Am 19. Mai verstorben

Pete Brown: „Mache den Leuten gerne eine Freude“

Musik
24.05.2023 09:00

Er schrieb die bekanntesten Songtexte für die kultige Rock-Band Cream und arbeitete bis zu dessen Tod 48 Jahre lang mit Jack Bruce zusammen. Zudem steuerte er Songs für Künstler wie Graham Bond, Procol Harum oder Joe Bonamassa bei, hatte eigene Bands und galt als einer der profundesten Rock-Lyriker Englands. Am 19. Mai verstarb Pete Brown im Alter von 82 Jahren an den Folgen seines Mundhöhlenkrebses. Die „Krone“ traf ihn bei seinem letzten Wien-Gig zum Gespräch.

(Bild: kmm)

Als die „Krone“ Pete Brown vergangenen November im Zuge seines Auftritts im Wiener Jazzclub Porgy & Bess traf, wartete der britische Top-Künstler gerade auf eine neue Reihe Zähne für seinen Oberkiefer. Im Zuge seines Mundhöhlenkrebses wurde er 2022 zweimal operiert, tourte aber so gut es ging unermüdlich weiter. Das Schlimmste wäre überstanden, erzählte er uns im sympathischen Talk vor seinem Gig, man hätte ihn erfolgreich operiert und der Krebs hätte nicht gestreut. Fast exakt sechs Monate verstarb er im Alter von 82 Jahre an Krebs in Hastings an der britischen Südküste. Bis zuletzt arbeitete Brown an einem weiteren Studioalbum, das möglicherweise noch im Herbst erscheinen wird.

Peter Constantin Brown schrieb schon mit 14 sein erstes Gedicht und war schon in den 50er-Jahren ein Mitglieder Liverpooler Dichterszene, veranstaltete Lesung in Beatnik-Clubs und setzte sich für Jazz-&-Lyrik-Programme ein. Er pflegte eine respektvoll-väterliche Freundschaft zum großen Wiener Dichter Ernst Jandl und wandte sich zunehmend der Musik zu. Zuerst mit John McLaughlin in der First Real Poetry Band, dann bei den Battered Ornaments und Piblokto! Wirklich bekannt wurde der Poet aber als Songtexter für legendäre Hits wie „I Feel Free“, „Sunshine Of Your Love“ oder „White Room“ der Kultband Cream. Mit deren musikalischem Mastermind Jack Bruce verband Brown bis zu dessen Tod eine 48 Jahre lange Arbeitsfreundschaft, zuletzt war Brown an Alben von Procol Harum und Joe Bonamassa beteiligt. Hier das Interview mit Pete Brown vom November 2022 im Porgy & Bess.

„Krone“: Pete, es ist einige Zeit vergangen zwischen deinen letzten Wien-Aufenthalten und der Show hier im Porgy & Bess.
Pete Brown: Das kannst du laut sagen. Mit der Hamburg Blues Band hatte ich eine tolle Show in Salzburg. Ich kann mich daran erinnern, dass das Publikum in Wien immer fantastisch war. Es waren ein paar Typen aus der Gegend hier und auch welche, die länger gefahren sind, um mich auf der Bühne zu sehen. Was will man mehr? Ich bin froh, dass ich jetzt doch noch einmal da bin, um den Leuten eine Freude zu machen.

Auf der Bühne spielst du für gewöhnlich Songs von Cream, Jack Bruce und anderen bzw. auch deine eigenen. Sehr viel Musikgeschichte, an der du viele Jahre lang aktiv beteiligt warst. Ist es dir wichtig, diese legendären Tracks so gut wie möglich am Leben zu erhalten?
Mir ist es sogar sehr wichtig, diese Songs am Leben zu erhalten, denn sie wurden genau dafür geschrieben. Sehr viele davon sind seit Jahrzehnten beliebt und zu richtigen Klassikern geworden, das hat natürlich einen Grund. Die Musik ist prinzipiell dafür da, um der Vergangenheit Respekt zu zollen und das Material von früher in der Gegenwart so lebendig wie möglich zu gestalten. Solange die Songs halt gut genug sind. (lacht) Phil Ryan, mit dem ich sehr viel zusammengearbeitet habe, war mein bester Freund und es ist mir wichtig, seine Songs zu spielen. Es ist auch schön, dass ich die Setlist oft variieren kann, weil es so viele tolle Songs von verschiedenen Projekten gibt. Es herrscht eine große Vielfalt und mir wird nie langweilig. Ich lerne noch immer bei jedem Auftritt dazu.

Bevor du zum Songschreiber und Songtexter wurdest, warst du in erster Linie aber ein Dichter. So begann deine künstlerische Laufbahn.
Das Zeug, das ich mit 14 und 15 geschrieben habe, ist natürlich unleserlicher Müll. (lacht) Aber so ab dem 18. Lebensjahr habe ich meinen Stil gefunden und die Texte wurden besser und interessanter. Sollte ich noch länger am Leben bleiben, möchte ich 2023 einen neuen Gedichtband veröffentlichen. Gedichte zu schreiben ist ganz anderes, als Songs zu schreiben. Viel persönlicher und intimer. An Songs schreibe ich immer, weil ich auch viel für andere Künstler arbeite. Die Gedichte und das Lyrische rutschen mir hier und da raus.

In den 60er-Jahren waren sich Poeten, Schriftsteller und Musiker so nahe wie sonst kaum in der Kulturgeschichte. Mit John McLaughlin, Binky McKenzie, Laurie Allan und Pete Baily hast du die First Real Poetry Band ins Leben gerufen.
Als wir in den frühen 60er damit angefangen haben, hatten wir die allerbesten Jazz-Musiker, die es in England gab. Das war aber auch eine andere Klangfarbe als später, in den späteren 60er-Jahren, wo sich alles mehr Richtung Rockmusik orientierte. Die Jazz-Elemente waren immer vorhanden, weil sie uns wichtig waren. So gut wie jeder, mit dem ich damals arbeitete, hatte einen Jazz-Background oder zumindest gerne Jazz gespielt. Die Musiker waren sehr versiert und konnten alles spielen. Ich war nie gut genug, um ein Jazz-Musiker zu werden, aber mich hat diese Musik immer sehr stark beeinflusst. Der Jazz ist nie aus meinem Leben verschwunden.

Marianne Faithfull hat erst während Corona ein ganzes Album mit Kunst von großen Dichtern und Literaten veröffentlicht.
Mit der Dichtung ist es so wie mit der Musik - sie ist wunderbar, wenn sie gut ist. Oft fällt es mir leichter, Songs zu schreiben, weil mir die Musik eine Richtung vorgibt und mich antreibt. Beim Schreiben gibt es nur dich alleine und du musst viel härter arbeiten, um etwas Gutes zu erzeugen. Ich habe über die letzten 70 Jahre gelernt, nicht nachlässig zu sein, sondern immer sehr hart an allem zu feilen. Ich will mich nicht mit Mittelmaß zufriedengeben. Wenn etwas so persönlich ist, dann soll es auch gut und korrekt sein. Songs sind persönlich, aber man schreibt sie auch für das Publikum. Es ist einfach etwas anderes.

Für viele Hörer und Musikfans ist die Musik weit über den Text zu stellen. Der Text hat in der Musik nie diese 100-prozentige Aufmerksamkeit, die er in der Schriftstellerei oder der Poesie erfährt.
Ich habe 48 Jahre lang mit Jack Bruce zusammengearbeitet. Manchmal haben wir uns geliebt, manchmal gehasst, aber er war zweifellos ein musikalisches Genie. Er war so voller Ideen, dass jeder Tag mit ihm gemeinsam eine Herausforderung war. Die meiste Zeit hat das gut geklappt und wenn etwas geklappt hat, dann war das ein wunderschönes Gefühl. Phil Ryan und ich haben ganz anders gearbeitet. Man braucht Abwechslung und verschiedene Inputs.

Die Legende besagt, dass du früher die Songs für Ginger Baker hättest schreiben sollen, aber diese Aufgabe übernahm deine Frau. So sind du und Jack Bruce schlussendlich als Kreativgespann zusammengekommen.
Zwischen Jack und mir gab es immer eine bestimmte Chemie, das haben wir sehr schnell erkannt. Der Cream-Song „I Feel Free“ war fast ein Pop-Song, aber so hat Jack damals Musik gespürt. Eric Clapton hat zu der Zeit sehr wenig geschrieben und Ginger wollte immer ausscheren, war deutlich vielseitiger unterwegs. Jack hatte eine Richtung, in die er gehen wollte und ich steuerte Texte bei. Unsere Beziehung war vom Schicksal geformt und hielt, mal mehr, mal weniger, 48 Jahre lang. Wir brauchten Pausen voneinander, aber kreativ haben wir immer gut funktioniert. Ich habe mich lange nicht getraut, Jacks Songs auf der Bühne zu singen, weil er so fantastisch war. Irgendwann habe ich mir aber klargemacht, dass es genauso meine Songs sind und dass ich auch das Recht hätte, sie zu singen. Ich singe sie sehr gerne und glaube, ich zolle ihm ausreichend Respekt. Wichtig ist das richtige Feeling, denn rein technisch kann man Jack ohnehin nicht das Wasser reichen. Ich arbeite hart dafür, dass die Songs auf der Bühne gut klingen.

Gibt es auch Songs, die du nicht gerne singst, weil die Erinnerungen daran schmerzhaft sind oder Wut in dir hervorrufen? Wie du schon erwähnt hast, war die Beziehung zwischen euch nicht immer friktionsfrei …
Einer unserer besten Songs war „Flying“ und den fertigzustellen war ein unheimlich harter Kampf. Mit Jack zu arbeiten, konnte genial und auch grauenvoll sein. Er war ein absoluter Perfektionist und hat jede Idee und jeden Song x-mal umgearbeitet. Er wollte einen Text über Flugangst haben, also habe ich mich ans Werk gemacht. Zu der Zeit starb aber gerade Roy Orbison bei einem Flugzeugabsturz und Jack wollte, dass wir ihm damit Tribut zollen. Ich schrieb also einen weiteren Text, in dem Roy vorkam, aber das hat ihm auch nicht sonderlich gefallen. Ich sollte etwas im Stil von Orbison machen - so ging das die ganze Zeit und das hat mich verrückt gemacht. Er hat mich manchmal wirklich an den Rand des Wahnsinns getrieben, aber das Endergebnis war immer so verdammt gut, dass es all die Mühe im Vorfeld wert war. Ich bin sehr stolz auf die Songs, die wir gemeinsam geschrieben haben. Zu 75 Prozent war die Zusammenarbeit gut.

Du hast über die Jahre sehr oft mit starken Egos zusammengearbeitet, die teils klare musikalische Visionen haben. Damit muss man erst einmal klarkommen.
Jack und ich sind auch sehr klare Persönlichkeiten und da ist ein Raum dann oft zu klein für beide Parteien. Mit Phil Ryan war das nie der Fall, da gab es nie Stress oder Streit. Mit John McLaughlin war die Zusammenarbeit immer besonders gemütlich. Wichtig ist, offen und vielseitig zu sein. Man muss sich an die anderen anpassen. Ich habe auch mit Joe Bonamassa gearbeitet oder war am letzten Album von Procol Harum beteiligt. Das hatte ziemlich guten Erfolg und ich habe einen guten Job gemacht. Ich versuche immer das Beste aus mir herauszuholen, das ist mein Anspruch. Wenn ich für andere arbeite, dann bin ich immer professionell und biete so viele Möglichkeiten und Varianten an, wie mir einfallen. „Novum“ von Procol Harum war ziemlich erfolgreich, „Royal Tea“ von Bonamassa so richtig. Es war in den USA auch in den Charts weit vorne. Das war natürlich auch wichtig für mein Leben und meine ganze Existenz. (lacht)

Du hattest neben den großen Bands auch immer deine eigenen Projekte. Zum Beispiel die Battered Ornaments, bei denen es 1971 nach zwei Jahren eher ein Ende mit Schrecken gab.
Damit hat alles begonnen. The First Real Poetry Band, die es schon vorher gab, war so gut, dass ich mich zu schlecht dafür fühlte und meine eigene Band haben wollte. Also gründete ich die Battered Ornaments. Die Musiker in den Ornaments waren alle großartig. Ich war ein guter Schreiber und Frontmann, aber kein Sänger, habe diesen Posten aber übernommen, weil es sonst keiner machen wollte. Früher habe ich im Hintergrund Percussion gespielt und plötzlich war ich ganz vorne, nur hatte ich das damals nicht drauf. So haben sie mich 1969 kurz vor dem Auftritt vor den Rolling Stones im Hyde Park aus der Band geworfen, was unheimlich hart war. In der Rückschau muss ich aber sagen, auch ich hätte mich bei der Leistung hinausgeworfen. (lacht) Als dann der Punk seinen Siegeszug im Land antrat, habe ich die Musik auf der Bühne hinter mich gelassen und nahm sechs Jahre Gesangsunterricht. Ich verbesserte mich stark, weil ich nicht aufhören wollte zu singen. Ich habe sehr hart daran gearbeitet und bis heute arbeite ich täglich. Solange ich trotz meines Alters auf der Bühne stehen kann und sich alles ganz okay anhört, mache ich einfach weiter.

Zudem ist deine Leidenschaft für die Musik ungebrochen ...
Ich bin schon viele Jahre im Geschäft, das darf man nicht vergessen. Ich halte eine strenge Diät. Kein Fleisch, keine Milchprodukte und so gut wie kein Zucker. Ich ernähre mich fast ausschließlich vegan, mit etwas Fisch. Ich trainiere jeden Tag mindestens eine halbe Stunde. Egal, wo ich bin. Zuhause gehe ich an sechs von sieben Tagen lange spazieren. Ich lebe im britischen Hastings am Meer in der Nähe eines Waldes und kann viel in die Natur gehen. Ich versuche mich so gut wie möglich fit zu halten, aber gegen Krankheiten kann ich nichts machen. Heuer hatte ich schon zwei Krebsoperationen und warte gerade auf ein neues Set Zähne für meinen Oberkiefer. Ich habe Mundhöhlenkrebs und sie mussten mir Teile meines Gesichts entfernen. Zum Glück hat der Krebs nicht gestreut, ich kam noch glimpflich davon. Derzeit ist er weg, also mache ich so lange weiter, solange es geht. Wie lange es noch geht, das weiß ich nicht. Ich bin gerne mit meiner Frau, den Hunden und den Katzen zu Hause, aber ich liebe die Bühne und Konzerte. Ich lebe davon und werde nicht damit aufhören, solange es noch möglich ist.

Man sollte immer das tun, was einen glücklich macht. Dafür hat man dieses eine Leben.
Deshalb möchte ich auch gerne noch ein neues Album veröffentlichen. Es sind ein paar berühmte Gäste geplant und die Jungs, mit denen ich auf Tour bin, spielen mit. Eine amerikanische Plattenfirma ist interessiert und ich hoffe, es lässt sich realisieren. Wir haben die Demos bereits eingespielt und manche Songs auch schon live erprobt. Wir wissen genau, wie wir klingen wollen und haben einen tollen Produzenten, Rob Cass, der auch Jack Bruces letzte Alben produziert hat. Jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der uns finanziell unterstützt.

Stimmt es eigentlich, dass du den legendären österreichischen Schriftsteller Ernst Jandl persönlich getroffen hast?
Er war Wiener, oder? Ein großartiger Mensch, ich habe ihn sehr geschätzt. Er kam nach England und hat sich in der Kunst- und Kulturszene sofort wohlgefühlt. Wir haben uns von Anfang an prächtig verstanden. Er war ein Held für mich. So ganz voller Humor und Weisheiten und er dachte immer an die Kunst. Er hat die alten Traditionen hochgehalten und war trotzdem offen für die Moderne und die Pop-Revolution. Gemeinsam mit Michael Horovitz, der leider 2021 verstarb, haben wir ein paar dadaistische Lesungen gehalten. Wir haben Dada immer geliebt und all meine Texte sind davon durchzogen.

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