre zu Treffen nach Damaskus zurück und werde morgen wieder nach Homs fahren", sagte Dabi. Sein Team verbleibe in Homs.

"Wir haben niemanden außer Gott"
Der Fernsehsender Al-Jazeera zeigte aufgebrachte Syrer, die "Wir haben niemanden außer Gott" und "Nieder mit dem Regime" riefen. Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie Demonstranten die Beobachter um Schutz anflehten. Da die syrische Führung unter Präsident Bashar al-Assad die meisten ausländischen Journalisten des Landes verwiesen hat, lassen sich Angaben rund um die Proteste und das gewaltsame Vorgehen der Regierungskräfte kaum unabhängig überprüfen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bisher mehr als 5.000 Syrer getötet. Die Staatsführung hat erklärt, sie gehe gegen islamistische Terroristen vor, die aus dem Ausland gesteuert würden.

Die Beobachter sollen nun überprüfen, ob Assad sich an einen Friedensplan hält, der den Abzug von Truppen aus Städten, die Freilassung von Gefangenen und die Aufnahme von Gesprächen mit der Opposition vorsieht. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass der auch internationale zunehmend isolierte Staatschef das Abkommen umsetzt. Die ersten 50 Beobachter waren nach wochenlangen Verhandlungen mit der syrischen Führung am späten Montagabend unter der Leitung von Dabi in Damaskus eingetroffen. Etwa 100 weitere sollen in Kürze folgen. Zum Auftakt ihres Besuchs in Homs kam eine Beobachter-Gruppe mit dem dortigen Gouverneur zusammen, wie der syrische Fernsehsender Dunia berichtete.

Werden Beobachter in die Irre geführt?
Der Beobachter-Einsatz ist umstritten. Viele Assad-Gegner fürchten, dass er von der syrischen Führung genutzt werden könnte, um sich nach außen hin als respektabel und aufrichtig zu gebärden - während in Wirklichkeit die gewaltsame Niederschlagung der Proteste fortgesetzt wird. Für Kritik dürfte auch sorgen, dass die Beobachter im Land von der Regierung befördert werden sollen. Die Delegierten haben zwar erklärt, dass sie ohne Vorankündigung überall dort hin könnten, wohin sie wollten. Aktivisten fürchten dennoch, dass es den Assad-Truppen dadurch leichter gemacht wird, ihr wahres Handeln zu verschleiern. So sollen aus Städten wie Deera und Hama, wie Homs ebenfalls Schauplätze zahlreicher Proteste, Panzer abgerückt sein - nur, um ein falsches Bild der Lage zu vermitteln und zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukehren.

In Homs verließen am Dienstag mindestens elf Panzer nach Angaben von Aktivisten den Stadtteil, in dem sie noch am Montag auf Wohnblöcke geschossen hätten. Weitere würden versteckt. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldete derweil, eine Gas-Pipeline in der Nähe von Homs sei wie bereits mehrfach in den vergangenen Monaten Ziel eines Sabotageakts von Terroristen geworden.

Arabische Liga musste erst mit UN-Sicherheitsrat drohen
Assad hatte dem Einsatz der Beobachter erst zugestimmt, nachdem die Arabische Liga mit einer Überweisung des Falls an den UN-Sicherheitsrat gedroht hat. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen kann weitreichende Sanktionen verhängen. Im Falle Libyens unterstützte es eine Flugverbotszone, die von der NATO militärisch durchgesetzt wurde und zum Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gadafi beitrug.

Wegen seines Vorgehens ist Assad auch international zunehmend in die Kritik geraten. Zahlreiche Staaten haben Sanktionen erlassen. Der einst wichtige Verbündete Türkei wendet sich ab. Zahlreiche Syrer sind in das Nachbarland geflohen, darunter auch viele Deserteure. Syrische Sondereinsatzkräfte töteten einem staatlichen Medienbericht zufolge mehrere Bewaffnete, die versucht hätten, über die türkische Grenze nach Syrien einzudringen. Dabei seien auch Armee-Uniformen und gefälschte Pässe beschlagnahmt worden, meldete SANA am Dienstag.

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